Jella Lepman, geborene Lehmann (15.5.1891 Stuttgart – 4.10.1970 Zürich)

Biographies
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Journalistin, Schriftstellerin, Übersetzerin, Gründerin der Internationalen Jugendbibliothek in München

Jella Lepman (2. v. r., halb verdeckt) bei der Eröffnung der Internationalen Jugendbuchausstellung im ehemaligen ‚Haus der Deutschen Kunst‘ , 3.7.1946 | picture-alliance/dpa, 4095083, Foto: Dana Göttert

In eine wohlhabende jüdische Textilfabrikantenfamilie geboren, wuchs Lepman in einem liberalen, sozial engagierten Haus auf; ihr Cousin Max Horkheimer erlangte später als Sozialphilosoph Weltgeltung. Bereits 1908 initiierte die Absolventin des Stuttgarter Katharinenstift-Gymnasiums eine „Internationale Lesestube“ für die Kinder ausländischer Arbeiter*innen in der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik in Stuttgart. 1913 heiratete sie den Deutschamerikaner Gustav Horace Lepman. Nach dessen Tod begann sie als erste Frau in der Redaktion des Stuttgarter Neuen Tagblatts und setzte sich in ihren Beiträgen für die Rechte der Frau ein. Daneben engagierte sie sich in der Deutschen Demokratischen Partei und stieg bis in den württembergischen Landesvorstand auf. 1929 kandidierte sie, allerdings erfolglos, für den Reichstag.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme entlassen, emigrierte Lepman mit ihren beiden Kindern 1936 nach England und wurde britische Staatsbürgerin. Seit Kriegsbeginn war sie für das Foreign Office und die BBC tätig, 1941 wechselte sie zum Propagandasender American Broadcasting Station in Europe, den die US-Regierung in London eingerichtet hatte.

Als Angehörige der US-Armee kehrte sie 1945 ins besetzte Deutschland zurück, wo sie der amerikanischen Militärregierung als Beraterin in Frauen- und Jugendfragen diente. In München initiierte Lepman im Juli 1946 eine internationale Jugendbuchausstellung im ehemaligen Haus der Deutschen Kunst. Sie sollte Brücken zwischen den Völkern schlagen und den deutschen Kindern den Blick in die Welt öffnen. Die Tausende von Büchern umfassende Sammlung bildete den Kern der „Internationalen Jugendbibliothek“, die Lepman 1949 mit Hilfe der Rockefeller Foundation und des Freistaats Bayern in einer Villa in der Münchner Kaulbachstraße eröffnete; heute befindet sie sich in Schloss Blutenburg in Obermenzing. Bis 1957 stand sie unter Lepmans Leitung.

Als Vertreterin des von ihr gegründeten Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch, als Autorin, Übersetzerin und Sammlerin setzte sie sich auch nach ihrer Übersiedlung nach Zürich 1959 weiter für die gehobene Kinder- und Jugendliteratur ein. Lepman wurde mehrfach für ihren Einsatz für die Völkerverständigung ausgezeichnet, so 1957 mit dem Bundesverdienstkreuz, 1967 mit der Goethe-Medaille.

Quellen

Dimpfl, Monika: Mit Kinderbüchern Brücken bauen. Jella Lepman (1891-1970), München 2000.
Krauss, Marita: Heimkehr in ein fremdes Land. Geschichte der Remigration nach 1945, München 2001.
Ledig, Eva-Maria: Eine Idee für die Kinder. Die Internationale Jugendbuchbibliothek in München, München 1988.
Raabe Christiane u.a. (Hg.): Jella Lepman: Journalistin, Autorin, Gründerin der Internationalen Jugendbibliothek. Eine Wiederentdeckung, München 2024.
Scherf, Walter: Lepmann, Jella, in: Neue Deutsche Biographie, 14, 1985, S. 304f. URL: <http://www.deutsche-biographie.de/ppn119008874.html> (zuletzt aufgerufen am 31.1.2024).

Werke von Jella Lepmann (Auswahl):
Lepman, Jella: Die Kinderbuchbrücke, Frankfurt am Main 1964.
Lepman, Jella: Mission for the children: winning friends for the International Youth Library in U.S.A, München [1948].
Lepman, Jella: Women in Nazi Germany, London 1943 (unter dem Pseudonym Katherine Thomas).

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Lepman, Jella (publiziert am 01.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/lepman-jella-500