Josef Scheungraber (8.9.1918 München – 22.7.2015 Ottobrunn )

Biographies
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Wegen Kriegsverbrechen verurteilter Wehrmachtsoffizier, Unternehmer

Josef Scheungraber bei der Urteilsverkündung in München,11.8.1999 | Robert Haas/SZ Photo, 00487662

Scheungraber wuchs als Sohn eines Schreiners in München auf. Nach einer Schreinerlehre meldete er sich 1937 zur 1. Gebirgs-Division in Mittenwald. Im Zweiten Weltkrieg war er unter anderem in Polen, Frankreich, Russland und auf Kreta eingesetzt. 1942 nach einer Verwundung nach Italien versetzt, übernahm Scheungraber 1944 kommissarisch die 1. Kompanie des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818. Als Kompanieführer befahl er Ende Juni 1944, einen Partisanenangriff, bei dem zwei Soldaten umgekommen waren, zu rächen. Insgesamt 14 unbeteiligte italienische Zivilisten fielen der Vergeltungsaktion in Falzano di Cortona bei Arezzo zum Opfer.

Nach Kriegsende und Gefangenschaft ließ sich Scheungraber 1948 in Ottobrunn nieder, wohin der elterliche Betrieb 1943 verlagert worden war, und trat in die Schreinerei ein. 1965 erweiterte er das Unternehmen um ein Einrichtungshaus. Der angesehene Geschäftsmann wurde 1955 in den Ottobrunner Gemeinderat gewählt, in dem er bis 1972 saß. Für seine ehrenamtlichen Verdienste wurde er 2005 mit der Bürgermedaille geehrt. Ein Jahr später verurteilte ihn ein italienisches Militärgericht wegen der Mordaktion von Falzano di Cortona in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und übergab die Ermittlungsakten den deutschen Behörden.

2008 wurde in München der Prozess gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffizier eröffnet. Während des vor allem in Ottobrunn äußerst kontrovers beurteilten Gerichtsverfahrens kam es zu Solidaritätsbekundungen für den Angeklagten, aber auch zu Demonstrationen von Angehörigen der Opfer und deren Unterstützern. Das Schwurgericht beim Landgericht München I verurteilte Scheungraber 2009 wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft, ein Urteil, das auch in der Berufung ein Jahr später bestätigt und damit rechtskräftig wurde. Wegen Haftunfähigkeit musste der damals 92-Jährige die Strafe allerdings nicht antreten.

Quellen

Gentile, Carlo: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg. Italien 1943-1945, Paderborn 2012.
Justiz und NS-Verbrechen, hg. von Christiaan F. Rüter/Dick W. de Mildt, Bd. XLIX, Amsterdam 2012, S. 97 ff.

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Scheungraber, Josef (publiziert am 06.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/scheungraber-josef-741