Wehrsportgruppe Hoffmann

Organizations
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Militanter rechtsextremistischer Kampfverband, 1980 verboten

Karl-Heinz Hoffmann (vorne) bei einer Übung seiner rechtsextremistischen Wehrsportgruppe, 25.02.1981 | SZ Photo, 00100957

Nachdem die extreme Rechte mit dem Niedergang der NPD um 1970 auf parlamentarischer Ebene gescheitert war, sammelte und radikalisierte sich die rechtsextreme Szene in außerparlamentarischen Gruppierungen. Seit Anfang der 1970er-Jahre entstanden zunehmend gewaltbereite neonazistische und rechtsterroristische Zusammenschlüsse.

Die ‚Wehrsportgruppe Hoffmann‘ (WSG Hoffmann) war mit rund 400 Mitgliedern die größte und für die rechtsextreme Szene bedeutendste unter den damals in der Bundesrepublik entstandenen militanten Vereinigungen. Der Gründer Karl-Heinz Hoffmann (geb. 1937 in Nürnberg), Grafiker und Inhaber einer Werbeagentur in Nürnberg, begann 1973, einen Kampfverband aufzubauen, der sich aus Spenden finanzierte. Er sah sich und seine meist neonazistischen Anhänger als Teil einer ‚revolutionären‘ Bewegung von rechts und propagierte einen neuen deutschen ‚Führerstaat‘. Demokratiefeindlichkeit, Militarismus, Führerkult und übersteigerter Nationalismus gehörten ebenso zum ideologischen Arsenal der WSG Hoffmann und ihrer Ableger wie Antisemitismus, Antiamerikanismus und Antikommunismus.

Zahlreiche Querverbindungen bestanden zu weiteren rechtsextremen Organisationen wie der NPD, der ‚Wiking-Jugend‘, dem ‚Hochschulring Tübinger Studenten‘ oder zu Gerhard Frey und dessen ‚Deutscher Volksunion‘ (DVU), auf deren Veranstaltungen die WSG Hoffmann auch als Saalschutztruppe diente. Am 30.1.1980 wurde die WSG Hoffmann durch den Bundesinnenminister als verfassungsfeindlich verboten. Die bayerische Regierung hatte noch im Jahr zuvor „Wehrsportübungen“ als harmlos und nicht strafbar bezeichnet. Doch am 26.9.1980 verübte der Student Gundolf Köhler aus dem Umkreis der WSG auf dem Münchner Oktoberfest das bislang schwerste rechtsextremistische Attentat in der Bundesrepublik, bei dem 13 Menschen starben und 211 zum Teil schwer verletzt wurden. Offiziell galt Köhler als Einzeltäter. Kritiker bemängelten, dass seine Verbindungen zum organisierten Rechtsterrorismus nicht konsequent verfolgt worden seien. Aufgrund neuer Zeugenaussagen nahm der Generalbundesanwalt im Dezember 2014 die Ermittlungen wieder auf.

Am 19.12.1980 ermordete das WSG-Mitglied Uwe Behrendt (1952–1981) den Verleger Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in Erlangen. Lewin, ehemaliger Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, hatte sich wiederholt öffentlich gegen Rechtsextremismus und Neonazismus gewandt. Der mutmaßliche Mörder entkam in den Libanon zur dort von Hoffmann aufgebauten ‚Wehrsportgruppe Ausland‘, die mit der palästinensischen ‚Al Fatah‘ zusammenarbeitete. Dem Fluchthelfer Hoffmann konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. 1986 wurde Hoffmann unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes im Zusammenhang mit der WSG Ausland zu neuneinhalb Jahren Gefängnis unter Anrechnung der mehrjährigen Untersuchungshaft verurteilt. Nach seiner Entlassung 1989 war er im Bau- und Sanierungsgewerbe tätig. Er pflegt bis heute Kontakte ins rechtsextremistische Lager und tritt mit einschlägigen Vorträgen und Publikationen an die Öffentlichkeit.

Quellen

Botsch, Gideon: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute, Darmstadt 2012.
Chaussy, Ulrich: Das Oktoberfest-Attentat und der Doppelmord von Erlangen: Wie Rechtsterrorismus und Antisemitismus seit 1980 verdrängt werden 3. Auflage, Berlin 2020.
,Fromm, Rainer: Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Darstellung, Analyse und Einordnung. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen und europäischen Rechtsextremismus, Frankfurt a.M. 1998.
Jensen, Uffa: Ein antisemitischer Doppelmord: Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik, Berlin 2022.
Virchow, Fabian: Levin/Poeschke-Mord (1980), in: Benz, Wolfgang (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 4: Ereignisse, Dekrete, Kontroversen, Berlin 2011, S. 232f.



Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Wehrsportgruppe Hoffmann (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/wehrsportgruppe-hoffmann-876