Quellen
Zeugnisse, Dokumente und private Aufzeichnungen Limmers, Privatbesitz
Schröder, Joachim: Die Münchner Polizei und der
Nationalsozialismus. Hrsg. v. Polizeipräsidium München /
Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Essen 2013.
Admission free
Polizist, der sich einem Mordkommando (Einsatzgruppe B) entzog
In einfachen Verhältnissen und ohne Eltern aufgewachsen besuchte Franz Limmer von 1914 bis 1921 die damals siebenjährige Volksschule, zuletzt in Iffeldorf, die er mit einem guten Zeugnis abschloss („sehr lobenswertes Betragen“). Anschließend war er als landwirtschaftlicher Arbeiter und Maurerlehring für das Maffei'sche Gut Staltach tätig, wo ebenfalls sein Betragen und sein Verständnis gelobt wurden. In dieser Zeit nahm Limmer an Jugend-Wettbewerben im Ringen teil. Von Juli 1925 bis Oktober 1927 arbeitete Limmer als Stallmann für den Unternehmer Eduard Scharrer auf Gut Bernried. Dort erlernte er die Pflege von Pferd, Geschirr, Wagen sowie Reiten und Fahren eines Zweispänners. Limmer verließ die Stellung, in der er als „sehr fleißig und zuverlässig“ geschätzt wurde auf eigenem Wunsch, um am 1. Oktober 1927 als Anwärter in die Bayerische Landespolizei einzutreten.
Nach einjährigem Anwärterdienst und Besuch der Polizeivorschule in Eichstätt wurde er als Unterwachtmeister der Landespolizei angestellt, 1930 zum Wachtmeister befördert. 1932/1933 besuchte er einen Fortbildungslehrgang an der Polizeihauptschule in Fürstenfeldbruck, den er mit guten Noten abschloss und der ihn auch mit Fachgebieten wie Dienstvorschrift oder Beamtenrecht vertraut machte. Limmer, inzwischen Beamter auf Probe bei der Schutzpolizei München, durchlief die üblichen Karrierestationen über den Oberwachtmeister zum Revieroberwachtmeister. In diesem Rang wurde er in München Zeuge der Novemberpogrome und der Tatsache, dass die SA die Polizei am Einschreiten hinderte. 1939 bekamen der Katholik Limmer und seine angetraute Frau Josepha ihre Tochter Ingeborg. Nach Besuch eines Lehrgangs für den mittleren Kriminalvollzugsdienst wurde Limmer im Januar 1940 Kriminaloberassistent und Beamter auf Lebenszeit bei der Kriminalpolizei München.
Als Limmer am 5. Februar 1942 erfuhr, dass er vom Reichssicherheitshauptamt zur Einsatzgruppe B abgeordnet wurde, und von Kollegen erfragte, dass es hierbei um Erschießungen von Jüdinnen*Juden ging, fasste er aus humanitären Beweggründen den Entschluss, sich zu verweigern. Er gab gesundheitliche Einwände (Nervenschwäche) an, die einem solchen Einsatz entgegenstünden, woraufhin er sich in die Nervenabteilung des Polizeikrankenhauses in Berlin zur Untersuchung begeben musste. Dort setze ihn der untersuchende Arzt enorm unter Druck und erklärte ihm, dass es sich um eine Befehlsverweigerung handle und die „Eiserne Hand der SS“ ihn erfassen werde. Doch Limmer blieb bei seiner Weigerung und konnte zunächst seinen Dienst bei der Kriminalpolizei München weiter versehen.
Als er wenige Monate später die wiederholten Aufforderungen seiner Vorgesetzten (u.a. Personalchef Dr. Werner Katto) zum Eintritt in die SS und NSDAP sowie zum Austritt aus der katholischen Kirche ablehnte, nahm man eine akute Erkrankung im Herbst 1942 zum Anlass, um Limmer aus dem Polizeidienst zu entfernen. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung wurde durch das Reichssicherheitshauptamt in Berlin eine Dienstunfähigkeit bescheinigt, die Limmers sofortige Entlassung aus dem Polizeidienst zur Folge hatte. Hiergegen legte Limmer im Januar 1943 Widerspruch ein. Er bat um eine Versetzung in den Verwaltungsdienst, was ihm trotz Widerständen seiner Vorgesetzten letztlich gelang. Allerdings musste er hierfür die Laufbahnprüfung des mittleren Verwaltungsdienstes bestehen, die er von Juli 1943 bis Juli 1944 ablegte. Zugute kam ihm ein kaufmännischer Handelskurs der Sabel Schule, den Limmer während seiner Außerdienstsetzung 1943 absolviert hatte. Von August 1944 bis Januar 1945 war Limmer zur Polizeiverwaltung nach Wittenberg abgeordnet, von Mitte Januar bis Ende März 1945 war er als Wachdienstausbilder bei der Polizeireserve eingesetzt.
Bei Kriegsende hatte Limmer formal eine Planstelle beim Kommandeur der Schutzpolizei München, sodass er sich wenige Tage nach Kriegsende, am 17. Mai 1945, wieder bei der Münchner Polizeiverwaltung zum Dienst meldete. Zunächst war er im Paßamt und in der Aktenverwaltung tätig, von Juli 1945 bis Mitte Februar 1946 setzte ihn die amerikanische Militärregierung in einer Sonderabteilung zur Aktenprüfung ein (1. Police Record Unit Special Branch). Während dieser Zeit verfasste er eine Eingabe an die Polizeidirektion, um auf die Hemmung seiner Dienstlaufbahn durch nationalsozialistische Vorgesetzte hinzuweisen. Am 11.2.1946 wurde er, nun Verwaltungs-Sekretär, in das Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt als Hauptwachtmeister der Landpolizei mit der Funktion als Postenchef der Landpolizei Grünwald, ein Jahr später stieg er zum Kommissär der Landpolizei auf. Am 18. November 1947 erreichte Limmer die erneute Verbeamtung auf Lebenszeit als Oberkommissär der Landpolizei.
Im Spruchgerichtsverfahren 1948 in Stade sowie 1953 in dessen Münchner Spruchkammerverfahren trat Limmer als Zeuge gegen Dr. Werner Katto auf, doch es wurde ihm nicht geglaubt. Zweimal wurde Limmer noch befördert, zum Polizeiobermeister und schließlich, 1965, zum Polizeihauptmeister. Ende April 1968 ging Franz Limmer in den Ruhestand. Er lebte mit Frau und Tochter in München-Freimann und hatte Freude am Reisen, Heimwerken und seinem Enkel. Immer wieder beschäftigte er sich mit der Frage der nicht erfolgten Entnazifizierung der Polizei, denn Limmer hatte nach dem Krieg dieselben Vorgesetzten wie während der NS-Zeit. Franz Limmer starb im November 1993 in München.
Zeugnisse, Dokumente und private Aufzeichnungen Limmers, Privatbesitz
Schröder, Joachim: Die Münchner Polizei und der
Nationalsozialismus. Hrsg. v. Polizeipräsidium München /
Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Essen 2013.