Technische Hochschule München (THM)

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Verfasst von Elisabeth Kraus

Anfang der 1930er-Jahre Hochburg nationalsozialistischer Studierender

Rektor Lutz Pistor (am Rednerpult) und Professoren der Technischen Hochschule München der beim Dies academicus im großen Physikhörsaal, 1940 (Propagandafoto) | TUM. Archiv der Technischen Universität München

Die seit 1877 so genannte Technische Hochschule München (THM) ging aus der neun Jahre zuvor von König Ludwig II. gegründeten Polytechnischen Schule hervor und war mit durchschnittlich etwa 2800 Studierenden zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch vor der TH Berlin-Charlottenburg die größte ihrer Art in Deutschland. Noch mehr als die allgemeinen Universitäten wurden die Technischen Hochschulen lange Jahre von Männern dominiert. Erstmals 1941 nahm die THM eine Frau in ihren Lehrkörper auf, die dann 1946 auch die erste Professorin an der Hochschule wurde. Unter den Studierenden lag der Frauenanteil Anfang der 1930er-Jahre um die drei Prozent.

Wie die Universität München war auch die THM Schauplatz der politischen Richtungskämpfe nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere gegen Ende der Weimarer Republik. So gab es unter den 14 im Gefolge des Hitlerputsches vom November 1923 Getöteten auch einen Studenten und einen Mitarbeiter der TH. Hitler-Sympathisanten fanden sich vielfach auch im Lehrkörper, wie etwa der Historiker Richard Graf du Moulin-Eckart oder der Elektrotechniker Kurt Heinke. Zudem stellte bereits im Wintersemester 1930/31 der NS-Studentenbund, der schon zwei Jahre zuvor einen Numerus Clausus für jüdische Studierende gefordert und auch durchgesetzt hatte, erstmals die stärkste Fraktion im AStA der THM, womit ihm dort noch vor der allgemein-politischen die hochschulpolitische ‚Machtergreifung‘ gelungen war. Überdies duldete und begrüßte THM-Rektor Johann Ossanna nationalistisch-völkische Agitationen in Vorträgen und Feierlichkeiten, untersagte dagegen etwa republikfreundlichen Studierenden Anfang 1930 die Vorführung eines Films über Gewerkschaftsarbeit. Obwohl es vor 1933 bei insgesamt 138 Hochschullehrern nur fünf NSDAP-Mitglieder gab, war die große Mehrheit der parteipolitisch organisierten Professoren „im konservativen oder rechten Spektrum beheimatet“ (Pabst, S. 227), während ein linkes Gegengewicht vollkommen fehlte.

Nach der Machtergreifung wurden in Vollzug des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums sieben Professoren als ‚Nicht-Arier‘ (Paul Busching, Arthur Cohen, Robert Emden, Heinrich Frankenburger, Leopold Jordan, Heinrich Rheinstrom, Guido Zerkowitz) und vier weitere aus politischen Gründen (Anton Fehr, Hans Raum, Karl Sachs, Kurt Trautwein) entlassen. Einsprüche oder Solidaritätsaktionen seitens der Hochschullehrerschaft blieben aus. Der Architekturprofessor Robert Vorhoelzer wurde nicht wegen politischer Unzuverlässigkeit, sondern wegen seiner als ‚Kunstbolschewismus‘ bezeichneten, „unkünstlerischen und undeutschen Bauart“ (zit. nach Pabst, Bd. 1, S. 254) zum 1.8.1935 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der Lehrauftrag für Plastik, den der Bildhauer Karl Knappe seit 1930 besaß, wurde dem als politisch unzuverlässig Bezeichneten zum Herbst 1933 gekündigt. Die ohnehin nur ganz wenigen NS-kritischen Professoren wie Christian Prinz (Maschinenwesen) bildeten die Zielscheibe militanter Kampagnen der TH-Studentenschaft, die noch radikaler im nationalsozialistischen Geist agitierte als ihr Pendant an der Universität München. Prinz erkrankte unter dem zunehmenden Verfolgungsdruck und verstarb noch 1933. Der Bauingenieur Heinrich Spangenberg wurde 1935 wegen regimekritischer Äußerungen entlassen und beging 1936 unter dem Eindruck eines gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens Selbstmord. 1937 mussten zwei Professoren, deren Ehefrauen jüdischer Herkunft waren, die THM verlassen.

Der erste ‚Führerrektor‘ der THM, Anton Schwaiger, war zwar zuverlässiger NS-Anhänger, galt dem Kultusministerium und der Partei jedoch bald als zu milde und zu wenig energisch. Mit dem 1935 ernannten Chemiker Albert W. Schmidt und seinem Nachfolger, dem Bauingenieur Lutz Pistor (November 1938 bis 1945), übernahmen ebenso überzeugte Nationalsozialisten wie ehrgeizige Hochschullehrer das Rektorat, die das Ziel verfolgten, die THM in eine nationalsozialistische Musterhochschule zu verwandeln. Pistor eröffnete in rascher Folge etliche neue Institute, die beträchtliche staatliche Gelder einwarben. Zudem initiierte und betrieb er erfolgreich eine frühe ‚Alumni-Politik‘, indem er prominente ehemalige Studenten bzw. Absolventen der THM, wie etwa Fritz Todt oder Hans Frank, in das Hochschulleben einbezog.

Wie an den anderen Universitäten und Hochschulen kam es auch an der THM mehrfach zu politisch motivierten Berufungen, allerdings wurden auch diverse Nicht-Parteimitglieder, die sich durch ihre wissenschaftliche Leistung auszeichneten, auf Professuren und Lehrstühle berufen. Zwar waren die allgemeinbildenden Lehrangebote nicht konsequent von der NS-Ideologie durchdrungen, wohl aber einzelne, an der THM gelehrte Fächer wie insbesondere die Agrarwissenschaft. Etliche Vorlesungen untermauerten die ‚Blut-und-Boden‘- Ideologie ebenso wie die Rasse- und Siedlungspolitik der Nationalsozialisten, und auch die Hochschullehrer brachten dem NS-Staat viel Sympathie entgegen. Im Gefolge des Vierjahresplans flossen enorme Summen nicht mehr nur in die Straßenbau- und in die Luftfahrtforschung, sondern auch in die Forschung zu Mineralölen und Treibstoffen sowie zur Metallkunde. Auch Industrieverbände und Industrieunternehmen, etwa aus der Baubranche, der Elektro- und der Automobilindustrie (Siemens bzw. BMW) und Industrieverbände spendeten eifrig und üppig für die entsprechenden Fächer und Forschungseinrichtungen der THM.

Vielfache Aufstiegsmöglichkeiten boten sich THM-Absolventen im Unterdrückungsapparat des Regimes: Einige von ihnen machten in der SS Karriere, der ehemalige Landwirtschaftsstudent Heinrich Himmler etwa als deren Reichsführer, oder wurden Kommandanten von Konzentrationslagern, wie etwa der Diplom-Landwirt und erste Kommandant des KZ Dachau, Hilmar Wäckerle. Andere arbeiteten in leitender Funktion in den von der SS geführten Forschungs- und Versuchsanstalten und wirkten, wie z.B der Bauingenieur Xaver Dorsch, in der ‚Organisation Todt‘, u.a. bei ihrer kriegsmäßigen Führung oder der militärischen Disziplinierung der Arbeiter*innen. Offenen Widerstand gegen das System gab es an der THM im Unterschied zu ihrer Schwesteruniversität am Ort nicht, punktuelle Kritik Einzelner oder eine tolerante Atmosphäre wie am Institut für Organische Chemie von Nobelpreisträger Hans Fischer, gelegentlich allerdings durchaus.

Mit Beginn des Krieges stieg die Bedeutung der THM für das Regime, die Kriegswirtschaft und die Wehrwissenschaften sprunghaft an und wuchs in dessen Verlauf noch weiter. Im Gegensatz zu den allermeisten deutschen Hochschulen blieb die THM durchgehend geöffnet. Viele Institute waren als ‚kriegswichtig‘ anerkannt, die Hochschule wurde als ‚Kriegsmusterbetrieb‘ ausgezeichnet und als ‚Spezialbetrieb‘ des Oberkommandos der Wehrmacht eingestuft. 26 Institute führten als Rüstungsbetriebe geheime und dringliche Forschungen für Ministerien, Wehrmacht und SS durch, weshalb sich unter den im Rahmen der ‚Aktion Osenberg‘ 1944 von der Kriegs- an die Forschungsfront zurückgeschickten Wissenschaftler auch Mitarbeiter der THM befanden.

Nach Kriegsende ging, wie an den anderen bayerischen Hochschulen, auch bei der schwer bombengeschädigten THM die Entnazifizierung von den amerikanischen Besatzungsbehörden aus. Ein ‚Reinigungsausschuss‘ sollte das Lehrpersonal, ein ‚Immatrikulationsausschuss‘ die Studienanfänger*innen überprüfen. Dabei wurden von 119 Professoren und Dozenten im Wintersemester 1945/46 73 entlassen, 31 davon allerdings bis 1953 wieder eingestellt. Zwar kamen für eine Rückkehr an die Hochschule nur ‚Mitläufer‘ und ‚Entlastete‘ in Frage. Ohnehin aber waren fast alle der entlassenen THM-Dozenten, von denen etliche zwischenzeitlich am Oskar-von-Miller-Polytechnikum oder an der Akademie für Bautechnik arbeiteten, und selbst aktive Nationalsozialisten wie etwa Lutz Pistor, über kurz oder lang als ‚Mitläufer‘ eingestuft worden. Insgesamt wurde somit die THM nach dem Zweiten Weltkrieg „unter Mitarbeit von geläuterten ‚Mitläufern‘ aufgebaut“ (Pabst, Bd. 1, S.  364). Drei ihrer Rektoren im Zeitraum 1950-1970 waren frühere NSDAP-Mitglieder.

Quellen

Herrmann, Wolfgang A. (Hg.): Technische Universität München. Die Geschichte eines Wissenschaftsunternehmens, Verfasser: Martin Pabst und Margot Fuchs, 2 Bde, München 2006.
Nerdinger, Winfried/Herrmann, Wolfgang A./Eichmüller, Andreas (Hg.): Die Technische Hochschule München im Nationalsozialismus, München 2018.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Technische Hochschule München (publiziert am 15.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/technische-hochschule-muenchen-830