Xaver R. (1907 – 1945)

Biographies
Verfasst von Sibylle von Tiedemann

Sattler, Opfer der NS-“Euthanasie“

Xaver R. (Pseudonym) wuchs mit seinen fünf Geschwistern in einer Zimmermannsfamilie in einem kleinen Ort in der Nähe von München auf. Der mittelmäßige Schüler hatte eine Vorliebe fürs Zeichnen. Als Xaver 17 Jahre alt war, starb die Mutter an Krebs.

Er arbeitete in einer Lederfabrik als Sattler. Auffällig wurde er im April 1939 nach einer Schlägerei wegen eines Mädchens; wegen der geäußerten Wahnvorstellungen wurde er in die Psychiatrische Nervenklinik in der Nußbaumstraße aufgenommen. Sein Bruder stellte einen Entlassungsantrag beim Gesundheitsamt, der jedoch abgelehnt wurde. Xaver R. wurde am 24.4.1939 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt. Bei der Aufnahme wurde er als freundlich sowie zeitlich und örtlich orientiert beschrieben.

In Briefen an das Erbgesundheitsgericht, die Deutsche Arbeitsfront, seinen behandelnden Arzt, den Direktor der Anstalt wie auch an seinen Kontrahenten bei der Schlägerei beklagte er sich über das Unrecht, das ihm mit der Klinikeinweisung angetan worden sei. Xaver R. fühlte sich immer wieder von Stimmen einer Geistermacht bedroht, er galt als schwieriger Patient und drängte auf Entlassung.

Am 20.12.1944 wurde Xaver R. aus Platzgründen, wie es verschleiernd in der Krankengeschichte heißt, in das „Hungerhaus“ für Männer verlegt. Die Folgen des Nahrungsentzugs setzen ihm rasch zu. Im April 1945 starb er aufgrund der Hungerkost.

Quellen

Archiv des Bezirks Oberbayern München, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 3885.

Empfohlene Zitierweise

Sibylle von Tiedemann: R., Xaver (publiziert am 18.12.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/r-xaver-664