Die Neue Zeitung - eine amerikanische Zeitung für die deutsche Bevölkerung

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Verfasst von Elisabeth Kraus

Eine von der amerikanischen Besatzungsbehörde überregional herausgegebene Zeitung in deutscher Sprache

Die Neue Zeitung erschien erstmals am 18.10.1945 in München, zunächst zweimal, später sechsmal wöchentlich. Hergestellt wurde sie in den ehemaligen Räumen der NSDAP-Parteizeitung Völkischer Beobachter in der Schellingstrasse 39/41. Erster Chefredakteur war der 1938 emigrierte Publizist Hans Habe. Ihm folgte ab März 1946 der ebenfalls aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrte Journalist Hans Wallenberg. Der Schriftsteller Erich Kästner leitete das Feuilleton, das einen großen Teil der Zeitung einnahm, der Journalist und spätere Fernsehmoderator Robert Lembke das Ressort Innenpolitik, Stefan Heym das Ressort Außenpolitik. Hildegard Brücher war für die Wissenschaftspolitik zuständig. Zudem schrieben namhafte Autoren für das Blatt wie etwa Theodor Adorno, Alfred Andersch, Heinrich Böll, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Max Frisch, Hermann Hesse, Heinrich und Thomas Mann oder auch Martin Niemöller.

Die 
Neue Zeitung sollte im Sinne ihrer amerikanischen Herausgeber der ‚reeducation‘ dienen und damit der politischen Umerziehung der besiegten Deutschen durch Entnazifizierung und Einübung demokratischer Grundsätze und Haltungen. Wie der amerikanische Militärgouverneur Eisenhower in seinem Geleitwort zur ersten Ausgabe schrieb, war es die Aufgabe der Neuen Zeitung, eine objektive Berichterstattung auf hohem journalistischen Niveau zu liefern. Sie solle, schrieb Eisenhower, über die Weltereignisse informieren, um das Blickfeld der deutschen Leser*innen zu erweitern und sie mit Tatsachen zu konfrontieren, die in Deutschland in den Jahren der NS-Herrschaft verschwiegen worden waren. Die Zeitung wurde mit dem Auftrag versehen, zum moralischen, geistigen und materiellen Wiederaufbau Deutschlands durch Überwindung aller Reste nationalsozialistischer Ideologie beizutragen.

Die 
Neue Zeitung erreichte eine Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren, die von rund 10 Millionen Menschen gelesen wurden. Seit Anfang 1947 gab es im amerikanischen Sektor Berlins eine eigene Ausgabe des Blattes. Von Juni 1949 an erschien auch eine Ausgabe in Frankfurt am Main. 1951 wurden die Münchner und die Frankfurter Ausgabe in Frankfurt zusammengelegt. Von September 1953 an erschien die Neue Zeitung nur noch in Berlin. Im Januar 1955 wurde sie endgültig eingestellt; sie hatte dem als Herausgeber fungierenden US-Informationsamt zufolge ihren Zweck erfüllt. In den gut neun Jahren ihres Erscheinens veröffentlichte die Neue Zeitung Tausende von Reportagen, Berichten und Essays, Glossen und Erzählungen. Sie stellt damit eine einzigartige zeitgeschichtliche Quelle für die wichtigsten politischen Themen, aber auch für die Einschätzungen und Haltungen führender Schriftsteller*innen und politischer Publizist*innen der unmittelbaren Nachkriegszeit dar. 

        





Quellen

Koszyk, Kurt: Pressepolitik für Deutsche 1945-1949, Berlin 1986.
Gienow-Hecht, Jessica C.E.: Transmission impossible: American Journalism as cultural diplomacy in postwar Germany, 1945-1955, Baton Rouge 1999.
Schoeller, Wilfried F.: Diese merkwürdige Zeit. Leben nach der Stunde Null, Frankfurt am Main 2005.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Neue Zeitung (1945-1955) (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/neue-zeitung-1945-1955-157