Iwan Hont (3.5.1929 Jewmynka, Oblast Koselez, Sowjetunion – August 2016 Jewmynka, Oblast Tschernihiw, Ukraine)

Biographies
Verfasst von Sibylle von Tiedemann

Zwangsarbeiter im Reichsbahnausbesserungswerk Neuaubing

Iwan Hont kurz nach seiner Ankunft im Lager Eggarten in München Freimann 1943 | Privatbesitz

Iwan Hont wurde 1929 in der Siedlung Jewmynka geboren, die 70 Kilometer nordöstlich von Kyjiw (Kiew) liegt. Dort lebte er mit seinem Vater Nikolaj, der Bauer und Schmied in der Dorfkolchose war, seiner Mutter und den beiden älteren Schwestern. Als kleiner Junge hatte er die Hungersnot 1932/1933, den Holodomor, erlebt. Damals starben mehrere Millionen Ukrainer*innen. 1936 wurde Iwan eingeschult. An den Nachmittagen hütete er Kühe und half seiner an Tuberkulose erkrankten Mutter im Haushalt.

Am 22. Juni 1941 begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Iwan Hont erinnert sich: „Die Flieger haben hier vor Jewmynka gedreht, damals konnte man sehr selten einen Flieger hören. Es war ein Bombardement, und auf der Straße sagte man, dass der Krieg begonnen hatte.“ Die Männer wurden zur Roten Armee eingezogen, ihre Arbeitskraft fehlte nun im Ort. In der Gegend gab es zahlreiche Kämpfe zwischen Partisanen und der Wehrmacht. Als Straf- und Abschreckungsmaßnahme verbrannten die Besatzer im Februar 1943 Frauen und Kinder von Partisanen in einem Haus in Jewmynka. Davon erzählt man sich heute noch in Jewmynka.

Am 9. Juli 1943 wurden die Einwohner Jewmynkas ins 40 Kilometer entfernte Sammellager in Browary gebracht und von dort in Güterwaggons zur Zwangsarbeit in der Ukraine oder nach Deutschland transportiert. Nach ihrer Ankunft in München kamen Iwan und sein Vater zunächst in das Lager Eggarten und leisteten für das Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Freimann Zwangsarbeit. Am 25. September 1944 wurden sie nach Neuaubing versetzt, wo sie für das dortige RAW arbeiten mussten und im Reichsbahnlager an der Heinrichstraße/Lehmannstraße (heute: Giechstraße/Ehrenbürgstraße) untergebracht waren. Während dieser Zeit starb die Mutter, die wegen ihrer Erkrankung in der Ukraine geblieben war.

Nach Kriegsende kehrten Iwan Hont und sein Vater Nikolaj in die Sowjetunion zurück. Beide wurden wegen ihres Zwangsaufenthaltes im feindlichen Deutschland vom sowjetischen Geheimdienst überwacht. Da sie als Kollaborateure des NS-Regimes galten, waren ihnen bestimmte Berufe verwehrt. Iwan Hont hat in verschiedenen Berufen wie Heizer, Filmvorführer oder Förster gearbeitet, zuletzt war er Wachmann. Im August 2016 starb er und hinterließ einen Sohn.

Quellen

Interview von Andreas Heusler mit Ivan Hont 2002 in München.

Empfohlene Zitierweise

Sibylle von Tiedemann: Hont, Iwan (publiziert am 31.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=369&cHash=b5c91076a19853a19b9a7a69e5c2c4d8