Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 1863-1933

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Verfasst von Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt

Geschichte der SPD von der Gründung bis zur Machtübernahme der Nationalsozialsiten

Die Gründung des Allgemeinem Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle im Jahr 1863 gilt als Geburtsstunde der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der ADAV kämpfte gegen die ungerechten sozialen und politischen Zustände und forderte das allgemeine Wahlrecht und Produktionsgenossenschaften. Mit Bismarcks Sozialistengesetz („Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“) wurde die damalige Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands von 1878 an für zwölf Jahre verboten. Nach der Wiederzulassung beschloss die SPD auf dem Parteitag in Erfurt 1891 ein Programm, dessen Grundlage die marxistische Theorie und dessen Ziel die Entwicklung hin zum Sozialismus war. Zugleich strebten die Sozialdemokraten praktische Reformen an.
Anhänger des ADAV schlossen sich seit Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts auf örtlicher Ebene zusammen, so auch in München. Anders, als in Nordbayern, fehlte allerdings das Proletariat als Mitgliederbasis im vorwiegend bäuerlich und kleinbürgerlich geprägten Süden. Handwerksgesellen und selbständige Meister kleiner Betriebe, aber auch Buchdrucker, Lithographen, Fotographen, Kaufleute und Verwaltungsbeamte bildeten die Basis der Münchener SPD. Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter machten zusammen mit den Gemeinde- und Staatsarbeitern im Jahr 1906 gerade einmal 3% der Mitglieder im Sozialdemokratischen Verein München aus. (Mehringer, Sozialdemokratie, S. 302) Unterstützung suchte der bayerische SPD-Vorsitzende Georg von Vollmar auch beim Bürgertum und verfolgte auf diesem Weg eine pragmatische, reformpolitisch orientierte Haltung. Erste Wahlerfolge zeigten sich in München 1884 und 1890, als Georg von Vollmar das Reichstagsmandat im Wahlkreis München II für die SPD gewinnen konnte. 1890 vertrat ein weiterer Sozialdemokrat, Georg Birk, den Wahlkreis München I im Reichstag. Birk wurde 1893 der erste sozialdemokratische Gemeindebevollmächtigte in München, 1908 zog er in den Magistrat von München ein. (Steinborn, Grundlagen, S. 43)
Im Deutschen Reich verzeichnete die SPD nach Aufhebung des 1878 erlassenen Sozialistengesetzes ab 1890 einen kontinuierlichen Aufwärtstrend, der bis zum Ersten Weltkrieg anhielt. Der „Burgfrieden“ mit den bürgerlichen Parteien, an den sich die SPD während des Krieges hielt, führte zu einer Abwendung vieler Mitglieder von der Partei und schließlich zur Abspaltung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Am 9. November wurde nach einer machtvollen Demonstration der kriegsmüden Soldaten und Arbeiterschaft in Berlin die Republik ausgerufen. Der Mehrheitssozialdemokrat Friedrich Ebert wurde Reichskanzler. Dem „Rat der Volksbeauftragten“, wie sich die von ihm geführte Revolutionsregierung nannte, gehörten je drei Personen der MSPD (Mehrheitssozialistische Partei Deutschlands) und der USPD an. In der am 19.1.1919 gewählten Nationalversammlung erhielt die MSPD 165 Mandate. Die MSPD-Abgeordneten wählten am 11.2.1919 zusammen mit den Deutschen Demokraten und dem Zentrum in Weimar Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten.
In München hatte bereits am 7.11.1918 der Münchner USPD-Vorsitzende Kurt Eisner das Heft des politischen Handelns übernommen und eine revolutionäre Erhebung ausgelöst, die zum Ende der Monarchie in Bayern führte. Am 8.11.1918 wurde im Landtag der Provisorische Nationalrat gebildet, der am gleichen Tag Kurt Eisner zum Ministerpräsidenten wählte. Der provisorischen Bayerischen Regierung gehörten zwei USPD- und vier MSPD-Mitglieder an. Die Sozialdemokratie war zur Regierungspartei geworden. Die MSPD-Mitglieder, nach wie vor reformorientiert, lehnten radikale Veränderungen ab. Das traf ebenso für die Münchner MSPD-Stadträte zu, auf deren Antrag hin ein Arbeitsausschuss gebildet wurde, um Eingriffe des Münchner Arbeiterrates in die kommunale Selbstverwaltung abzuwehren (Steinborn, S. 136).
Nach der Ermordung Eisners und dem Attentat auf Innenminister Erhard Auer im Februar 1919 wurde am 7. April die Bayerische Räterepublik ausgerufen; die Staatsregierung unter dem MSPD-Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann floh nach Bamberg und rief von dort nach dem Beistand des Reichs in der Auseinandersetzung mit der Räteregierung. Reichswehr und Freikorps schlugen die Revolution nieder. Die MSPD hatte sich in ihrem Bamberger Exil ohnmächtig gezeigt und konnte in den folgenden Jahren die bayerische Landespolitik nicht mehr entscheidend mitgestalten. Im März 1920 erhielt sie bei den Landtagswahlen nur noch 25 Sitze (gegenüber 61 Mandaten bei der Wahl 1919) und war von da an in der Opposition.
Auch im Deutschen Reich bestimmten konservative Kräfte die politische Landschaft; neben den Parteien von der Mitte bis Rechts waren das die Reichswehr und die Wirtschaftsführer. Nach den Reichstagswahlen 1920 bildete eine bürgerliche Koalition die Regierung und die Sozialdemokratie blieb bis 1928 in der Opposition. Dennoch unterstützte sie in allen Krisensituationen die Regierung und trug unpopuläre Entscheidungen mit. Arbeiter, Kleinbürgertum und Mittelständler, die unter den Wirtschaftskrisen litten, gaben die Schuld dafür den Sozialdemokraten, und wandten sich radikalen Parteien zu. Die Münchner SPD hatte mit einer abwartenden Haltung in der Zeit allgemeiner politischer Radikalisierung während der Revolution die Basis in der Linken verloren. MSPD und USPD hatten bei der Stadtratswahl 1919 zusammen 26 von insgesamt 50 Sitzen gewonnen, 1924 erhielt die (wiedervereinigte) SPD noch 13 Sitze, die KPD, die sich erstmals an einer Wahl beteiligte, fünf Sitze. 1929 wurde die SPD mit 17 Mandaten zwar stärkste Fraktion im Münchner Stadtrat, für eine langfristige Politikgestaltung fehlten der SPD jedoch zuverlässige Koalitionspartner.
Bei der Kommunalwahl 1929 kamen erstmals acht Vertreter der NSDAP, enge Vertraute Hitlers, in den Münchner Stadtrat. Mit ihren Auftritten provozierten sie, unterstützt von ihren Anhängern auf der Galerie, Tumulte im Ratssaal. In dieser schwierigen Situation taten sich die Fraktionen der Bayerischen Volkspartei und der SPD bei den Etatberatungen zusammen, um Eingriffe von außen in die Stadtpolitik zu verhindern, z.B. die Einsetzung eines Staatskommissars.
Gewinner der Reichstagswahl von 1930 waren antidemokratische Parteien, sie nahmen 39% der Abgeordnetensitze ein. Die SPD entschloss sich in dieser Situation, das Kabinett Brüning samt Notverordnungen als „das kleinere Übel“ zu tolerieren und bei der Wahl des Reichspräsidenten Hindenburg zu unterstützen, um Hitler zu verhindern. Am Gewaltmonopol des Staates hielten die Sozialdemokraten fest: sie vertrauten darauf, dass er mit seinen Machtmitteln einen Putsch der Nationalsozialisten verhindern würde. Das war ein gefährlicher Irrtum: am 30.1.1933 übertrug Hindenburg die Macht an Hitler als Reichskanzler. Die Verfolgung der Sozialdemokrat*innen begann unmittelbar danach. Dennoch stimmten die nach der Verhaftung ihrer Kolleg*innen noch verblieben 94 Mitglieder der SPD-Reichstagsfraktion am 23.3.1933 namentlich gegen das Ermächtigungsgesetz. Der Parteivorstand emigrierte nach Prag und versuchte von dort aus, Widerstandsaktionen zu organisieren. Am 14.7.1933 erging das offizielle Verbot der SPD als Partei, nachdem schon im Juni 1933 jede Betätigung verboten worden war.
In Bayern erfolgte am 9. März durch den Reichsinnenminister die Übertragung der Regierungsgewalt an Franz von Epp als Reichskommissar. Am 16.3.1933 trat die Bayerische Staatsregierung zurück, am 20.3.1933 der Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl. Am 3.4.1933 wurde der Münchner Stadtrat aufgelöst und gemäß dem Ergebnis der Reichstagswahl neu eingesetzt. Die SPD hatten noch zehn Mandate. Am 26.4.1933 machte die NSDAP-Fraktion im Stadtrat den Vorschlag, Adolf Hitler und Franz von Epp zu Münchner Ehrenbürgern zu ernennen, was die SPD-Fraktion zum demonstrativen Auszug aus dem Sitzungssaal veranlasste. Zwei ehemalige SPD-Stadträte bekannten sich allerdings zum „neuen nationalen und sozialistischen Staat“ und traten aus der Fraktion aus (Steinborn S. 538). Am 9.5.1933, als die Ernennung der neuen Ehrenbürger vollzogen werden sollte, prügelten die Nationalsozialisten die SPD-Stadträte aus dem Sitzungssaal. Eine Woche später forderte der NSDAP-Bürgermeister Fiehler die verbliebenen SPD-Stadträte auf, ihr Mandat niederzulegen. Zwei entsprachen dieser Aufforderung, die übrigen, die auf einer Einladung gemäß der Gemeindeordnung bestanden hatten, waren bei Beginn der nächsten Stadtratssitzung bereits in „Schutzhaft“ im KZ Dachau. Die Verfolgung der Sozialdemokrat*innen setzte unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ein. Am 9.3.1933, dem Tag der Machtübernahme, erstürmte die SA das Münchner Gewerkschaftshaus und die Redaktionsräume und Druckerei der „Münchener Post“. Die Besatzer verwüsteten die Büros, raubten die Kassen aus, bedrohten die anwesenden Gewerkschafts- und SPD-Mitglieder und richteten in den Kellerräumen des Gewerkschaftshauses ein „Wildes KZ“ ein.
Am 10.3.1933 erließ der Staatskommissar für das Bayerische Staatsministerium des Innern, Adolf Wagner, ein Verbot für die sozialdemokratischen Schutzorganisationen Reichsbanner und Eiserne Front sowie für die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ). Mitglieder des Reichsbanners, die im Münchner Arbeitsamt beschäftigt waren, wurden am 11.3.1933 verhaftet. Zum ersten Mal trat hier ein SA-Trupp in polizeilicher Funktion gemeinsam mit einer Hundertschaft der Landespolizei und Beamten der Politischen Polizei auf. Die SA trieb die Verhafteten durch die Straßen Münchens vom Arbeitsamt zum Gefängnis der Polizeidirektion in der Ettstraße. Am 16.3.1933 wurden die führenden Mitglieder der sozialdemokratischen Jugendorganisation SAJ verhaftet und am 22.05.1933 sämtliche SPD-Stadträte und ihre Ersatzleute in Schutzhaft genommen. Die meisten kamen noch am gleichen Tag aus der Haft in der Polizeidirektion in das KZ Dachau.
Am 30.6.1933 holte die Bayerische Politische Polizei (BPP) zum endgültigen Schlag gegen die Sozialdemokratie aus. In einem Eil- und Geheimvermerk der BPP vom 28.6.1933 heißt es: „Am 30. Juni 1933 früh 7 Uhr sind sämtliche sozialdemokratischen Reichs- und Landtagsabgeordneten in Bayern, alle Kreis-und Bezirkstagsvertreter und Stadträte der SPD[…], sowie alle diejenigen SPD-Funktionäre in Schutzhaft zu nehmen, die in der Partei oder im Reichsbanner eine führende Stellung eingenommen haben.“ (Staatsarchiv München, LRA 58083) Die Festgenommenen wurden in das Konzentrationslager Dachau überstellt.
Nach dem reichsweiten Verbot der SPD am 22.6.1933 war damit die Existenz der SPD als Partei auch personell beendet. Kleine Gruppen im Umfeld der Partei, die zum sozialdemokratischen Milieu gehörten (Arbeiter-Turn- und Sportvereine, Gesangvereine, die „Naturfreunde“, die „Kinderfreunde“), planten Widerstandsaktionen, die zum Teil auch durchgeführt werden konnten. Bis zum Frühjahr 1935 waren die meisten Widerstandsgruppen von der BPP enttarnt. Ihre Mitglieder wurden angeklagt, zu Haftstrafen verurteilt und nach dem Ende der Gefängnisstrafe zumeist im KZ Dachau weiter gefangen gehalten. Bis in die späten 1930-er Jahre konnten lediglich die Münchner Gruppen des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) und der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) im Untergrund weiterarbeiten, die Revolutionären Sozialisten sogar noch bis 1942.

Quellen

Mehringer, Hartmut: Die Bayerische Sozialdemokratie bis zum Ende des NS-Regimes. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand, in: Broszat, Martin/Mehringer, Hartmut (Hg.): Bayern in der NS-Zeit 5. Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand. Die Bayerische Sozialdemokratie bis zum Ende des NS-Regimes, München/Wien 1983.
Steinborn, Peter: Grundlagen und Grundzüge Münchener Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik. Zur Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt im 20. Jahrhundert, München 1968.

Empfohlene Zitierweise

Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt: SPD (publiziert am 12.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/spd-787