Münchner Neueste Nachrichten

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Verfasst von Paul Hoser

Liberale Tageszeitung von 1848 bis 1945

Titelblatt Münchner Neuste Nachrichten; Schlagzeile vom 23.8.1939: "Terror gegen Volksdeutsche wächst stündlich - Mit Gummiknüppeln und Seitengewehr" (antipolnische Propaganda) | BSB, Port-013570

Die 1848 gegründeten liberalen Münchner Neusten Nachrichten waren schon in der Zeit vor 1914 die wichtigste Zeitung Süddeutschlands. Krieg und Inflation brachten den Verlag in Bedrängnis, so dass die Eigentümerfamilien Knorr und Hirth ihn 1920 verkauften. Die Mehrheit der Anteile kontrollierten jetzt die zur Ruhrindustrie gehörende Gutehoffnungshütte AG und der Pressekonzern Alfred Hugenbergs.

Als Herausgeber setzte man Paul Nikolaus Cossmann und als Chefredakteur Fritz Gerlich ein, die beide als Publizisten während des Ersten Weltkriegs nationalistische Forderungen unterstützt hatten. Gerlich stellte sich rückhaltlos hinter den rechtskonservativen Ministerpräsidenten von Kahr. Obwohl Gerlich selbst bald in Konflikt mit den Nationalsozialisten geriet, zeigte die Zeitung doch gewisse Sympathien für die rechtsradikalen Wehrverbände. Erst nach dem Scheitern des Hitler-Putsches 1923 wandte sie sich scharf gegen den Nationalsozialismus. Der konservativ-monarchistische innenpolitische Redakteur Erwein Freiherr von Aretin stand weitgehend hinter der Regierung des Ministerpräsidenten Heinrich Held. Gerlich, der sich immer mehr isolierte, musste 1928 ausscheiden.

Sein Nachfolger Fritz Büchner sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, was aber den Kurs der Zeitung nicht bestimmte. Ein Arrangement mit Hitler, das Paul Reusch von der Gutehoffungshütte zur Reichspräsidentenwahl 1932 anstrebte, verweigerten Verlagsdirektor Anton Betz und die Redaktion. Die Zeitung hatte seit ihrer Gründung in einem gewissen Maß den Charakter eines Generalanzeigers, d. h. sie war um des Anzeigengeschäfts willen bemüht, ein möglichst breites Spektrum des Bürgertums abzudecken, ohne sich auf eine Partei festzulegen. Bis 1920 war die Nähe zum liberalen Lager aller Richtungen unverkennbar, wobei auch das nationale Element einschließlich imperialistischer Tendenzen eine wichtige Rolle spielte. Feindselig eingestellt war das Blatt gegenüber bayerisch-partikularistischen Tendenzen und den Forderungen der SPD.

Nach 1920 traten demokratiekritische, antiliberale Akzente in den Vordergrund. Die Gegnerschaft zur SPD blieb bestehen, doch wurde jetzt eine Annäherung an den früher bekämpften politischen Katholizismus vollzogen. Diese blieb bis zum Ende der Weimarer Republik bestehen, wie sich in der Haltung der Zeitung gegenüber der Regierung Held in Bayern und der Regierung Brüning im Reich zeigte. Doch war sie noch immer nicht eindeutig festgelegt, sondern bemüht, auch für die protestantisch geprägten, nationalkonservativen bürgerlichen Gruppierungen attraktiv zu sein.

Nach der Einsetzung eines Reichskommissars in Bayern am 9.3.1933 ließ der Leiter der Bayerischen Politischen Polizei Büchner, Aretin, Betz und Cossmann verhaften. Im Dezember 1935 eignete sich der Parteiverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. G.m.b.H., den Verlag Knorr & Hirth für 3,5 Millionen Reichsmark an. Das Verlagsgebäude wurde bei zwei Bombenangriffen im Dezember 1944 schwer beschädigt. Die letzte Nummer erschien am 28.4.1945.

1947 übereignete die amerikanische Militärregierung in Bayern den Verlag dem bayerischen Staat. Dieser verkaufte ihn am 6.4.1951 mit Ausnahme des Buchverlags für fünf Millionen DM an die Firma Süddeutscher Verlag G.m.b.H.

Empfohlene Zitierweise

Paul Hoser: Münchner Neueste Nachrichten (publiziert am 18.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/muenchner-neueste-nachrichten-574