Ernst Müller-Meiningen jr. (8.6.1908 München – 10.4.2006 München)

Biographies
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Gelernter Jurist, der von 1946 bis 1979 als Redakteur für die Süddeutsche Zeitung kritisch auf die NS-Kontinuitäten in der BRD hinwies

Ernst Müller-Meiningen jr. (links) mit OB Hans-Jochen Vogel und Alt-Ministerpräsident Wilhelm Hoegner auf einer Demonstration gegen die rechtsextreme Deutsche Volksunion in München, 3.4.1971 | SZ Photo/Neuwirth, Fritz, 00115587

Ernst Müller-Meiningen jr. wuchs als Sohn des gleichnamigen Juristen, liberalen Reichstagsabgeordneten und bayerischen Justizministers sowie stellvertretenden Ministerpräsidenten (1919/20) Ernst Müller-Meiningen (1866-1944) und dessen Frau Frida, geb. Steinhard (1879-1941), in München auf. Nach dem Abitur am humanistischen Theresien-Gymnasium nahm Müller-Meiningen jr. 1926 an der Universität München das Jurastudium auf.

Trotz Prädikatsexamen 1933 blieb ihm nach der nationalsozialistischen Machtübernahme der Eintritt in den Staatsdienst ebenso verwehrt wie die Zulassung als Rechtsanwalt. Der promovierte Jurist fand eine Anstellung als juristischer Hilfsarbeiter bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Wegen seiner jüdischen Mutter als ‚wehrunwürdig‘ geltend, überstand er die Kriegsjahre mit seiner Familie in München.

Publizistisch meldete er sich erstmals nach Kriegsende mit einem Beitrag zur Entnazifizierung zu Wort und machte so die Herausgeber der Süddeutschen Zeitung (SZ) auf sich aufmerksam. Von 1946 bis 1979 arbeitete Müller-Meiningen jr. als Journalist und Redakteur für die SZ und prägte den Kurs der Zeitung entscheidend mit. In scharfzüngigen Kommentaren und zeitkritischen Artikeln mahnte er die strafrechtliche Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen an, brandmarkte NS-Kontinuitäten in der Bundesrepublik und warnte vor Geschichtsvergessenheit, Neonazimus und Rechtsextremismus. Kämpferisch trat er für die freiheitliche Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Auch als langjähriger Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbands (1951-1971), Mitglied des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks (1950-1978) und des Deutschen Presserats (1956-1970) machte er sich für die Presse- und Rundfunkfreiheit stark und betonte die öffentliche Aufgabe der Medien als obrigkeitskritische Wächter der Demokratie. Müller-Meiningen jr. hatte bedeutenden Anteil an der Etablierung eines kritischen Journalismus im Nachkriegsdeutschland.

„Gespenstische Vergangenheit vor Gericht zitiert. Ein Schlaglicht auf die versäumte Ahndung von Verbrechen des Naziregimes.“ - Von Ernst Müller-Meiningen, 30./31.8.1958. | SZ Photo

Quellen

Ernst Müller-Meiningen jr., in: Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv 27/2006 vom 8. Juli 2006. URL: <http://www.munzinger.de/document/00000006917> (zuletzt aufgerufen am 11.12.2023)
Müller-Meiningen, Ernst: Parteigenossen. Betrachtungen und Vorschläge zur Lösung des Naziproblems, München 1946.
Müller-Meiningen, Ernst: Kommentare von Gestern und Heute, München 1966.
Müller-Meiningen, Ernst: Das Jahr Tausendundeins. Eine deutsche Wende?, Basel 1987.
Müller-Meiningen, Ernst: Orden, Spießer, Pfeffersäcke. Ein liberaler Streiter erinnert sich, Zürich 1989. 

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Müller-Meiningen, Ernst jr. (publiziert am 10.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/mueller-meiningen-ernst-jr-567