Israelitische Kultusgemeinde

Organizations
Verfasst von Edith Raim

Entwicklung des jüdischen Gemeindelebens in der nationalsozialistischen Diktatur

Das 20. Jahrhundert hatte für die jüdische Gemeinde München verheißungsvoll begonnen. Sie war dank des Zuzugs aus Osteuropa deutlich angewachsen. Grund für die Migration waren neben der generellen Armut in den Herkunftsgegenden allerdings die immer wieder aufflammenden gewalttätigen Ausschreitungen gegen Juden*Jüdinnen in Polen und Russland. Dabei war das Verhältnis zwischen den nicht assimilierten ‚Ostjuden‘ und den assimilierten einheimischen Juden*Jüdinnen im Westen nicht immer konfliktfrei: Letztere befürchteten beispielsweise durch das hierzulande fremd erscheinende Erscheinungsbild der traditionell gekleideten, jiddisch sprechenden ‚Ostjuden‘ ein Anwachsen des Antisemitismus.

Schon nach dem Ersten Weltkrieg, in dem die Beteiligung der jüdischen Soldaten in der so genannten ‚Judenzählung‘ thematisiert worden war, kam es zu Wellen des Antisemitismus. ‚Die Juden‘ wurden mit der Kriegsniederlage des Kaiserreichs wie auch der Revolution in Zusammenhang gebracht. Die Gründung einer dezidiert antisemitischen Partei, der Deutschen Arbeiterpartei (DAP), in München, die Agitation rechtsextremer Vereinigungen wie des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbunds, das Erscheinen der antisemitischen Zeitung Völkischer Beobachter (zunächst zweimal in der Woche, dann täglich), die Münchner Massenkundgebungen, bei denen Adolf Hitler in seinen Reden die Schuld für den Weltkrieg, die wirtschaftliche Misere und alle sonstige Unbill ‚den Juden‘ zuwies, all dies bildete ein Menetekel an der Wand und schuf ein Klima der Gewaltbereitschaft, das durch die Politik der rechtskonservativen bayerischen Regierung noch zusätzlich befördert wurde. So richtete sich die ‚Ostjudenkampagne‘ der politischen Rechten zu Beginn der 1920er-Jahre gezielt gegen Eingewanderte aus Osteuropa. In München waren dies etwa 1500 Personen, denen allein schon ihre Herkunft aus Gebieten, die nun zur ‚bolschewistischen‘ Sowjetunion gehörten, zur Last gelegt und denen daher als angeblich ‚kommunistischen Elementen‘ eine Gefährdung des Staats unterstellt wurde. Die daraufhin 1920 erlassene Fremdenverordnung des Ministerpräsidenten Gustav von Kahr ermöglichte ihre Ausweisung bzw. verhinderte die Einreise weiterer ‚Ostjuden‘, die bereits am Grenzübertritt nach Bayern gehindert werden sollten.

Wer nicht sofort ausgewiesen werden konnte, kam in das ‚Lager Ingolstadt‘, ein Sammellager für Ausländer, die dort vor der Abschiebung eingesperrt waren. Zwar wurde die Mehrzahl der Ausweisungsbefehle aufgrund der Intervention der jüdischen Gemeinde Münchens beim bayerischen Innenministerium zurückgenommen, doch der antisemitische Münchner Polizeipräsident Ernst Pöhner wies die Polizei an, von den Immigranten Nachweise einzufordern, sie seien nie Mitglieder der Kommunistischen Partei gewesen.

Seit Anfang der 1920er-Jahre wurden jüdische Gemeindeangehörige Opfer antisemitischer Ausschreitungen. Der Gemeinderabbiner Leo Baerwald und Mitglieder der Münchner Ortsgruppe des Centralvereins wurden am 30.9.1920 bei einer NSDAP-Versammlung in München niedergebrüllt. Kommerzienrat Sigmund Fraenkel, führende Persönlichkeit der Münchner orthodoxen Gemeinde und des Centralvereins, und sein Sohn wurden am 21.6.1923 in der Straßenbahn schwer misshandelt. Zudem wurde der Berliner Sexualforscher Dr. Magnus Hirschfeld nach einem Vortrag am 4. Oktober desselben Jahres in München bewusstlos geprügelt.

Im Völkischen Beobachter wurde laufend gegen jüdische Geschäftsinhaber*innen gehetzt, die Vorwürfe lauteten meist ‚Wucher‘ und ‚Schiebung‘. Geschäfte Münchner Juden*Jüdinnen wurden schon seit 1921 mit Hakenkreuzen beschmiert, ebenso die Synagogen in der Herzog-Max-Straße und der Herzog-Rudolf-Straße 1921 und 1923 mit antisemitischen Parolen versehen. Bekannte Treffpunkte von Juden*Jüdinnen wurden von Nationalsozialisten gezielt aufgesucht, um dort Tumulte zu verursachen und jüdische Personen zu misshandeln, zum Beispiel das Café Deutsches Theater in der Schwanthalerstraße oder die jüdische Volksküche in der Klenzestraße. Die antisemitischen Ausschreitungen waren so gewalttätig geworden, dass sich eine jüdische Delegation des Verbands Bayerischer Israelitischer Gemeinden 1923 beim bayerischen Ministerpräsident Eugen von Knilling über den unzureichenden Schutz durch die Behörden beschwerte. Der im September zum Staatskommissar mit diktatorischen Vollmachten ernannte Gustav von Kahr setzte seine Politik der Ausweisung von Juden*Jüdinnen fort. Von dieser Aktion im Herbst 1923 waren 180 jüdische Familien betroffen, die oft seit Jahrzehnten in München ansässig waren.

Die Weimarer Reichsverfassung gewährte zwar den Juden*Jüdinnen dieselben Rechte wie anderen Staatsbürger*innen, doch die Gewaltbereitschaft der SA schränkte ihre Möglichkeiten zur Partizipation am öffentlichen Leben schon seit den frühen 1920er-Jahren empfindlich ein. Denn sobald sie nur die eigene Wohnung verließen, mussten sie mit Ausschreitungen rechnen. Das Jahr 1923 bildete dabei einen ersten Höhepunkt solcher gewaltsamer Übergriffe. Beim ‚Hitler-Putsch‘ wurden gezielt jüdische Geiseln genommen und im Keller des NSDAP-Hauptquartiers inhaftiert. Ihre Privatadressen hatten die Täter dem Münchner Adressbuch entnommen. Mitte der 1920er-Jahre kam es zu einer Welle von Friedhofs- und Synagogenschändungen, gegen Ende des Jahrzehnts wurden die Misshandlungen von Juden*Jüdinnen durch die SA immer häufiger. Gleichzeitig schrumpfte, trotz weiteren Zuzugs von Juden*Jüdinnen aus Osteuropa, die jüdische Gemeinde wegen Überalterung, Geburtenrückgang und Wegzug, aber auch wegen des Ausscheidens von Juden*Jüdinnen aus der Gemeinde durch ‚Mischehen‘ mit Andersgläubigen. 1925 lebten in München 10.068 Menschen, die sich zur jüdischen Religion bekannten, 1933 waren es noch 9005 (Ergebnisse der Volkszählungen).

Seit 1919 hatte die Israelitische Kultusgemeinde sowohl eine Gemeindevertretung (24 Personen) als auch einen Vorstand (10 Personen). Wahlberechtigt waren auch Frauen und ausländische Juden*Jüdinnen, wenn sie ihren Wohnsitz mehr als fünf Jahre in München hatten. 1928 wurden die Statuten geändert und allen Juden*Jüdinnen ein aktives Wahlrecht eingeräumt, wenn sie ein Jahr Gemeindemitglied und drei Jahre in Deutschland wohnhaft waren. Passives Wahlrecht war an eine dreijährige Ansässigkeit in München geknüpft.

Inflation und Wirtschaftskrisen machten auch der Israelitischen Kultusgemeinde zu schaffen, Zuschüsse für Hebräischkurse, die jüdische Religionsschule und die Betsäle der osteuropäischen Juden*Jüdinnen wurden gekürzt, ebenso wurde die Erweiterung der jüdischen Schule des orthodoxen Vereins Ohel Jakob gestoppt. Die meisten jüdischen Vereine hatten Ortsgruppen in München, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben prägten. In München wurde die zionistische Zeitung Das Jüdische Echo publiziert, ebenso die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung (ab 1937: Jüdisches Gemeindeblatt für den Verband der Kultusgemeinden in Bayern).
Bei Machtantritt konnte Hitler auf die Ressentiments weiter Teile der nichtjüdischen Bevölkerung und den lange geschürten Hass der NS-Propaganda bauen. Die nationalsozialistischen Gesetze und Verordnungen zielten zunächst auf die Ausgrenzung der Juden*Jüdinnen aus dem gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben. Proteste der Gemeinde unter ihrem Gemeindevorstand Alfred Neumeyer, beispielsweise nach der Überstellung der Leichen jüdischer Häftlinge aus dem KZ Dachau, gegen Gewalt und Boykott blieben ohne Erfolg. Heinrich Himmler ließ die Bayerische Politische Polizei gezielt gegen jüdische Organisationen vorgehen, bei denen schon im Mai 1933 nach ‚staatsfeindlichem Material‘ gefahndet wurde. Zwar wurde einigen Vereinen nach mehreren Wochen wieder erlaubt, ihrer Tätigkeit nachzugehen, doch die Furcht vor erneuter Behördenwillkür blieb. Die gemeindliche Arbeit kehrte sich vor allem nach innen und konzentrierte sich auf Wohlfahrt und Auswandererhilfe. Diskriminierung und Ausgrenzung führten von 1933 bis 1938 zum Wegzug von mehr als 3500 Juden aus München, über 3000 von ihnen gingen ins Ausland, vor allem nach Palästina und in die USA. Über die Zahl der in den ersten Jahren der NS-Zeit in München lebenden Juden*Jüdinnen existieren unterschiedliche Angaben, die Polizeidirektion gab sie im April 1938 mit 8799 an.

Der Abriss der Münchner Hauptsynagoge im Sommer 1938 und die Ausschreitungen des Pogroms vom 9./10.11.1938 mit dem Niederbrennen der Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße und der Verwüstung der Synagoge in der Reichenbachstraße bildeten die augenfälligsten Angriffe auf das jüdische Leben, die Religionsausübung und den architektonischen Ausdruck jüdischer Präsenz in der Stadt. Geschäfte jüdischer Inhaber*innen wurden demoliert und ausgeraubt, von wohlhabenden Münchner Juden*Jüdinnen wurden Geldleistungen erpresst, in der Lindwurmstraße wurde der Kaufmann Joachim Both von SA-Leuten getötet, im KZ Dachau kamen 24 jüdische Männer ums Leben, darunter mindestens vier Mitglieder der jüdischen Gemeinde Münchens, zwei weitere starben kurz nach der Entlassung aus dem KZ. Obwohl viele Juden*Jüdinnen durch das Pogrom völlig mittellos geworden und zu Zwangsverkäufen im Rahmen der ‚Arisierung‘ genötigt worden waren, blieben sie von der öffentlichen Fürsorge ausgeschlossen.

Nach dem zügellosen Terror bemühten sich die verbleibenden Münchner Juden*Jüdinnen um Emigration. Doch hohes Alter und fehlende finanzielle Mittel schränkten die Möglichkeiten zur Auswanderung deutlich ein, waren doch die potenziellen Aufnahmeländer vor allem an wohlhabenden oder jungen und gut qualifizierten Einwanderern interessiert. Schikanen erschwerten den Alltag: Der Einkauf war nur zu bestimmten Zeiten in bestimmten Läden erlaubt, öffentliche Transportmittel durften nicht benutzt werden, obwohl die Geschäfte und Arbeitsstätten häufig weit entfernt waren. Immer mehr Angehörige der schrumpfenden Gemeinde wurden in der Zwangsarbeit eingesetzt, aus ihren Wohnungen vertrieben und zum Umzug in ‚Judenhäuser‘ und Barackensiedlungen gezwungen. Ein Gemeindeleben wurde immer schwieriger. Nach dem Pogrom wurde die Gemeinde in den Zwangsverband der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert. Vorstand war als Nachfolger Neumeyers ab 1941 Karl Stahl, der in Auschwitz umkam.

Mit Kriegsbeginn wurde das Auswandern immer schwieriger. Im Mai 1939 lebten nach den Ergebnissen der Volkszählung noch 4940 Menschen in der Stadt, die von den Nationalsozialisten als ‚Volljuden‘ eingestuft wurden (darunter 4407 sog. ‚Glaubensjuden‘), Mitte 1941 waren es noch etwa 3300. Im September 1941 wurde der ‚Judenstern‘ als verpflichtende Kennzeichnung aller Juden*Jüdinnen eingeführt, im Oktober 1941 verboten die Nationalsozialist*innen die Auswanderung vollständig. Um versteckt überleben zu können, war die Hilfe zuverlässiger und risikobereiter nichtjüdischer Personen nötig, so dass dies nur außerordentlich wenigen Juden*Jüdinnen gelang. Nur wer in sogenannter ‚Mischehe‘ lebte oder nur teilweise jüdische Vorfahren hatte, die so genannten ‚Halbjuden‘ oder ‚Vierteljuden‘, blieben von der Deportation verschont. Die Deportationen bildeten die Schnittstelle zwischen der herkömmlichen Judenverfolgung mit antisemitischer Propaganda, Diskriminierung, Ausgrenzung, Ausschreitungen und dem nationalsozialistischen Massenmord. Zwischen dem 20.11.1941 und dem 23.2.1945 kam es – nach heutigem Forschungsstand (2015) – zu 35 Deportationsschüben mit fast 3500 Menschen aus München. Schon der erste Transport am 20.11.1941 führte direkt in die Vernichtung: Die annähernd 1000 deportierten Münchner Juden*Jüdinnen wurden im litauischen Kaunas am 25.11.1941 von Mitgliedern des Einsatzkommandos 3 unter SS-Standartenführer Karl Jäger in Massenerschießungen ermordet. Weitere Deportationen führten nach Piaski bei Lublin und Auschwitz sowie Theresienstadt. Die Überlebenschancen waren minimal: Von den ca. 1340 Juden*Jüdinnen, die aus München nach Theresienstadt verschleppt worden waren, überlebten nur 160.

Nach dem Holocaust schien jüdisches Leben in München für immer unmöglich. Zwar hatten etwa 400 Münchner Juden in ‚Mischehen‘ überlebt, und aus Theresienstadt kehrten einige wenige zurück, doch die Überlebenden waren oft alt, krank und durch die mehrjährige Haft oder das Leben in Angst – sei es im Untergrund oder als diskriminierter ‚Mischling‘ oder Partner einer ‚Mischehe‘ – gezeichnet. Und dennoch sollte eine bereits im letzten Kriegsjahr eingeleitete Entwicklung für eine Art Renaissance der jüdischen Gemeinde in München sorgen. Obwohl das Reich 1943 für ‚judenfrei‘ erklärt worden war, kamen im Zuge nationalsozialistischer Rüstungsprojekte, bei denen jüdische Häftlinge der Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg 1944/1945 als Arbeitskräfte eingesetzt wurden, zahlreiche osteuropäische Juden*Jüdinnen nach Bayern. Nach Kriegsende flohen Juden*Jüdinnen aus Ländern hinter dem ‚Eisernen Vorhang‘ in die Amerikanische Besatzungszone, da die amerikanische Militärregierung von allen vier Siegermächten den überlebenden Juden*Jüdinnen die größte Sicherheit bot und ihnen die vergleichsweise höchsten Zuwendungen zukommen ließ. So überstieg die Zahl der jüdischen Menschen in Bayern zu Kriegsende die zu Beginn des ‚Dritten Reiches‘: 1933 lebten über 35.000 Juden*Jüdinnen in Bayern (ohne Pfalz), 1947 befanden sich über 57.000 jüdische Geflüchtete allein im Bezirk München. Zwischen 1945 und 1951 durchliefen etwa 120.000 Juden*Jüdinnen die Stadt, in der zahlreiche internationale jüdische Hilfsorganisationen ihren Sitz genommen hatten wie etwa das Zentralkomitee der befreiten Juden in Bayern, das als Sprachrohr der Überlebenden fungierte. In München kam es zu einer kurzen Blüte der jiddischen Sprache: Osteuropäische Überlebende schrieben ihre Erinnerungen auf Jiddisch nieder, die jiddische Wochenzeitung Unzer Weg erschien von 1945 bis 1950 und historische Kommissionen sammelten Material in den Lagern der Displaced Persons.

Obwohl die meisten nach Kriegsende schnellstmöglich München und Deutschland verlassen wollten, um sich in Übersee oder Israel eine neue Existenz aufzubauen, blieben einige in München und Umgebung wohnhaft. Die Gründe, weshalb sie eine Ausreise verschoben oder schließlich aufgaben, konnten sehr unterschiedlich sein: Manchmal war es die Liebe zu einer oder einem nichtjüdischen Deutschen, manchmal waren es antisemitische Ausschreitungen in Osteuropa, manchmal die ungewissen Zukunftsaussichten in anderen Ländern.

Die neue jüdische Gemeinde der Nachkriegszeit wurde 1945 von dem Theresienstadt-Überlebenden Julius Spanier mit Hilfe des Anwalts Siegfried Neuland ins Leben gerufen. Spanier war bis 1951 Vorsitzender der Gemeinde, sein Nachfolger war Siegfried Neuland. Nach der Zerstörung des Gemeindelebens und der Synagogen in der NS-Zeit galt es zunächst, die Gemeinde aufzubauen und eine neue Synagoge zu schaffen. 1947 wurde die im Pogrom von 1938 verwüstete und durch Bomben zerstörte Synagoge Agudas Achim in der Reichenbachstraße wiedereröffnet. Die Entstehung weiterer kleinerer Synagogen, eines Altersheims und Ritualbads, eines Kindergartens und einer Volksschule sowie ein reges gesellschaftliches und kulturelles Leben kennzeichneten den Wiederaufbau. Zwei jüdische Wochenzeitungen, die Münchner Jüdischen Nachrichten und die Neue Jiddische Zeitung, informierten seit Anfang der 1950er-Jahre die Gemeindemitglieder. Mitte der 1970er-Jahre war München nach Berlin und Frankfurt am Main die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland. Mehr als 90 Prozent der Gemeindeangehörigen waren nicht in Deutschland geboren worden.

Angriffe gegen die jüdische Gemeinde gehörten dennoch nicht der Vergangenheit an: 1970 kamen bei einem Brandanschlag auf das jüdische Altersheim sieben Menschen ums Leben, im selben Jahr wurde ein Angriff auf die Synagoge in der Reichenbachstraße verübt, bei dem der Thoraschrein und Kultgegenstände beschädigt wurden. 1972 erschütterte der Mord an elf Angehörigen des israelischen Teams während der Olympischen Spiele die Gemeinde. Angst und Verunsicherung waren die Folge. Doch es galt, die traditionsreiche Geschichte und das Leben der jüdischen Gemeinde nicht dem Terror zu opfern. Die Nachkriegspräsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Julius Spanier, Fritz (Siegfried) Neuland, Maximilian Tauchner, Hans Lamm wie auch Charlotte Knobloch, allesamt Überlebende des Holocaust, setzten sich mit Mut und Geschick für die Gemeinde ein. Die neue jüdische Gemeinde wuchs seit den 1990er-Jahren auf heute ca. 9500 Mitglieder an und hat einen neuen Mittelpunkt am Jakobsplatz gefunden. Der Bau eines neuen Gemeindezentrums mit der Synagoge und dem Jüdischen Museum verdeutlichen, dass jüdisches Leben in München trotz Holocaust und der Versuche, die jüdische Kultur zu vernichten, wieder einen festen Platz inmitten der Stadt eingenommen hat.






























Quellen

Angermair, Elisabeth u.a. (Hg): Beth ha-Knesseth – Ort der Zusammenkunft. Zur Geschichte der Münchner Synagogen, ihrer Rabbiner und Kantoren, München 1999.
Bauer, Richard/Brenner, Michael (Hg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2006.
Bauereiß, Michael/Wiesemann, Falk: Jüdisches Leben in Oberbayern und Schwaben. Ein Begleiter zur jüdischen Geschichte und Religion für Jugendliche und Erwachsene, München 2010.
Lamm, Hans (Hg.): Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München, München 1982.
Ophir, Baruch/Wiesemann, Falk: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.
Seidel, Doris: Die jüdische Gemeinde Münchens 1933-1945, in: Baumann, Angelika/Heusler, Andreas (Hg.): München arisiert. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit, München 2004, S. 31-53.
Strnad, Maximilian: Zwischenstation „Judensiedlung“. Verfolgung und Deportation der Münchner Juden 1941-1945, München 2011.
Walter, Dirk: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn 1999.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Israelitische Kultusgemeinde (publiziert am 14.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/israelitische-kultusgemeinde-387