Hugo Kalb-Welle (4.11.1896 Würzburg – 20.8.1965 Berlin)

Biographies
Verfasst von Albert Knoll

Wegen Homosexualität verfolgter Schauspieler und Regisseur

Der aus Würzburg stammende Hugo Kalb erhielt zunächst eine kaufmännische Ausbildung und sollte denselben Beruf ergreifen wie seine Eltern. Im Ersten Weltkrieg erlitt er aber eine schwere Verletzung, die seinen rechten Arm stark beeinträchtigte. Schon frühzeitig verließ er das Elternhaus und übersiedelte nach München. Hier absolvierte er eine Ausbildung zum Schauspieler und Regisseur und debütierte 1920 an den Kammerspielen. Er legte sich den Künstlernamen „Welle“ zu. Unter diesem Namen veröffentlichte er auch historische Aufsätze und Reiseliteratur.

Schon als junger Mann führte er ein offen homosexuelles Leben und kam daher häufig mit der Polizei in Konflikt. Unter dem Vorwurf der „widernatürlichen Unzucht“ wurde er in den Jahren von 1920 bis 1923 mehrmals festgenommen und zu geringfügigen Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt. Mit dem provozierenden Text „Ich bin homosexuell und fühle mich sehr wohl dabei, hoffentlich bringt uns die neue Zeit unsere Freiheit. Hugo Kalb“ bewies er in der Schriftprobe, die ihm die Staatsanwaltschaft 1920 abnötigte, dass er über eine starke, kämpferische Persönlichkeit verfügte. 1924 verließ er München, ging an das Schauspielhaus nach Zürich und nahm anschließend an verschiedenen Orten Engagements an.

Als Hugo Kalb-Welle Anfang 1935 im Zuge einer großen Verhaftungsaktion gegen Homosexuelle der Polizei in Würzburg in die Hände geriet, wurde über ihn eine zehnwöchige „Schutzhaft“ verhängt, er blieb aber von der Einweisung in ein Konzentrationslager verschont. Ein Bekannter erinnerte sich daran, dass er bei den Verhören keinen seiner Freunde verriet. Nach seiner Entlassung aus der Schutzhaft drängte die Gestapo im März 1937 die Reichstheaterkammer, gegen Kalb ein Berufsverbot als Schauspieler auszusprechen. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, in den folgenden Jahren immer wieder Engagements und Regiearbeiten an deutschen Bühnen zu übernehmen und in Nebenrollen in mehreren Spielfilmen mitzuwirken. Dem Künstler Hugo Kalb-Welle gelang es, die NS-Zeit zu überleben. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte er in Westberlin ein Foto-Spezialarchiv für Kultur und Wirtschaft.

Quellen

Staatsarchiv München, Polizeidirektion 14272.
Staatsarchiv Würzburg, Gestapo 3034.
Hergemöller, Bernd-Ulrich (Hg.): Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum, Berlin 2001.
Sternweiler, Andreas: Fotos sind mein Leben. Lebensgeschichten Bd. 1, Berlin 1993.

Empfohlene Zitierweise

Albert Knoll: Kalb-Welle, Hugo (publiziert am 31.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/kalb-welle-hugo-407