Walter Schultze (1.1.1894 Hersbruck – 17.6.1979 Krailing/München) und die Abteilung Gesundheitswesen im Bayerischen Innenministerium

Biographies
Verfasst von Michael von Cranach

Organisator und Koordinator der Krankenmorde in Bayern

Walter Schultze (1894-1979), Aufnahme von 1943 | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, hoff-3551

Walter Schultze studierte Medizin in München, wurde 1919 Mitglied des Freikorps Epp, trat im gleichen Jahr in die DAP, 1921 in die SA ein und machte dort rasch Karriere. 1923 nahm er am Hitlerputsch teil und soll bei Hitlers Verletzung erste Hilfe geleistet haben. 1936 wurde er Mitglied der SS und 1943 zum SS-Gruppenführer beim Stab des SS-Oberabschnitts Süd ernannt. Er war von 1938 bis 1945 Mitglied des Reichstags, Honorarprofessor für ‚Volksgesundheitspflege‘ an der Münchner Universität, Reichsdozentenführer, Mitherausgeber der Zeitschrift Volk im Werden sowie 1936 Mitglied des Vorstands des Organisationskomitees der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen.

Von 1933 bis Kriegsende leitete er die Abteilung Gesundheitswesen im Bayerischen Staatsministerium des Innern, die für Bayern zuständige regionale Zentralstelle für die Organisation der ‚Euthanasie‘-Aktionen. Die Abteilung führte die Aufsicht über die Verlegung der ca. 8000 Patient*innen aus bayerischen Pflegeanstalten in Tötungsanstalten im Rahmen der ‚Aktion T4‘. Schultze war verantwortlich für die Einrichtung der drei ‚Kinderfachabteilungen‘ in den Pflegeanstalten Kaufbeuren, Ansbach und Eglfing-Haar. Mindestens 700 Kinder wurden dort mit Luminal-Gaben ermordet.

Mit einem ‚Hungererlass‘ ordnete er 1942 für die bayerischen Heil- und Pflegeanstalten die Einführung einer Hungerkost für nicht arbeitende Patient*innen an. Durch diese Maßnahme, die gezielt den Tod herbeiführen sollte, starben in Bayern ca. 14.000 Menschen.

Walter Schultze war der zentrale Organisator und Koordinator der Krankenmorde in Bayern. Er wurde zunächst 1948 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Es begann ein langes Revisionsverfahren, das schließlich wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt wurde. Er musste seine Strafe nicht antreten. 1979 starb er in Krailling bei München.



Quellen

Staatsarchiv München, Staatsanw. 19051/1; Anklageschrift München I gegen Walter Schultze Ib Js 1793/47.
Faulstich, Hans: Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949. Mit einer Topographie der NS-Psychiatrie, Freiburg im Breisgau 1998.

Empfohlene Zitierweise

Michael von Cranach: Schultze, Walter/Abteilung Gesundheitswesen (publiziert am 19.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/schultze-walterabteilung-gesundheitswesen-868