Erich Lexer (22.5.1867 Freiburg im Breisgau - 4.12.1937 Berlin)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Chirurg und Hochschullehrer, Mitautor und Kommentator des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“

Erich Lexer, Sohn des Germanisten Matthias Lexer, studierte nach dem Abitur 1885 in Würzburg an der dortigen Universität Medizin. Nach Examen und Promotion arbeitete er zunächst als Assistenzarzt an der Universität Göttingen und von 1892 bis 1905 bei Ernst von Bergmann an der Chirurgischen Klinik der Charité in Berlin. Dort habilitierte er sich 1898. 1905 übernahm Lexer den Lehrstuhl für Chirurgie an der Universität Königsberg, 1910 wechselte er an die Universität Jena. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 trat er als Oberstabsarzt in die Kaiserliche Marine ein und war beratender Chirurg der Marine in Hamburg, Brügge und Ostende.

1919 ging er als Ordinarius und Klinikdirektor an die Universität Freiburg. 1928 wurde er als Nachfolger von Ferdinand Sauerbruch an die Universität München berufen, wo er bis 1936 Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik war. Er gehörte zu den führenden, auch international anerkannten deutschen Chirurgen des 20. Jahrhunderts und wirkte insbesondere auf den Gebieten der Unfall-, der Rekonstruktions- und der Plastischen Chirurgie prägend.

Seit Mitte 1933 war Lexer, der die NS-Machtergreifung begrüßt hatte, förderndes Mitglied der SS, unterstützte diese Organisation also nur finanziell ohne darin aktiv tätig zu sein. Am 15.2.1936 verlieh ihm Himmler den Ehrenrang eines SS-Sturmbannführers, am 9.11.1936 den eines SS-Obersturmbannführers. Wie bereits 1923 war Lexer auch 1936 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, wurde im gleichen Jahr deren Ehrenpräsident und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher (Leopoldina); 1937 erhielt er die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Lexer stellte seine Kompetenz als Chirurg unkritisch in den Dienst der Rassenideologie des NS-Staates. Für das zum 1.1.1934 in Kraft getretene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das der Sterilisation sog. ‚Erbkranker‘ und Alkoholiker diente, verfasste er den fachchirurgischen Beitrag: „Die Eingriffe zur Unfruchtbarmachung des Mannes und zur Entmannung“. Auf fünf Seiten beschrieb Lexer darin alle Möglichkeiten zur Sterilisation des Mannes, veranschaulichte seine Ausführungen mit Abbildungen und wies auf etwaige Komplikationen hin, die jedoch durch genaues Befolgen der Operationsregeln zu vermeiden wären.

Die in den Folgejahren erlassenen Ergänzungsbestimmungen dieses Gesetzes sahen die Möglichkeit der Zwangsabtreibung und der Unfruchtbarmachung auch durch Röntgenstrahlung vor. Die Zusammenarbeit von Gesundheitsämtern mit den neu geschaffenen Erbgesundheitsgerichten führte dazu, dass im Deutschen Reich 400.000 Menschen grundsätzlich von diesem Gesetz betroffen waren. Etwa 5500 Frauen und 600 Männer starben an den dann tatsächlich vorgenommenen Eingriffen. In Lexers Amtszeit und unter seiner Verantwortung als Klinikdirektor wurden in der Chirurgischen Universitätsklinik in München 1050 Personen zwangssterilisiert. Erich Lexer wurde zwar 1935 an der Universität München emeritiert, aber noch bis 1936 mit der Vertretung seines Lehrstuhls beauftragt. Am 4.12.1937 starb er bei einem Aufenthalt in Berlin an einem Herzinfarkt. Begraben wurde er im Familiengrab auf dem Münchner Nordfriedhof.

Quellen

Lexer, Erich: Die Eingriffe zur Unfruchtbarmachung des Mannes und zur Entmannung, in: Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses nebst Verordnung vom 5. Dezember 1933 über die Ausführung des Gesetzes, 2. Aufl., München 1936.
Dittmann, Ellen Magdalena: Der Chirurg Erich Lexer (1867–1937): Untersuchungen zu seiner Person, seiner Wirkung und seinem Nachruhm, Heidelberg 2007.
Locher, Wolfgang G.: Lexer, Erich, in: Gerabek, Werner E. u.a. (Hgg.): Enzyklopädie Medizingeschichte, Berlin 2005, S. 848.                         

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Lexer, Erich (publiziert am 16.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/lexer-erich-504