Konzentrationslager

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Verfasst von Edith Raim

Die KZ waren ein zentrales Mittel der Unterdrückung in der NS-Diktatur

Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau beim Appell, 28.6.1938 | Bundesarchiv, Bild 152-21-05, Foto: Friedrich Franz Bauer

Zu den offensichtlichsten Kennzeichen der NS-Terrorherrschaft gehören die Konzentrationslager, die sich über das Reich und später auch die besetzten Gebiete erstreckten. Innerhalb des NS-Lagersystems, das diverse Schutzhaft-, Strafgefangenen-,  ‚Fremdarbeiter‘-, ‚Arbeitserziehungs‘- und Sammellager umfasste, in denen ‚Delinquenten‘, Ausländer*innen und Juden*Jüdinnen zeitweise inhaftiert wurden, stellen die Konzentrationslager die entsetzlichste Form der Lagerhaft dar, waren doch ihre Insass*innen der Willkür ihrer Peiniger*innen vollständig ausgeliefert. Die von Gestapo und Polizei verhängte ‚Schutzhaft‘ über die Häftlinge war von unbegrenzter Dauer, Protest gegen die Haftbedingungen oder Besuche von Angehörigen nicht möglich, Postverkehr streng reglementiert und nur einer verschwindend geringen Zahl von Gefangenen gestattet. Zu den wesentlichen Charakteristika der Haft in Konzentrationslagern gehörten die Demütigung und Stigmatisierung der Häftlinge, deren Köpfe kahl rasiert und die in Gefangenenkleidung gesteckt wurden und damit rein äußerlich bereits als aus der Gesellschaft Ausgestoßene gekennzeichnet waren. Die von der SS betriebenen Konzentrationslager waren ein rechtsfreier Raum: Die immer größer werdende Zahl der Toten wurde in Sonderstandesämtern beurkundet, die Verfügung der SS über die Häftlinge überdauerte selbst den Tod, da die Leichen nicht mehr den Angehörigen überlassen, sondern sofort in Massengräbern verscharrt wurden oder die Familien lediglich die Urnen ihrer eingeäscherten Verwandten erhielten.

Während der zwölf Jahre dauernden NS-Herrschaft entwickelten sich die Konzentrationslager von anfänglich vorübergehenden und provisorischen Haftstätten für politische Gegner zu institutionalisierten und groß angelegten Lagerkomplexen mit Dutzenden von Außenstellen, die mehrere Funktionen übernahmen. Neben der Haft unter terroristischen Bedingungen waren dies vor allem die Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge für die Rüstungsproduktion sowie der Völkermord. In den Konzentrationslagern hielt das NS-Regime gegen Kriegsende über 700.000 Menschen gefangen, die aus politischen und sozialen, religiösen und rassischen Gründen verfolgt wurden. Betrafen die Inhaftierungen anfänglich vor allem Deutsche, so waren es nun überwiegend Menschen aus dem gesamten europäischen Machtbereich der nationalsozialistischen Herrschaft, und während es sich dabei zunächst nur um Männer gehandelt hatte, so betrug der Anteil an weiblichen Häftlingen im Jahre 1945 etwa ein Drittel.

In einer ersten Phase, die von der Machtübernahme Hitlers bis etwa 1936/37 dauerte, wurden vor allem politische Gegner in den Konzentrationslagern inhaftiert. Dazu gehörten Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch Zentrumsanhänger, Konservative und Monarchisten oder anderweitig missliebige Personen, die aufgrund der ‚Reichstagsbrandverordnung‘ („Zum Schutz von Volk und Staat“) verhaftet wurden. Mit dieser Verordnung waren die wichtigsten bürgerlichen Grundrechte der Weimarer Verfassung eingeschränkt worden, darunter die Meinungs-, Presse-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Unverletzlichkeit der Person und der Wohnung sowie des Eigentums, ebenso das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis. Die ‚Reichstagsbrandverordnung‘ vom 28.2.1933 und das ‚Ermächtigungsgesetz‘ vom 24.3.1933, die die Verfassung der Weimarer Republik unterminierten und außer Kraft setzten, schufen die Grundlage für eine Kampagne größten Ausmaßes gegen die politischen Gegner: Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen durch die SA-Hilfspolizei, bei denen nicht selten inkriminierendes Material oder Waffen in die Wohnungen der politischen Gegner gebracht wurde, um es anschließend zu ‚finden‘ und damit einen Grund für Festnahmen und Verhaftungen zu liefern. Bis Ende 1933 waren über 100.000 politische Gegner für kürzere oder längere Zeit inhaftiert worden. Die Lager, die in verlassenen Gebäuden, alten Fabriken oder auch Turnhallen eingerichtet wurden, waren in der Hand von Polizei, SA und SS.

In den Jahren 1936 und 1937 wurden sämtliche im Jahr 1933 entstandenen Konzentrationslager – bis auf das am 22.3.1933 in Betrieb genommene KZ Dachau – aufgelöst oder umfunktioniert, gleichzeitig entstanden aber neue Konzentrationslager, die neuen Bedürfnissen Rechnung trugen: Sie waren größer, um mehr Häftlinge unterzubringen, es wurden Neubauten errichtet, die den permanenten Charakter der Lager unterstrichen, die Sicherungsmaßnahmen waren umfassender, um ein Entkommen der Gefangenen unmöglich zu machen, und es wurden vermehrt wirtschaftliche Überlegungen über die Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge angestellt. Die Verfolgungsmaßnahmen innerhalb der nationalsozialistischen ‚Volksgemeinschaft‘ weiteten sich aus, was dazu führte, dass nun nicht nur politische Gegner*innen und Juden*Jüdinnen, sondern auch die vom Ideal des ‚Volksgenossen‘ abweichenden Personengruppen in  ‚Schutzhaft‘ genommen wurden wie etwa die Zeugen Jehovas, sogenannte ‚Asoziale‘ und Kriminelle, Prostituierte, Homosexuelle und sogenannte ‚Zigeuner‘ oder ins Reich zurückgekehrte Emigrant*innen. Die nationalsozialistische Eroberungs- und Kriegsführung spiegelte sich in der Zusammensetzung der Häftlinge wider: Aus allen besetzten Ländern wurden Angehörige des Widerstandes, politische und gesellschaftliche Eliten, aber auch Kriegsgefangene oft über hunderte von Kilometern in deutsche Konzentrationslager verschleppt, wobei ihr Verbleib den Angehörigen häufig über viele Jahre unbekannt blieb. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Häftlinge in den häufig hoffnungslos überfüllten Konzentrationslagern waren menschenunwürdig: Die Verpflegung und die hygienischen Bedingungen waren schlecht, die Arbeiten hart und kräftezehrend, selbst geringfügige Verfehlungen wurden mit drakonischen Strafen geahndet.

Während ab 1943 das NS-Regime den Zenit seiner militärischen Erfolge überschritten hatte und die Niederlage immer unausweichlicher wurde, erreichte das System der Konzentrationslager sowohl geografisch als auch quantitativ seine größte Ausdehnung. Kurz vor Kriegsende war die Zahl an Insassen an ihren Höhepunkt gelangt. Gleichzeitig wurden die Konzentrationslager immer stärker in die nationalsozialistische Vernichtungspolitik eingebunden. Kranke oder behinderte Häftlinge wurden Opfer der Aktion 14f13, der sogenannten ‚Häftlingseuthanasie‘, bei der Ärzte die Opfer selektierten, die anschließend zur Tötung durch Giftgas in ‚Euthanasie‘-Anstalten gebracht wurden. Medizinische Experimente an Häftlingen endeten oft mit dem Tod der Opfer.

Der ideologische Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führte 1941/42 zu Mordaktionen gegen sowjetische Kriegsgefangene: Opfer waren vor allem politische Kommissare und Juden, die in den Konzentrationslagern Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen teils in Massenerschießungen, etwa durch Genickschussanlagen, ermordet wurden. In den Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau (Ost-Oberschlesien) und Majdanek (Generalgouvernement) wurden Juden*Jüdinnen aus ganz Europa in Gaskammern ermordet, ebenso in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka im Distrikt Lublin und Kulmhof (Chelmno) im Warthegau. Im Unterschied zu den Konzentrationslagern wurde die Mehrzahl der jüdischen Deportierten in den Vernichtungslagern weder namentlich noch mit Nummern registriert, sondern überwiegend innerhalb kürzester Zeit ermordet. Nur jeweils eine kleine Zahl von meist jungen Männern und Frauen aus den Transporten wurde ausgewählt, um Arbeiten in den Gaskammern oder bei der Verwertung des Eigentums der Ermordeten zu verrichten. In regelmäßigen Abständen wurden diese Angehörigen der ‚Sonderkommandos‘ ebenfalls getötet.

Während das Massenmorden die Konzentrationslager erreicht hatte, wurden gleichzeitig immer mehr Häftlinge für Rüstungsarbeiten herangezogen. Um den Einsatz der Häftlinge in der Rüstungsindustrie zu erleichtern, wurden Außenkommandos der Konzentrationslager bei den jeweiligen Rüstungsbetrieben errichtet. Obwohl theoretisch angesichts der Verknappung der Arbeitskräfte – wegen der deutschen Niederlagen standen immer weniger ‚Fremdarbeiter‘ oder Kriegsgefangene zur Verfügung – die Häftlingsarbeitskraft an Bedeutung hätte gewinnen sollen, wurden die meisten Häftlinge lediglich für Hilfsarbeiten eingesetzt und blieben schnell und billig durch andere KZ-Häftlinge ersetzbar. Manche deutsche Häftlinge konnten in der ‚Lagerhierarchie‘ aufsteigen, während ausländischen Häftlingen oft wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder auch der rassistischen Einstellungen der SS-Wachmannschaften kein Zugang zu den geringen von der SS zugestandenen ‚Privilegien‘ möglich war.

Mit dem Vorrücken der Alliierten wurden ab 1944 Konzentrationslager im Osten, wie etwa das KZ Vaivara in Estland und das KZ Majdanek, aber auch im Westen, wie das KZ Natzweiler im Elsass, geräumt. Im Januar 1945 wurde auch der Lagerkomplex Auschwitz mit Auschwitz-Birkenau und Monowitz ‚evakuiert‘, die völlig entkräfteten Häftlinge teils per Bahn, teils auf Todesmärschen zu Fuß mit unbekanntem Ziel Richtung Westen getrieben. Entkräftete Häftlinge wurden von Begleitmannschaften auf dem Weg erschossen. Tausende überlebten die Strapazen der Märsche nicht. Am 11.4.1945 wurde das KZ Buchenwald befreit. Fotografen der amerikanischen Armee dokumentierten die apokalyptischen Zustände in zahlreichen Aufnahmen, die deutschen Anwohner*innen wurden von den amerikanischen Befreiern gezwungen, sich die Leichenberge im Lager anzusehen. Zuletzt wurde am 6.5.1945 das KZ Mauthausen ebenfalls von amerikanischen Soldaten befreit.

Quellen

Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 9 Bde., München 2005-2009.
Pingel, Falk: Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager, Hamburg 1978.
Sofsky, Wolfgang: Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager, Frankfurt am Main 1997.
Wachsmann, Nikolaus: KL. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, München 2016.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Konzentrationslager (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/konzentrationslager-451