Charlotte Knobloch (geb. 29.10.1932 München)

Biographies
Verfasst von Ilse Macek

Überlebende der Judenverfolgung, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Münchner Ehrenbürgerin

Enthüllung der Gedenktafel an die Pogromnacht vom 9.11.1938 im Alten Rathaus durch den damaligen OB Christian Ude und Charlotte Knobloch, 8. 11.2000 | Michael Nagy/Presse- und Informationsamt München

Charlotte Neuland kam als einzige Tochter des renommierten Rechtsanwaltes Fritz Neuland und seiner zum Judentum übergetretenen Ehefrau Margarethe in München zur Welt. Sie wurde nach der Trennung der Eltern ab 1936 von ihrer Großmutter Albertine Neuland, geborene Lehmann, aufgezogen. Albertine Neuland wurde im Juli 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert und kam dort im Januar 1944 im Alter von 77 Jahren um. Charlotte Neuland wurde von ihrem Vater an unterschiedlichen Orten versteckt. Letztlich überlebte sie, weil die Haushälterin des Bruders ihres Vaters, Kreszentia Hummel, sie drei Jahre lang in ihrer katholischen Familie in Arberg in Mittelfranken unterbrachte und die Mutmaßungen, es sei ihr eigenes außereheliches Kind, hinnahm.

Charlotte Neuland kehrte 1945 mit dem Vater, der als Zwangsarbeiter überlebt hatte, nach München zurück. 1951, mit 18 Jahren, heiratete sie den aus Krakau stammenden Überlebenden Samuel Knobloch. Das Ehepaar entschloss sich nach längerer Zeit, nicht auszuwandern und dauerhaft in München zu bleiben, als die Kinder Bernd, Sonja und Iris zur Welt gekommen waren und Samuel Knoblochs Geschäft prosperierte. Samuel Knobloch starb 1990.

1985 wurde Charlotte Knobloch zur Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern gewählt, 1997 auch zur Vizepräsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. Ab 2003 war sie Vizepräsidentin des Europäischen Jüdischen Kongresses, von 2005 bis 2013 Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. 2005 wurde sie Ehrenbürgerin ihrer Heimatstadt München. Unter ihrer Präsidentschaft wurde die – vor allem durch Zuwanderer aus Russland – weiter wachsende jüdische Gemeinde ein integrierter Teil der Stadtgesellschaft. Es kehrten jüdisches Geistesleben und jüdische Kultur ins Zentrum Münchens zurück – 2006 mit der Ohel-Jakob-Synagoge am St. Jakobsplatz, einem Kultur- und Gemeindehaus mit Schule, Kindergarten und Jugendzentrum, das allen Münchnern offensteht; daneben entstand das neue städtische Jüdische Museum.

Charlotte Knobloch erhielt zahlreiche Ehrungen, 2008 die höchste zivile Auszeichnung, das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 2010 sogar das Große Verdienstkreuz mit Stern. 2009 verlieh ihr die Universität Tel Aviv die Ehrendoktorwürde als treuer Freundin Israels und für ihr unerschütterliches und ausdauerndes Eintreten für den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Israel.

Quellen

Stadtarchiv München, Datenbank zum biographischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945.
Wetzel, Juliane: Karriere nach der Rettung. Charlotte Knoblochs Weg zur Vizepräsidentin der Juden in Deutschland, in: 
Wolfgang Benz (Hg.): Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer, München 2002, S. 301-311 und 335.
Knobloch, Charlotte/Seligmann, Rafael: In Deutschland angekommen. Erinnerungen, München 2012.

Empfohlene Zitierweise

Ilse Macek: Knobloch, Charlotte (publiziert am 27.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/knobloch-charlotte-433