Konzentrationslager Dachau und Außenlager

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Verfasst von Edith Raim

Erstes offizielles KZ vor den Toren Münchens; Vorbild des Lagersystems der SS

Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau beim Appell, 28.6.1938 | Bundesarchiv, Bild 152-21-05, Foto: Friedrich Franz Bauer

Das Konzentrationslager in Dachau wurde am 22.3.1933 mit „Schutzhäftlingen“ aus den Justizvollzugsanstalten Landsberg am Lech und Stadelheim eröffnet. Die Bewachung oblag zunächst der Bayerischen Volkspolizei unter Polizeihauptmann Schlemmer, bald schon aber der SS unter dem ersten Lagerkommandanten SS-Hauptsturmführer Hilmar Wäckerle. Es war das einzige von der SS betriebene Konzentrationslager, das von 1933 bis 1945 durchgehend existierte.

Die nationalsozialistischen Konzentrationslager waren ein rechtsfreier Raum. Anfänglich angestrengte Ermittlungen der Justiz wegen Morden an Häftlingen in Dachau – allein vom 12.4.1933 bis Ende Mai 1933 waren 13 Häftlinge ermordet worden – wurden 1933/34 mit fadenscheinigen Begründungen niedergeschlagen. Das Bayerische Justizministerium, seit März 1933 von dem Nationalsozialisten Hans Frank geführt, unterband weitere Nachforschungen. Wer in das Lager kam, war der Willkür der SS ausgeliefert. Der zweite Lagerkommandant, SS-Oberführer Theodor Eicke, löste Wäckerle am 26.6.1933 ab und machte sich an die Aufstellung einer „Disziplinar- und Strafordnung“ für die Häftlinge sowie an „Dienstvorschriften für die Begleitposten und die Gefangenbewachung“, die beide den rechtlosen Zustand der Häftlinge zementierten: Häftlinge konnten als „Aufwiegler“ erhängt oder als „Meuterer“ erschossen werden, ebenso war jeder Fluchtversuch mit dem Tod zu bestrafen. Die Regelungen wurden später in allen Konzentrationslagern übernommen. Das Wachpersonal wurde ideologisch indoktriniert, um die Häftlinge als „Untermenschen“ und „Verbrecher“ anzusehen und dementsprechend zu behandeln.

Zunächst wurde das Lager in einer stillgelegten Munitionsfabrik eingerichtet, in der bis zu 5.000 Häftlinge untergebracht werden konnten. Die Zahl der Häftlinge bewegte sich meist zwischen 2.000 und 2.500 Menschen. Sie wurden in Bauprojekten (Wohngebäude für SS-Angehörige, Straßenbau, Kies- und Sandförderung) und in Werkstätten beschäftigt. Die Ausweitung der Verfolgung auf immer neue Gruppen (neben den anfänglich verhafteten politischen Gegnern nun auch Jüdinnen*Juden, sogenannte Asoziale und Verschleppte aus den annektierten Territorien) führte zum Ausbau des Lagers und zum Neubau von Baracken und Wirtschaftsgebäuden in den Jahren 1937/38. Der 1936 ernannte KZ-Kommandant und SS-Oberführer Hans Loritz führte die gestreifte Häftlingskleidung ein; vorher hatten die Gefangenen teils ihre eigene Kleidung oder ausgesonderte Drillichuniformen getragen. Verschiedenfarbige Dreiecke kennzeichneten die Häftlingskategorien. Nach dem Novemberpogrom waren 11.911 Juden aus dem Altreich und Österreich in Dachau inhaftiert, die meist Anfang 1939 unter der Auflage der schleunigsten Emigration unter Zurücklassung des gesamten Besitzes entlassen wurden. Von Ende September 1939 bis Februar 1940 war Dachau bis auf ein Kontingent von 100 Häftlingen geräumt worden, die übrigen über 4.000 Häftlinge waren nach Mauthausen, Flossenbürg und Buchenwald verlegt worden. Die Räumlichkeiten des KZ Dachau wurden zur Ausbildung der SS-Totenkopf-Frontdivision benutzt.

Ab Februar 1940 wurde das Lager, das nun von dem neuem Kommandanten Alexander Piorkowski geleitet wurde, wieder mit Häftlingen belegt. Die Verfügung der SS über ein nahezu unbegrenztes Potenzial an Häftlingen führte einerseits zu einem vermehrten Einsatz der Gefangenen für Prestigeprojekte der SS, wie etwa NS-Repräsentationsbauten. Im Krieg wurden die Gefangenen in der Rüstungsindustrie verwendet. Andererseits nutzte die SS die Häftlinge für medizinische Experimente mit Malaria-Erregern, Unterdruck und Unterkühlung. Sowjetische Kriegsgefangene wurden in Dachau Opfer der Massenerschießungen, die am 27.8.1941 begannen und denen vermutlich etwa 4.500 Menschen zum Opfer fielen. Außerdem wurden kranke oder psychisch auffällige Häftlinge als „arbeitsunfähig“ selektiert und Opfer der sogenannten Häftlingseuthanasie („Aktion 14f13“), bei der über 2.500 Häftlinge von Dachau in die „Euthanasieanstalt“ Schloss Hartheim gebracht wurden. TBC-kranke Häftlinge wurden auf der Krankenstation in Dachau selbst durch Spritzen ermordet.

Der Krieg und die Besetzung immer neuer europäischer Länder ließ die Häftlingsbelegschaft anschwellen; bereits ab 1940 waren die deutschen Häftlinge in der Minderheit. Mit dem zunehmenden Arbeitskräftemangel wurde ab 1942 ein immer größerer Teil der Häftlinge als Zwangsarbeiter*innen eingesetzt. Dieser „Arbeitseinsatz“ führte auf Befehl des im September 1942 ernannten Lagerkommandanten Martin Weiß zu einer etwas weniger grausamen Behandlung der Häftlinge: Die vorher gängigen sadistischen und brutalen Strafen wurden verboten, langwierige Appelle eingeschränkt. Ab November 1943 folgte auf Weiß im Amt des Lagerkommandanten Eduard Weiter. Da der stete Transport der Gefangenen vom KZ zur Arbeitsstätte und zurück zu aufwendig wurde, entstanden in der Nähe der jeweiligen Arbeitsstätten Außenlager und Außenkommandos des KZ Dachau, die sich in Größe, Dauer ihrer Belegung und räumlicher Verbreitung stark unterschieden. Insgesamt handelte es sich um 140 Lager - darunter auch Frauenlager, in denen mehr als 7.000 weibliche Häftlinge gefangen gehalten wurden - deren Häftlinge für die Rüstungsindustrie und SS-eigene Betriebe, aber auch für die Privatwirtschaft tätig waren. Das größte Außenlager war Allach, wo die Häftlinge in der Flugmotorenherstellung für BMW arbeiteten; der größte Außenlagerkomplex mit elf Lagern war Kaufering bei Landsberg. Gegen Kriegsende war die Zahl der in den Außenlagern inhaftierten Häftlinge größer als die der Häftlinge im Hauptlager.

Mit der Liquidierung der Ghettos in Litauen und Polen 1944 und der Räumung verschiedener Konzentrationslager Mitte 1944/Anfang 1945 kamen tausende jüdische Häftlinge in die Außenlager des KZ Dachau. Insbesondere ihr Einsatz in den beiden Rüstungsbauprojekten in Kaufering/Landsberg und Mühldorf forderte zahlreiche Todesopfer. Gegen Kriegsende war das Hauptlager Dachau völlig überfüllt. In die Baracken wurden die Menschen rücksichtslos zusammengepfercht, die Lebensmittelrationen und sanitären Verhältnisse waren ungenügend, im Lager grassierten Epidemien, die Sterberate wuchs immens an.

Mitte April 1945 befahl Heinrich Himmler, deutsche, sowjetische und jüdische Häftlinge aus dem KZ Dachau und seinen Außenlagern nach Tirol zu schaffen. In den letzten Apriltagen wurden ca. 25.000 Häftlinge zu Fuß, teils auch in Zügen, von bewaffneten SS-Angehörigen Richtung Süden verschleppt, wobei bis zu 3.000 von ihnen bei Luftangriffen, durch Hunger, Schwäche und Krankheiten ihr Leben verloren. Die letzten Häftlinge aus diesen Todesmärschen kamen am 2.5.1945 bei Waakirchen frei, während das KZ Dachau am 29.4.1945 von amerikanischen Truppen befreit worden war. Allein zwischen Mai und Juli 1945 starben noch etwa 2.500 Häftlinge an Krankheiten und Erschöpfung. Insgesamt waren etwa 200.000 Häftlinge im Lagersystem Dachau inhaftiert, 41.500 von ihnen wurden ermordet oder kamen infolge der Haftbedingungen ums Leben. 1965 wurde auf Initiative der Überlebenden eine Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Lagers eingerichtet.

Quellen

Dachauer Hefte, Bd. 1-25, 1985-2009.
Benz, Wolfgang/Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2: Frühe Lager. Dachau. Emslandlager, München 2005.
Benz, Wolfgang/Distel, Barbara: Das Konzentrationslager Dachau 1933-1945. Geschichte und Bedeutung, München 1994.
Benz, Wolfgang/Königseder, Angelika (Hg.): Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Festschrift für Barbara Distel, Berlin 2008.
Distel, Barbara: Konzentrationslager Dachau 1933 – 1945 (Ausstellungskatalog Dachau), Dachau u.a. 2005.
Kimmel, Günther: Das Konzentrationslager Dachau. Eine Studie zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, in: Broszat, Martin/Fröhlich, Elke (Hg.): Bayern in der NS-Zeit, Bd. 2: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, München u.a. 1979, S. 349-413.
Schalm, Sabine: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933-1945, 2. überarbeitete Aufl., Berlin 2012.
Zámečník, Stanislav: Das war Dachau, Frankfurt a.M. 2007.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Konzentrationslager Dachau (publiziert am 28.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/konzentrationslager-dachau-453