Franz Sperr (12.2.1878 Karlstadt/Main – 23.1.1945 Gefängnis Berlin-Plötzensee)

Biographies
Verfasst von Angela Hermann

Zentraler Akteur eines regimekritischen Netzwerks bayerischer Eliten

Franz Sperr (1878-1945) | Detjen, ›Zum Staatsfeind ernannt ...‹, 1998

Der in Unterfranken geborene Sohn eines Eisenbahn-Ingenieurs trat nach dem Abitur 1897 in die Bayerische Armee ein. Im Rang eines Majors gehörte er während des Ersten Weltkriegs dem Bayerischen Generalstab an. Im Oktober 1918 wurde er zur Dienststelle des Bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin versetzt. Im Sommer 1919 wechselte er als Leiter an die Bayerische Gesandtschaft beim Deutschen Reich in Berlin. Sperr setzte sich als bayerischer Vertreter für das föderalistische Prinzip und damit gegen die Zentralisierungsbestrebungen der NSDAP ein. Durch die zentralistischen Maßnahmen der NS-Regierung ab 1933 wurden die Gesandtschaften der Länder aufgehoben. Franz Sperr legte sein Gesandtenamt im Juni 1934 nieder und ließ sich in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Fortan war er als Unternehmer tätig.

Franz Sperr gilt als Zentrum einer etwa 26-köpfigen, überwiegend konservativ-monarchistisch orientierten Gruppe bayerischer Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Militär, die sich in ihrer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus einig waren und während des Zweiten Weltkrieges Handlungsmöglichkeiten überlegten, die zum Ziel hatten, chaotische Zustände beim erwarteten Zusammenbruch des NS-Regimes zu verhindern. Zu dem sogenannten Sperr-Kreis zählten auch die früheren Reichsminister Otto Geßler (DDP), Eduard Hamm (DDP) und Anton Fehr (Bayerischer Bauernbund - BBB).
Franz Sperr bemühte sich um Kontakte zu anderen regimekritischen Gruppen und Personen wie Helmuth James Graf von Moltke, Pater Alfred Delp und weiteren Angehörigen des Kreisauer Kreises. Im Oktober 1943 kam es zu einer Begegnung mit dem ehemaligen Generalstabschef des Heeres, Franz Halder. Hierbei erläuterte Sperr offenbar seine Vorstellung, dass nach einer Invasion der Alliierten im Westen, spätestens aber bei deren Erreichen des Rheins, „die Zeit gekommen wäre, die Nazi-Herrschaft zu beseitigen“ (zit. nach Becker, Sperr).

Zum Verhängnis wurde Sperr ein Treffen mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg am 6.7.1944 in Bamberg, bei dem der Oberst von seinen Attentatsplänen erzählte. Obgleich Sperr Stauffenberg signalisiert hatte, hierbei nicht mitwirken zu wollen, entging der ehemalige Gesandte nach dem Bombenattentat in der Wolfsschanze am 20.7.1944 nicht der Verfolgung durch die Gestapo. Sperr, seine Frau, Geßler, Fehr, Hamm und weitere Mitglieder des Sperr-Kreises wurden zwischen dem 22.7. und dem 5.9.1944 verhaftet. Der Volksgerichtshof unter Richter Roland Freisler warf Sperr vor, die Attentatspläne Stauffenbergs nicht gemeldet zu haben und verurteilte Sperr zum Tod durch den Strang. Das Urteil wurde am 23.1.1945 in Berlin-Plötzensee vollstreckt.

Quellen

Becker, Winfried: Franz Sperr (1878 – 1945), in: Aretz, Jürgen/ Morsey, Rudolf / Rauscher, Anton (Hg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 11, Münster 2004, S. 92-106.
Fröhlich, Elke: Sperr als Offizier und Gesandter, in: Rumschöttel, Hermann / Ziegler, Walter (Hg.): Franz Sperr und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Bayern, München 2001, S. 51-82.
Limbach, Manuel: Eduard Hamm. Ein liberaler Repräsentant der Weimarer Republik im Widerstand gegen den Nationalsozialismus (unveröffentlichte Magisterarbeit der Universität Bonn, ca. 2010).
Limbach, Manuel: Ein Weimarer Liberaler im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 23 (2011), S. 241-255.
Möller, Horst: Franz Sperr. Vom bayerischen Bevollmächtigten beim Reich zum Widerstand gegen Hitler, in: Stokłosa, Katarzyna / Strübind, Andrea (Hg.): Glaube - Freiheit - Diktatur in Europa und den USA, Göttingen 2007, S. 705-714.
Rumschöttel, Hermann / Ziegler, Walter (Hg.): Franz Sperr und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Bayern, München 2001.

Empfohlene Zitierweise

Angela Hermann: Sperr, Franz (publiziert am 21.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/sperr-franz-788