Max Mannheimer (6.2.1920 Neutitschein / Nový Jičín / Tschechoslowakei – 23.9.2016 München)

Biographies
Verfasst von Dirk Riedel

Jüdischer KZ-Überlebender, Zeitzeuge und Sprecher der ehemaligen Dachau-Häftlinge

Max Mannheimer, 2015 | NS-Dokumentationszentrum München

Max Mannheimer wurde am 6. Februar 1920 im mährischen Neutitschein geboren. Seine Eltern, die Metzgereiverkäuferin Margarethe und der Lebensmittelgroßhändler Jakob Mannheimer, erzogen ihn und seine jüngeren Geschwister (Erich, Ernst, Edgar und Käthe) im jüdischen Glauben. Max besuchte die Handelsschule und arbeitete ab 1936 als Kaufmann.

Nach dem ‚Münchner Abkommen‚ und der deutschen Annexion des Sudetenlandes floh die Familie im Oktober 1938 in den nicht besetzten Teil der Tschechoslowakei. Doch im März 1939 überfiel die Wehrmacht auch diesen Landesteil. Max Mannheimer musste im Straßenbau arbeiten. Schrittweise radikalisierte die Gestapo die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Erich Mannheimer starb in Haft, die übrige Familie wurde im Januar 1943 über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Unter den Deportierten befand sich auch Max' Ehefrau, Eva Bock. In der Hoffnung, als Ehepaar zusammenbleiben zu dürfen, hatten sie kurz vor der Verhaftung geheiratet.

Doch mit Ausnahme von Max Mannheimer und seinem Bruder Edgar ermordete die SS alle Familienmitglieder. Die beiden Brüder wurden in den folgenden Jahren in die Konzentrationslager Warschau, Dachau sowie die KZ-Außenlager OT-Karlsfeld und Mühldorf-Mettenheim verschleppt. Meist mussten sie schwere Bauarbeiten verrichten. Vom Außenlager OT-Karlsfeld, das zum Lagerkomplex München-Allach gehörte, musste Max Mannheimer die toten Häftlinge auf einem Eselskarren zum Krematorium des KZ Dachau bringen. In Mühldorf-Mettenheim erkrankte er an Fleckfieber und war völlig entkräftet, als die SS die Gefangenen am 28. April 1945 in überfüllte Waggons zwang und über München zum Starnberger See fuhr. Dort befreiten US-Einheiten die Überlebenden am 30. April 1945.

Zurück in Neutitschein lernte Max Mannheimer die sudetendeutsche Sozialdemokratin Elfriede Eiselt kennen. Sie heirateten 1946 und zogen nach München. Dort wurde Eiselt in den Stadtrat gewählt, 1964 erlag sie einem Krebsleiden. Max Mannheimer hatte zunächst für die jüdische Zeitung Junge Welt gearbeitet, später betreute er ‚displaced persons‘, ehe er eine Stelle als Prokurist antrat. 1965 heiratete er die US-Amerikanerin Grace Franzen.

Wegen seiner traumatischen KZ-Erfahrungen musste sich Max Mannheimer wiederholt in Therapie begeben. Dabei entdeckte er das Malen. Seine abstrakten Bilder auf Leinwand und Hinterglas, die er im Andenken an seinen Vater oft mit „Ben Jakov“ (der Sohn Jakobs) signierte, wurden in landesweiten Ausstellungen präsentiert.

1964 notierte Max Mannheimer seine Erinnerungen an die KZ-Haft. Die Gedenkstättenleiterin Barbara Distel veröffentlichte den Text 1985 in den Dachauer Heften. Die Publikation erfuhr große Resonanz und Mannheimer begann, als Zeitzeuge über seine Geschichte zu sprechen. Ab 1990 war er Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau, ab 1995 Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees. In vielen Gremien, vor allem in der KZ-Gedenkstätte Dachau, aber auch im NS-Dokumentationszentrum München, vertrat er die Belange der Überlebenden. Sein „Appell an die Jugend“, ein Plädoyer für ein kritisches Geschichtsbewusstsein, gegen Ausgrenzung und Rassismus, ist in den Grundstein des NS-Dokumentationszentrums eingelassen. Am 23. September 2016 starb Max Mannheimer in München. Seit 2018 trägt der Vorplatz des NS-Dokumentationszentrums seinen Namen.

Quellen

Leyen, Marie-Luise von der: Max Mannheimer. Drei Leben, München 2012.
Max Mannheimer: Theresienstadt – Auschwitz – Warschau – Dachau. Erinnerungen, in: Barbara Distel/Wolfgang Benz (Hrsg.): Dachauer Hefte 1 (1985), S. 88-128.
Macek, Ilse / Schmidt, Horst (Hg.): Max Mannheimer – Überlebender, Künstler, Lebenskünstler, München 2011.
Mannheimer, Max: Spätes Tagebuch. Theresienstadt – Auschwitz – Warschau – Dachau, München 2010.


Empfohlene Zitierweise

Dirk Riedel: Mannheimer, Max (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/mannheimer-max-533