Heinrich Lutterbach (30.7.1909 München – 21.8.1985 München)

Biographies
Verfasst von Christoph Wilker

Zeuge Jehovas, Ablehnung der Wehrpflicht und des Hitlergrußes

Heinrich Lutterbach (mit Geige) | Privatbesitz

Der Münchner Musiker und Komponist wurde 1929, nachdem er aus der katholischen Kirche ausgetreten war, Bibelforscher. Anfang der 1930er Jahre begleitete er als Kapellmeister die Aufführung des Bibelforscherfilms „Das Schöpfungsdrama“ und reiste dafür bis zur Machtübernahme Hitlers durch ganz Deutschland. In München wurde der Film, den weltweit mehrere Millionen Menschen sahen, im Circus-Krone-Bau gezeigt. Danach leitete Lutterbach die kleine Gemeinde der Zeugen Jehovas in Regensburg, was 1936 zu seiner Verhaftung und Verurteilung zu zehn Monaten Gefängnis durch das Amtsgericht Regensburg führte. Nach Verbüßung der Strafhaft wurde er 1937 in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen. Dort musste er jeden Tag mit anderen Häftlingen schwere Erd- und Betonierarbeiten verrichten. Im Sommer 1938 wurde er zeitweise auf der Privatbaustelle des Dachauer KZ-Kommandanten Hans Loritz in St. Gilgen eingesetzt. 1939 brachte ihn die SS in das KZ Mauthausen, wo er dem gefürchteten Steinbruchkommando zugeteilt wurde. 1941 setzte ihn die SS als Lagerschreiber im Außenlager Mauthausen-Gusen ein. Lutterbach nutzte dies unter Lebensgefahr, um illegal eingeschleuste Bibelforscherschriften zu vervielfältigen.
Hans Maršálek, der nach dem Krieg die Entwicklung der Gedenkstätte Mauthausen maßgeblich prägte, hatte Heinrich Lutterbach im KZ Mauthausen kennengelernt. In seinem Buch schrieb er: „Die Gusener Musikkapelle leitete mit besonderer Hingabe der aus München stammende Bibelforscher Heinrich Lutterbach, Häftlings-Nr. 46.409. Lutterbach, ein leidenschaftlicher Musiker, kam Ende 1941 ins Lager und wurde von der SS im Jahre 1942 mit der Leitung des Orchesters betraut“ (Maršálek, S. 318). Das Orchester diente vorwiegend der Unterhaltung der SS-Wächter. Nach der Befreiung widmete sich Lutterbach wieder der Musik und den Aktivitäten als Zeuge Jehovas. 1947 heiratete er und lebte mit seiner Frau weiter in München.

Quellen

Maršálek, Hans: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen, Mauthausen 1995.
Dirk Riedel: Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der "Volksgemeinschaft". Der KZ-Kommandant Hans Loritz, Berlin 2020.
Archiv der Zeugen Jehovas, Selters/Ts., Lebensbericht Heinrich Lutterbach.
Archiv der Zeugen Jehovas, Selters/Ts., Urteil des Schöffengerichts bei dem Amtsgericht Regensburg vom 27.11.1936.

Empfohlene Zitierweise

Christoph Wilker: Lutterbach, Heinrich (publiziert am 23.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/lutterbach-heinrich-522