Hans Nawiasky (24.8.1880 Graz – 11.8.1961 St. Gallen)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Jurist, NS-Gegner und Mitarbeiter an der Bayerischen Verfassung von 1946

Hans Nawiasky und Karl Engisch bei der Rektoratsübergabe, 22.11.1958 | BSB, timp-018898

Der 1909 an der Universität Wien habilitierte Staats- und Verfassungsrechtler jüdischer Herkunft Hans Nawiasky lehrte seit 1914 an der Universität München, wo er 1928 zum Ordinarius ernannt wurde. Der Katholik, der der Bayerischen Volkspartei nahestand, war von 1928 bis 1930 Mitglied des Verfassungsausschusses der Länderkonferenzen und ab 1932 Vertreter Bayerns beim Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich. Gegen Ende der Weimarer Zeit wurde der angesehene Rechtsgelehrte immer mehr zum Angriffsziel nationalsozialistischer und antisemitischer (Studierenden-)Kreise.

Die vom NS-Studentenbund inszenierten und vom „Völkischen Beobachter“ weiter angeheizten Krawalle, die sich an einer Äußerung Nawiaskys über den Versailler Friedensvertrag von 1919 in einer Vorlesung Ende Juni 1931 entzündet hatten, führten zu einer mehrtägigen Schließung der Münchner Universität. Ihre Leitung verurteilte zwar das Vorgehen der Studierenden, wollte sich mit Nawiasky allerdings auch nicht solidarisieren. Am 5.3.1933 floh dieser vor den Verfolgungen der Nationalsozialisten ins Schweizer Exil, wo er an der Handelshochschule in St. Gallen bis über das Kriegsende hinaus lehrte.

Im Spätsommer 1946 kehrte Nawiasky wieder nach München und auch als Ordinarius an die Universität zurück. Im selben Jahr berief ihn Ministerpräsident Wilhelm Hoegner zum juristischen Berater der Staatsregierung und der Verfassunggebenden Landesversammlung. Nawiasky war maßgeblich an der Ausarbeitung der Bayerischen Verfassung beteiligt wie ebenso an der Gestaltung des Herrenchiemseer Konvents zur Vorbereitung des Grundgesetzes. Nach weiteren Jahren der wissenschaftlichen Tätigkeit starb er 1961 an seinem Hauptwohnsitz St. Gallen.

Quellen

Behrend, Michael: Hans Nawiasky und die Münchner Studentenkrawalle von 1931, in: Kraus, Elisabeth (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I, München 2006, S. 15-42.
Hermann, Florian: Hans Nawiasky, in: Nehlsen, Hermann/Brun, Georg (Hg.) Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1996, S. 411-443.
Zacher, Hans F.: Hans Nawiasky, in: Neue Deutsche Biographie, 19, 1999, S. 4-6.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Nawiasky, Hans (publiziert am 05.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=588&cHash=df5cf4fd0165ca438351d2ed9e165ab1