Karl Stahl (14.9.1882 Sommerhausen – 12.10.1944 KZ Auschwitz)

Biographies
Verfasst von Ilse Macek

Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden in der Verfolgungszeit, Opfer der Shoah

Karl Stahl (1882-1944) | Stadtarchiv München

Karl Stahl wurde als Sohn des Eisenwarenhändlers Elias Behr Stahl und Babette Kahn in Sommerhausen in Unterfranken geboren, wo die Familie bereits lange ansässig war. Nach der Oberrealschule in Würzburg absolvierte er die Industrieschule in Nürnberg, studierte von 1900 bis 1904 an der Technischen Hochschule in München und schloss mit dem Ingenieursdiplom in Maschinenbau ab.

Seine berufliche Karriere begann er als Dozent an der Technischen Hochschule Aachen; sie mündete in eine leitende Stelle bei der DEMAG (Deutsche Maschinenbaugesellschaft) in Duisburg. 1913 heiratete er in München die aus Tauberbischofsheim stammende Luise Klau. Ab 1914 nahm er als Hauptmann des Ingenieurskorps und Kommandeur des Ersten Bayerischen Eisenbahnbataillons am Weltkrieg teil. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse. 1915 zog er nach München; zusammen mit seiner Frau wohnte er über 20 Jahre in Schwabing.

Nach dem Ersten Weltkrieg wechselte Karl Stahl in den Weingroßhandel und wurde Direktor der Vereinigten Keltereien AG. 1937 übernahm er eine große Weinkellerei mit neun Angestellten in der Preysingstraße. Infolge des Gewerbeverbotes für Juden*Jüdinnen wurde diese Firma im Dezember 1938 rückwirkend zum 1.10.1938 abgemeldet.

Karl Stahl war Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Ortsgruppe München des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten sowie Ausschussmitglied und Präsident der 1897 gegründeten München-Loge des B’nai B’rith, einer weltweit wirkenden karitativen und humanitären jüdischen Vereinigung. Er war Vorsitzender des gemeindlichen Sonderausschusses des jüdischen Lehrlingsheims und der Lehrwerkstätten.

Seit 1938 im Vorstand der Gemeinde, war er ab 1941 Nachfolger des emigrierten Alfred Neumeyer als Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden. Dem Verband war bereits 1939 der öffentlich-rechtliche Status entzogen worden, die Selbstverwaltung war im Zwangsverband Reichsvereinigung der Juden in Deutschland aufgegangen. Als Vorsitzender des Verbands musste er an der Auflösung der jüdischen Gemeinden in Bayern mitwirken und die Listen der zu deportierenden Gemeindemitglieder anfertigen, bis auch er und seine Frau am 17.6.1942 nach Theresienstadt gebracht wurden. Dort war Karl Stahl ab Oktober 1942 Mitglied im Ältestenrat.

Am 12.10.1944 wurde er im Alter von 60 Jahren mit seiner acht Jahre jüngeren Frau Luise nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Das gleiche Schicksal erlitt sein Bruder Lazarus; sein Bruder David war 1918 als Soldat für Deutschland gefallen; sein Bruder Justin konnte 1938 in die USA emigrieren. Der 1918 geborene Sohn Werner Richard konnte bereits 1936 nach New York emigrieren, wo er im April 1976 verstarb. 

Quellen

Stadt München, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945, https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=623 (zuletzt aufgerufen am 30.1.2024).
Ophir, Baruch Z. / Wiesemann, Falk: Geschichte und Zerstörung der jüdischen Gemeinde in München 1918 – 1945, in: Hans Lamm (Hg.): Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München, München 1982, S. 484.

Empfohlene Zitierweise

Ilse Macek: Stahl, Karl (publiziert am 21.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=794&cHash=9384985d95bf7852c23856f698aa8866