Revolution 1918/1919

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Verfasst von Joachim Schröder

Der Untergang der Monarchie und die Etablierung einer demokratischen, republikanischen Regierung in München

Die Novemberrevolution in Deutschland bedeutete das Ende der Monarchie und die Geburt des ersten deutschen demokratischen Staates. Die ‚alte Ordnung‘ war bereits in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg infrage gestellt worden, da sie die Partizipations- und Emanzipationsbestrebungen der demokratischen Parteien, der Arbeiterschaft, der Frauenbewegung und anderer, auf gesellschaftliche Veränderungen drängender Kräfte weitgehend ignoriert hatte. Die Hauptursachen für den Umsturz waren die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung sowie die Unfähigkeit des monarchistischen Systems, Frieden zu schließen und die Versorgung der immer größere Not leidenden Bevölkerung zu gewährleisten.

Der Verlauf der Revolution in München

Auch in München entlud sich nach über vier Jahren Krieg die angestaute Unzufriedenheit der kriegsmüden Bevölkerung über die völlig unzureichende Versorgung, den Hunger und die Unfähigkeit des alten Regimes, den Krieg zu beenden. Im ganzen Reich brodelte es, nachdem sich Ende Oktober die Matrosen der kaiserlichen Hochseeflotte in Kiel geweigert hatten, in eine militärisch sinnlose Schlacht zu ziehen. Die Meuterei breitete sich in der darauffolgenden Woche wie ein Lauffeuer aus. MSPD, USPD und Gewerkschaften riefen für den 7.11.1918 zu einer Friedensdemonstration auf der Theresienwiese auf – das Datum war nicht zufällig gewählt, es war der Jahrestag der Oktoberrevolution der Bolschewiki in Russland. Mobil gemacht hatte vor allem die USPD unter der Führung Kurt Eisners. Bis zu 60.000 Menschen beteiligten sich nach offiziellen Schätzungen an der Demonstration.

Ein eigener Demonstrationszug bewegte sich, angeführt von Felix Fechenbach, dem Sekretär Eisners, zu den Münchner Kasernen und gewann die Soldaten für die Unterstützung der Revolution: Entscheidende Machtpositionen wie der Hauptbahnhof, das Telegrafenamt und der Landtag wurden von Revolutionär*innen besetzt. Noch am Abend des 7.11.1918 konstituierte sich im Mathäser-Bräu am Stachus ein Arbeiter- und Soldatenrat, der Eisner zum Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten wählte. Dieser erklärte in der Nacht, der König sei abgesetzt und Bayern fortan ein „freier Volksstaat“ – später „Freistaat“ genannt.

Neben dem Arbeiter- und Soldatenrat konstituierte sich, bis zur angekündigten Wahl einer Nationalversammlung, der Provisorische Nationalrat. Diesem Nationalrat gehörten neben Vertreter*innen der Räte Landtagsabgeordnete der MSPD und USPD, des Bauernbundes und der Liberalen Vereinigung an, später wurde er noch um Delegierte anderer Gremien und Interessensverbände erweitert. Der Nationalrat bestätigte die erste revolutionäre Regierung, die überwiegend aus Angehörigen der MSPD und der USPD bestand, mit Eisner als erstem Ministerpräsidenten des bayerischen „Freistaates“.

Der Umbruch verlief ohne Blutvergießen, die Anhänger*innen der Monarchie leisteten keinen Widerstand. In Bayern hatten die revolutionären Kräfte gesiegt - zwei Tage bevor MSPD und USPD am 9.11. in Berlin die Regierungsverantwortung übernahmen. Der bayerische König floh noch in der Nacht, am 12.11.1918 entband er die bis dahin königlichen Beamten und Soldaten von ihrem Treueid.

Der revolutionäre Umbruch vollzog sich in ganz Bayern ohne nennenswerten Widerstand. In Städten und Kommunen mit Industrie übernahmen, wie in München, raschgebildete Arbeiter- und Soldatenräte die Macht. In ihnen dominierten Vertreter der beiden Arbeiterparteien MSPD und USPD. Die örtlichen Verwaltungen fanden sich mit dem Wechsel ab und erklärten sich zur Mitarbeit bereit, um die dringendsten Fragen, etwa die Demobilisierung und die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Lebensmitteln sicherzustellen. Auf diese Weise unterblieb ein personeller Austausch der alten Machteliten.

Demokratie und Transparenz
Die neue Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten Kurt Eisner verfolgte innenpolitisch den völligen Bruch mit der Monarchie: Trennung von Staat und Kirche, Einführung des 8-Stundentags, Koalitionsfreiheit, Abschaffung der Zensur, Einführung der parlamentarischen Demokratie mit allgemeinem, gleichem und geheimem Wahlrecht. Eine Besonderheit war, dass Eisner ein Nebeneinander von parlamentarischer Demokratie und Rätesystem, wie es in den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten zum Ausdruck gekommen war, vorschwebte. Eisner betrachtete die Räte als eine „Schule der Demokratie“ – im Gegensatz hierzu erstrebte die radikale Linke, wie in Sowjetrussland, eine alleinige Rätediktatur. Im Rätesystem soll sich, der Theorie nach, das Volk in vielen kleinen Einheiten organisieren, eigene – ständig absetzbare – Vertreter*innen (‚Räte‘) wählen, selbst die Kontrolle und Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft in die Hand nehmen und damit die kapitalistische Wirtschaftsform durch eine sozialistische ersetzen.

Auch außenpolitisch versuchte die Regierung, neue Akzente zu setzen. Um im Ausland Vertrauen zu schaffen und die tiefgreifende Wandlung des neuen Deutschland zu beweisen, publizierte Eisner – in verkürzter Form – Akten der alten kaiserlichen Regierung, die deren Schuld am Kriegsausbruch dokumentieren sollten. Mit dieser Aktion zog Eisner den Hass aller übrigen Parteien, vor allem der politischen Rechten, auf sich. Die Regierung verlor immer mehr an Zustimmung, in München selbst, vor allem aber außerhalb, insbesondere in den ländlichen Gebieten, wo die Arbeiterpartei USPD ohnehin nur wenig Anhänger*innen zählte. Die tatsächlich herrschenden Kräfteverhältnisse zeigten sich im Januar 1919, bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag sowie zur ersten Nationalversammlung, wo die USPD katastrophale Wahlniederlagen einstecken musste.

Wachsender Widerstand gegen die Regierung Eisner
Durch die Wahlniederlagen waren Ministerpräsident Eisner und seine USPD nachhaltig geschwächt. Ihr Koalitionspartner, die MSPD, sah sich dagegen gestärkt. Innenminister Erhard Auer (MSPD) entwickelte sich zu Eisners stärkstem Kontrahenten. Lieber als mit Eisner wollte er die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien suchen. Er warf Eisner vor, sich zu weit mit der radikalen Linken einzulassen. Die radikalen Linken dagegen, deren Anhang seit Dezember 1918 auch in München stetig wuchs, bekämpften Eisner, weil er ihnen als Anhänger der parlamentarischen Demokratie galt. In weiten Teilen des Bürgertums wurden die Revolution und ihre Regierung ohnehin als Ganzes abgelehnt und bekämpft, in ihren Presseorganen auch massiv verunglimpft und lächerlich gemacht. Am rechten Rand des Parteienspektrums formierten sich bereits Gruppierungen, die die Revolutions-Regierung gewaltsam bekämpfen wollten.

Als einen weiteren Affront empfanden die Regierungsgegner*innen Eisners Auftritt auf dem ersten Sozialisten-Kongress Anfang Februar 1919 in Bern. Hier hatte der bayerische Ministerpräsident auf internationaler Bühne seine Kritik an der Kriegspolitik der ehemaligen Reichsleitung und an der Unterstützung derselben durch die Mehrheitssozialdemokratie erneuert. Zugleich hatte er den Willen zur Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern betont und die Bereitschaft des republikanischen Deutschlands erklärt, am Wiederaufbau der durch den Krieg verwüsteten Gebiete in Frankreich mitzuhelfen. Die Reaktion auf seinen Auftritt in Bern war ein Sturm der Entrüstung, der auch vor verdeckten Mordaufrufen nicht halt machte. Politisch war Eisner am Ende. Auf dem Weg zum Landtag, wo er seinen Rücktritt verkünden wollte, wurde er am 21.2.1919 von Anton Graf von Arco auf Valley, einem monarchistischen und antisemitischen Studenten und Offizier, hinterrücks erschossen. Dieses Attentat führte zu einer beispiellosen Radikalisierung und Mobilisierung weiter Teile der Arbeiterschaft, an deren Ende am 7.4.1919 die Räterepublik ausgerufen wurde.

Quellen

Angermair, Elisabeth / Heusler, Andreas (Hg.): Machtwechsel : München zwischen Oktober 1918 und Juli 1919, München 2020.
Ay, Karl-Ludwig: Die Entstehung einer Revolution. Die Volksstimmung in Bayern während des Ersten Weltkrieges, Berlin 1968.
Beyer, Hans: Die Revolution in Bayern 1918/1919, Berlin (Ost) 1988.
Geyer, Martin H.: Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne. München 1914-1924, Göttingen 1998.
Grau, Bernhard: Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie, München 2001.
Höller, Ralf: Der Anfang, der ein Ende war. Die Revolution in Bayern 1918/19, Berlin 1999.
Köglmeier, Georg: Die zentralen Rätegremien in Bayern 1918/19. Legitimation - Organisation - Funktion, München 2001.
Mitchell, Allan: Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik, München 1967.


Empfohlene Zitierweise

Joachim Schröder: Revolution 1918/1919 (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/revolution-19181919-704