Karl R. (1898 München – 1940 Tötungsanstalt Hartheim)

Biographies
Verfasst von Sibylle von Tiedemann

Zimmermann, Opfer der Zwangssterilisation, Opfer der ‚NS-Euthanasie‘

Karl R. (Pseudonym) hatte vier ältere Stiefgeschwister aus einer früheren Beziehung des Vaters. Karl R. selbst war Vater von acht Kindern aus zwei Beziehungen. Seit seinem 15. Lebensjahr beschäftigte er sich mit Erfindungen wie der Konstruktion eines Perpetuum mobile sowie mit philosophischen Fragen und Weltproblemen. Im Dezember 1916 rückte er zum Militär ein. Später desertierte er nach München, wurde aufgegriffen und vor das Kriegsgericht gestellt, das ihn in eine Anstalt schickte. Nach einer mehrtägigen Untersuchung wurde er im Dezember 1917 mit einem diagnostizierten, aber nicht näher bezeichneten Nervenleiden entlassen.

Eine regelmäßige Arbeit fand er erst wieder im Dezember 1922. Seit Ende der 1920er-Jahre lebte Karl R. von seiner Frau getrennt und seit Anfang der 1930er-Jahre mit einer anderen Frau zusammen. Als er arbeitslos wurde, lag er längere Zeit zu Hause, möglicherweise wegen einer Fußverletzung. Er bekam einen Sterilisationsbescheid, verließ die Wohnung jedoch, bevor er abgeholt werden konnte. Als er wieder zurückkehrte, wurde er verhaftet. Dabei versetzte er einem Polizisten einen Lungenstich. Nach eigenen Angaben wollte Karl R. ein Erschießen in Notwehr provozieren, um seinem Leiden ein Ende zu setzen. Karl R. wurde in die Psychiatrische Nervenklinik in der Nußbaumstraße gebracht und von dort am 30.9.1937 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, wo er am 22.11.1937 zwangssterilisiert wurde. In der Krankengeschichte notierte der Arzt: „Pat. macht gar keine Schwierigkeiten, erklärt nur, daß er gegen die Maß[nahme] protestiere.“

Im August 1938 fertigte Karl R. eine Spottzeichnung über einen Pfleger an, die als Aufbegehren des machtlosen Patienten gedeutet werden kann. In der Krankheitsgeschichte dominieren im weiteren Verlauf negative Bezeichnungen wie „asozial“, „hintertrieben“ und „gemeingefährlich“; außerdem arbeitete Karl R. nicht. Als Konsequenz wurde er am 24.10.1940 mit 118 anderen Patienten in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert und dort mit Kohlenmonoxid ermordet.

Quellen

Bundesarchiv Berlin, R 179/26237.

Empfohlene Zitierweise

Sibylle von Tiedemann: R., Karl (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/r-karl-663