Josef Mengele (16.3.1911 Günzburg – 7.2.1979 Bertioga/Brasilien)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Anthropologe und Mediziner, KZ-Arzt, an Selektionen, Menschenversuchen und Medizinverbrechen in Auschwitz führend beteiligt

Josef Mengele wurde als erster von drei Söhnen von Walburga und Karl Mengele, Maschinenbauingenieur und Besitzer eines großen Landmaschinenbetriebs, geboren und wuchs in einem wirtschaftlich wohlhabenden und politisch konservativ-deutschnationalen Milieu auf. Seit 1930 studierte er Medizin und Anthropologie in München, Bonn und Wien. 1935 wurde er an der Universität München beim Direktor des Münchner Anthropologischen Instituts, Theodor Mollison, zum Dr. phil. promoviert. Im Sommer 1936 legte er das medizinische Staatsexamen ab. Auf Empfehlung Mollisons arbeitete Mengele ab 1937 am Institut für ‚Erbbiologie und Rassenhygiene‘ der Universität Frankfurt am Main, das von Otmar Freiherr von Verschuer geleitet wurde. Dort erfolgte 1938 seine Promotion zum Dr. med. Beide Doktorgrade wurden Mengele wegen seiner im KZ Auschwitz begangenen Verbrechen 1960 bzw. 1961 aberkannt. Zum 1. Juni 1938 übernahm Mengele eine Assistentenstelle in Verschuers Institut. Als einer der einflußreichsten Vertreter der nationalsozialistische ‚Rassenhygiene‘ schrieb Verschuer Gutachten, in denen er Zwangssterilisationen befürwortete oder auch Verurteilungen wegen sog. ‚Rassenschande‘, ein mit den ‚Nürnberger Gesetzen‘ geschaffener Straftatbestand.

Im gleichen Jahr trat Mengele der NSDAP und der SS bei. 1940 meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS, 1941 fungierte er als Bataillonsarzt in der SS-Division ‚Wiking‘. Nach seiner Verwundung 1942 wurde er 1943 als frontuntauglich zum SS-Ersatz-Bataillon Ost nach Berlin versetzt. Dort war er für das inzwischen von seinem Mentor Verschuer geleitete Kaiser-Wilhelm-Insitut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A) tätig.

Im April zum Hauptsturmführer befördert, traf Mengele am 30. Mai 1943 als Ersatz für einen längerfristig erkrankten Arzt im Konzentrationslager Auschwitz ein und wurde neuer Lagerarzt des sog. ‚Zigeunerlagers‘ in Auschwitz-Birkenau. Mengele selektierte, wie alle SS-Ärzte in Auschwitz, sowohl Neuankömmlinge an der Rampe als auch Häftlinge im Lager. Es lag in seinem Ermessen, Kinder, kranke und alte Menschen als nicht arbeitsfähig auszumustern und für den Tod in der Gaskammer zu bestimmen. Bei Selektionen im Krankenbau pflegte Mengele häufig eine Art indirekter Selektion, bei der er sich von den Häftlingsärzten und -ärztinnen eine Liste mit Diagnosen und Prognosen vorlegen ließ und auf der Grundlage dieser Unterlagen entschied.

Allein durch die Selektionen innerhalb des Lagers war Mengele für die Tötung Zehntausender Menschen verantwortlich. Im Juli/August 1944 wurde das ‚Zigeunerlager‘ aufgelöst. Mengele übernahm die Organisation und die Selektion der Häftlinge, in deren Verlauf er 3000 Menschen vergasen ließ. 1400 arbeitsfähige Insassen wurden in das KZ Buchenwald deportiert. In Auschwitz führte Mengele im Rahmen seiner medizinischen und anthropologischen Untersuchungen zahllose, grausame Experimente an Häftlingen durch. Dabei galt sein Hauptinteresse der Zwillingsforschung, den Wachstumsanomalien sowie der Therapie von Fleckfieber und Malaria. Unter den gegebenen Umständen existierten für ihn beste Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Profilierung, die er auch ausgiebig nutzte. Neben seinem Interesse für Zwillinge hat sich Mengele auch besonders mit kleinwüchsigen Menschen und solchen mit angeborenen Behinderungen beschäftigt und Experimente an ihnen durchgeführt. Weitere Menschenversuche Mengeles galten diversen Operationstechniken zur Sterilisierung und Kastration von Männern und Frauen. Nach Aussagen von Häftlingsärzten und Pflegern endeten diese Experimente meist mit dem Tod der Versuchspersonen.


Im Dezember 1944 wurde Mengele Truppenarzt im SS-Truppenlazarett in Birkenau. Am 17.1.1945 verließ er das KZ Auschwitz in Richtung des KZ Groß-Rosen. Anfang Februar 1945 wurde Groß-Rosen jedoch evakuiert und am 13. Februar befreit. Anfang Mai schloß er sich auf seiner Flucht nach Westen einem Wehrmachtslazarett an, wurde im Juni von amerikanischen Truppen interniert, allerdings bereits im August unerkannt entlassen, obwohl er bereits seit Mai 1945 auf den Kriegsverbrecherlisten geführt wurde. Er wurde weder als SS-Angehöriger, noch als KZ-Arzt identifiziert, weil er keine Papiere mit sich führte, falsche Namen benutzte und auch nicht die typische Blutgruppentätowierung der SS aufwies. Er machte sich auf den Weg in seine Heimatstadt, wo er sich einige Wochen versteckt hielt.

Zwischen 1945 und 1949 lebte Mengele unter falschem Namen auf einem Hof in Mangolding bei Rosenheim. Im April 1949 flüchtete er mit einem gefälschten Pass des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) über Genua nach Südamerika. Von 1949 bis 1959 lebte er in Buenos Aires weitgehend unbehelligt und mit finanzieller Unterstützung durch seine Familie.

Im Rahmen einer Veröffentlichung über Anne Frank erstattete der Schriftsteller Ernst Schnabel (1913-1986) erstmals Strafanzeige gegen Mengele und machte damit auf dessen Verbrechen und die schleppende Fahndung aufmerksam. Am 25.2.1959 erließ die Staatsanwaltschaft Freiburg im Breisgau Haftbefehl gegen Mengele. Dies regte die internationale Suche nach ihm an und zwang ihn, Argentinien zu verlassen und nach Paraguay überzusiedeln. Nach der Entführung von Adolf Eichmann durch den israelischen Geheimdienst im Mai 1960 fühlte sich Mengele jedoch auch in Paraguay nicht mehr sicher und tauchte in der Nähe von São Paulo (Brasilien) unter. Dort hielt er sich fortan auf abgeschiedenen Farmen verborgen.

Am 7.2.1979 ertrank Josef Mengele nach einem Schlaganfall beim Badeort Bertioga bei São Paulo. Unter dem Namen ‚Wolfgang Gerhard‘ wurde er in Embu (Brasilien) begraben. Seiner Familie gelang es, den Tod geheimzuhalten. 1982 wurde der bundesdeutsche Haftbefehl gegen Mengele erneuert. Im Frühjahr 1985 wurde Mengeles Grab gefunden und nach Exhumierung der Leiche durch gerichtsmedizinische Untersuchungen des Skeletts und des Zahnschemas seine Identität zweifelsfrei ermittelt.

Quellen

Keller, Sven: Günzburg und der Fall Josef Mengele. Die Heimatstadt und die Jagd nach dem NS-Verbrecher, München 2003.
Klee, Ernst: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer, 3. Aufl., Frankfurt am Main 2004.
Kubica, Helena: Dr. Mengele und seine Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, in: Hefte von Auschwitz, Band 20, S. 369–455.
Sachse, Carola (Hrsg.): Die Verbindung nach Auschwitz. Biowissenschaften und Menschenversuche an Kaiser-Wilhelm-Instituten. Dokumentation eines Symposiums, Göttingen 2003.
Schmuhl, Hans-Walter: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927–1945, Göttingen 2005.
Zdenek Zofka: Der KZ-Arzt Josef Mengele. Zur Typologie eines NS-Verbrechers, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 34, 1986, S. 245–267.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Mengele, Josef (publiziert am 14.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/mengele-josef-546