Wilhelm Prandtl (22.3.1878 Hamburg – 22.1.1956 München)

Biographies
Verfasst von Angela Hermann

Zwangspensionierter Chemiker und Retter seiner jüdischen Ehefrau

Wilhelm Prandtl (1878-1956) | Institut für Geschichte der Naturwissenschaften – Universität Hamburg

Der in Hamburg geborene Sohn eines Münchner Braumeisters legte 1897 am Münchner Theresiengymnasium das Abitur ab und studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität Chemie. 1901 wurde er mit einer Studie über Seltene Erden promoviert und begann seine berufliche Tätigkeit bei einer österreichischen Chemie- und Metallfabrik im böhmischen Aussig, zunächst als Chemiker, später als Betriebsleiter. Von 1903 bis 1910 arbeitete Prandtl als Assistent am Laboratorium für angewandte Chemie der LMU. In dieser Zeit, im Juli 1906, habilitierte er sich mit einer Studie über Vanadium und komplexe Verbindungen der Phosphorgruppe. Im August 1906 wurde er zum Privatdozenten ernannt. 1910 erhielt er eine außerordentliche, aber etatmäßige Professur für anorganische Chemie an der LMU und wurde verbeamtet.
Im Mai 1917 für kriegswichtige Aufgaben an das Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem abkommandiert, kehrte er erst nach Ende des Ersten Weltkriegs wieder an die LMU zurück.

Prandtl geriet bald nach der NS-Machtübernahme aufgrund der jüdischen Abstammung seiner katholischen Ehefrau Anna Kuh, die er 1914 geheiratet hatte, und seiner Solidarität mit ihr in Konflikte mit dem NS-System. Der 1933 vom Leiter des chemischen Laboratoriums, Heinrich Wieland, gestellte Antrag, Prandtl den Titel und Rang eines ordentlichen Professors zu verleihen, wurde von Reichsstatthalter Epp und dem bayerischen Kultusministerium abgelehnt. Im Juni 1937 versetzten Epp und das Kultusministerium Prandtl nach dem Berufsbeamtengesetz von 1933 in den Ruhestand. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Prandtls Frau, die wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes nur knapp der Deportation nach Theresienstadt entging, zur Zwangsarbeit in München verpflichtet, der gemeinsame Sohn in ein Zwangsarbeitslager nach Thüringen verschleppt. Prandtls Schwiegermutter, die den Haushalt der Familie geführt hatte, kam im KZ Theresienstadt ums Leben.
1946 setzte sich wiederum Heinrich Wieland dafür ein, dass Prandtl eine ordentliche Professur für Anorganische Chemie übertragen wurde. Prandtl wurde zeitgleich emeritiert. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau nahm sich Wilhelm Prandtl das Leben.

Quellen

Universitätsarchiv der LMU München, E-II-2724.
Litten, Freddy: Wilhelm Prandtl – Eine Kurzbiografie. URL: <http://litten.de/fulltext/prandtl.htm> (zuletzt aufgerufen am 26.9.2023).
Pötsch, Winfried R. (Hg.): Lexikon bedeutender Chemiker. Frankfurt am Main 1989, S. 349.
Priesner, Claus, „Prandtl, Wilhelm Antonin Alexander“, in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 672-673. URL: <http://www.deutsche-biographie.de/pnd116280441.html> (zuletzt aufgerufen am 26.9.2023).

Empfohlene Zitierweise

Angela Hermann: Prandtl, Wilhelm (publiziert am 21.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/prandtl-wilhelm-657