Polizei im NS-Staat

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Verfasst von Joachim Schröder

Die Polizei als zentrales Herrschaftsinstrument im nationalsozialistischen Deutschland

Auch in München war die Polizei ein wichtiges Herrschaftsinstrument des NS-Regimes, doch unterschied sie sich in einer Hinsicht von allen anderen Polizeibehörden im Reich: Sie war diejenige Behörde, die mit der NSDAP von Anfang an, seit deren Gründung 1919/20 auf verschiedenste Art und Weise befasst war. Unter den Augen der Polizei konnte sich die NSDAP bis zum Hitler-Ludendorff-Putsch 1923 unbehelligt zu einer antidemokratischen, antisemitischen und nationalistischen Bürgerkriegspartei entwickeln. Darüber hinaus legte Heinrich Himmler als erster nationalsozialistischer Polizeipräsident in München den Grundstein zu seiner steilen Karriere, die ihn zum Chef des gesamten NS-Terrorapparates machen sollte.

Die Münchner Polizei in der Weimarer Republik
Die Erfahrungen während der Revolution und der Räterepublik hinterließen einen nachhaltigen Eindruck in den Reihen vieler Polizeibeamter. Der im Mai 1919 ernannte Polizeipräsident Ernst Pöhner war Monarchist, pflegte aber enge Verbindungen zur völkischen Bewegung und den „vaterländischen Verbänden“. Er legte den Grundstein für die politisch einseitige Ausrichtung der Münchner Polizei und machte sie zu einem Grundpfeiler der „Ordnungszelle Bayern“, die sich als Bollwerk gegen „Bolschewismus“, Preußentum und die von dort ausgehenden republikanischen Tendenzen verstand. Fememörder aus den Reihen der Einwohnerwehren wurden von Pöhner und seinen Beamten gedeckt; ungestört konnten die Rechtsterroristen der Organisation Consul ihre Mordanschläge von ihrer Münchner Zentrale aus planen. Den Aufstieg der NSDAP verfolgten Pöhner und Wilhelm Frick, der Leiter der Politischen Abteilung, mit Wohlwollen, galt sie ihnen doch als Bundesgenossin im Kampf gegen den „Marxismus“. In welchem Ausmaß rechtsradikale und völkische Sympathisanten auch innerhalb der Polizei Fuß gefasst hatten, zeigte das widersprüchliche Verhalten der Behörde während des Hitlerputsches. Erst nach dessen Scheitern ging sie entschlossen gegen die NSDAP vor, vor allem unter Polizeipräsident Julius Koch. Ihren neuerlichen Aufstieg nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 konnte sie aber nicht verhindern.

Die Münchner Polizei als Herrschaftsinstrument des Nationalsozialismus
Nach der Machtübernahme der NSDAP in Bayern wurde Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, erster nationalsozialistischer Polizeipräsident in München; Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsdienstes der SS (SD), fungierte als Leiter der Politischen Abteilung der Münchner Polizei. Diese wurde von der Polizeidirektion abgetrennt und bildete nun als „Bayerische Politische Polizei“ (später: Geheime Staatspolizei, Gestapo) eine eigenständige Behörde. Sie nahm politisch Andersdenkende in großer Zahl in „Schutzhaft“, die keinerlei richterlicher Kontrolle unterlag. Unterstützt wurde sie dabei durch Angehörige von SA, SS und „Stahlhelm“, die zu Hilfspolizisten ernannt wurden. Wegen der Massenverhaftungen waren die Gefängnisse rasch überfüllt. Bereits am 20.3.1933 ordnete Himmler die Errichtung eines großen Konzentrationslagers an, das anfangs von Polizeibeamten bewacht wurde. Schon im Mai 1933 wurden sie von der SS abgelöst, die damit sowohl die Politische Polizei als auch das KZ kontrollierte. Dachau wurde zum Ausbildungs- und „Musterlager“ der SS.

Die Funktion der Polizei wandelte sich fundamental. Ihre Aufgabe war nicht mehr der Schutz des Individuums vor Übergriffen anderer. Sie hatte die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ zu schützen, die nach politischen, sozialen und rassistischen Kriterien Menschen ausschloss. Damit die Polizei diese Aufgabe im Sinne des Regimes erfüllen konnte, trieb Himmler, seit 1936 Chef der gesamten Deutschen Polizei, ihre Zentralisierung („Verreichlichung“) und ihre Verschmelzung mit der SS zu einem „Staatsschutzkorps“ voran. Besonders groß wurde der Einfluss der SS in Gestapo und Kriminalpolizei, die zur „Sicherheitspolizei“ zusammengefasst wurden.

Die Gestapo war das zentrale Herrschaftsinstrument des Regimes, doch die übrigen Polizeisparten dienten als ihre Zuträger und Erfüllungsgehilfen. Von Anfang an waren alle Polizeisparten an der Verfolgung derjenigen beteiligt, die als Gegner*innen des Regimes, als „Volksfeinde“ betrachtet wurden: Polizeibeamte nahmen Menschen, die sich regimekritisch äußerten, fest und übergaben sie der Gestapo. Verwaltungspolizisten führten eine eigene „Judenkartei“, um die jüdische Bevölkerung kontrollieren zu können. Schutzpolizisten schritten nicht ein, als am 9.11.1938 die jüdischen Geschäfte und die Synagogen zerstört wurden. Die Gestapo organisierte die Deportation der jüdischen Münchner*innen, doch bewacht wurden sie von Schutzpolizisten. Kriminalbeamte verfolgten „Rassenschande“-Delikte, nahmen als „Asoziale“ diffamierte Personen, Sinti*zze und Rom*nja und Homosexuelle in Schutz- oder Vorbeugehaft und wiesen sie in Konzentrationslager ein.

Während des Krieges waren es „normale“ Polizeibeamte, die Menschen wegen Verstößen gegen das „Heimtückegesetz“ oder die „Volksschädlingsverordnung“ verhafteten und der Gestapo oder der NS-Justiz übergaben, welche immer mehr Terrorurteile fällte, je ungünstiger sich die Lage an der Front entwickelte. Ein weites Aufgabenfeld im Krieg war die Überwachung der ausländischen Zwangsarbeiter*innen. Besonders die Lebensbedingungen der polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter*innen („Ostarbeiter“) waren streng reglementiert. Schon bei geringfügigen Übertretungen wurden sie der Polizei bzw. der Gestapo gemeldet, die sie in ein Arbeitserziehungslager oder KZ einweisen konnte. Bei als schwerwiegend eingestuften Vergehen konnte die Gestapo die Betroffenen ohne richterlichen Beschluss ermorden. Sie beantragte hierfür formell „Sonderbehandlung“ beim Reichssicherheitshauptamt.

Mindestens 5000 Polizisten und Polizei-Reservisten aus dem Raum München versahen in den von Deutschland besetzten Gebieten ihren Dienst. Sie erledigten dort allerdings kaum „normale“ Polizeiarbeit, sondern hielten die deutsche Gewaltherrschaft aufrecht: Ordnungspolizisten bewachten deutsche Dienststellen, Gefängnisse, Lager und Ghettos oder führten, wie in Slowenien, „Umsiedlungen“ der Bevölkerung durch. Wie reguläre Truppenverbände kämpften sie gegen die immer stärker werdenden lokalen Widerstandsbewegungen. Unter dem Deckmantel der „Partisanenbekämpfung“ gingen Angehörige der Ordnungspolizei auch gegen unbeteiligte Zivilist*innen vor, spürten versteckte Juden*Jüdinnen auf und ermordeten sie. Angehörige der Sicherheitspolizei (Gestapo/Kripo) bekämpften auch präventiv jeglichen Widerstand. Eine Reihe von Münchner Polizisten, die genaue Zahl lässt sich nicht ermitteln, wurde zu Vollstreckern der „Endlösung“: Sie organisierten Deportationen in die Vernichtungslager und ermordeten als Angehörige der „Einsatzgruppen“ der Sicherheitspolizei und des SD jüdische Männer, Frauen, Kinder.

Lediglich Angehörige der SS und der Sicherheitspolizei wurden nach dem Krieg eine Zeit lang interniert. Sofern sie Partei- und SS-Mitglieder waren, wurden auch „normale“ Polizeibeamte zeitweise vom Dienst suspendiert. Vor Gericht verantworten mussten sich nur wenige. Die meisten Polizeibeamten kehrten bald in den Polizeidienst zurück.

Quellen

Aronson, Shlomo: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971.
Dierl, Florian u.a. (Hg.): Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat, Dresden 2011.
Schröder, Joachim: Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus, hg. vom Polizeipräsidium München und dem Kulturreferat der LH München, München 2013.
Wagner, Patrick: Hitlers Kriminalisten. Die deutsche Kriminalpolizei und der Nationalsozialismus zwischen 1920 und 1960, München 2002.

Empfohlene Zitierweise

Joachim Schröder: Polizei im NS-Staat (publiziert am 30.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/polizei-im-ns-staat-653