Universitätsfrauenklinik

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Verfasst von Elisabeth Kraus

Angesehene universitäre Lehr- und Ausbildungsstätte mit stationärer Versorgung; in der NS-Zeit Ort zahlloser Zwangssterilisierungen und Zwangsabtreibungen

Der Neubau der Königlichen Universitätsfrauenklinik und Hebammenschule wurde 1916 in die Medizinische Fakultät der Universität München übernommen und in der Maistrasse 11 eröffnet. Unter der Leitung von Alfred Döderlein (1907-1934), der den Klinikneubau durchgesetzt hatte, entwickelte sich die Universitätsfrauenklinik zu einer bevorzugten Ausbildungsstätte mit hoher internationaler Reputation. Vor allem die Modernisierung der veralteten Röntgenabteilung machte sie zu einem wichtigen Zentrum auf dem Gebiet der Strahlentherapie gynäkologischer Karzinome.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde in dieser Klinik das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) vom 14.7.1933 vielfach umgesetzt. Dabei handelte es sich um das erste rassenhygienische Gesetz des NS-Regimes, das die Zwangssterilisation von Menschen, die als „erblich minderwertig“ angesehen wurden, legitimierte. Ab 1934 wurden in der Universitätsfrauenklinik unter dem neuen Direktor Heinrich Eymer mehr als 1.300 Frauen zwangssterilisiert. Dabei wurden 438 Frauen aufgrund der Diagnose “angeborener Schwachsinn“, etliche Frauen mit den Diagnosen Schizophrenie, manisch-depressives Irresein oder Epilepsie, einige auch wegen körperlicher Missbildungen gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht. Bei 368 Frauen geschah dies „ohne irgendeine aus den Akten ersichtliche Diagnose“ (Horban, S. 43). Zur Anwendung kamen traditionelle chirurgische Eingriffe, aber auch zeitgenössisch moderne Verfahren wie etwa Radiumeinlagen oder Röntgenstrahlen. Außerhalb dieses gesetzlichen Rahmens gab es noch etliche andere Zwangsterilisationen, etwa an Frauen aus der Gruppe der Sinti und Roma oder an Zwangsarbeiterinnen.

Die Universitätsfrauenklinik blieb im Zweiten Weltkrieg von Bombardierungen weitgehend verschont und war daher in der unmittelbaren Nachkriegszeit Ausweichstandort für andere Kliniken. Sie wurde 1956 wieder zur reinen Frauenklinik. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts ließ die Klinik die noch lebenden, zwangssterilisierten Frauen ausfindig machen und ihnen eine offizielle Entschuldigung übermitteln. Auf Wunsch wurde eine ärztliche Bescheinigung über die in der Klinik nach dem GvVeN erfolgte Zwangssterilisation ausgestellt, mit der die Frauen bei der Oberfinanzdirektion München eine Entschädigung in Form einer sog. Härteleistung beantragen konnten.

Quellen

Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihren Fakultäten. Erster Band, Berlin 1972, S. 252-259.
Heusler, Andreas: Universitätsfrauenklinik, in: Nerdinger, Winfried (Hg.): Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München, München 2006, S. 152.
Horban, Corinna: Gynäkologie und Nationalsozialismus: Die zwangssterilisierten, ehemaligen Patientinnen der I. Universitätsfrauenklinik heute – eine späte Entschuldigung, München 1999.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Universitätsfrauenklinik (publiziert am 26.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/universitaetsfrauenklinik-850