Heinrich Wieland (4.6.1877 Pforzheim – 5.8.1957 München)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Chemiker und Nobelpreisträger

Heinrich Wieland (1877-1957) | Nerdinger (Hg.), Ort und Erinnerung, 2006

Nach Chemie-Studium, Promotion 1901 und Habilitation 1904 an der Universität München war Wieland als Berater der chemisch-pharmazeutischen Firma C. H. Boehringer Sohn/Ingelheim tätig. 1917/18 arbeitete er am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin, wo er u.a. zu Kampfstoffen forschte, die auch an der Front eingesetzt wurden. 1925 kehrte er auf den Lehrstuhl für Chemie an die Universität München zurück und leitete von da an bis 1952 das Chemische Staatslaboratorium der LMU. 1927 erhielt er den Nobelpreis für Chemie.

Obgleich Wieland in der NS-Zeit nie öffentlich gegen das Regime auftrat, beschäftigte er, nicht zuletzt durch sein internationales Ansehen geschützt, in seinem Universitätsinstitut aus rassistischen Gründen verfolgte Kollegen als „Privatassistenten“, meist bei seinen als „kriegswichtig“ deklarierten Forschungsaufträgen. Mehr als zwei Dutzend aus ebenfalls rassistischen oder aber aus politischen Motiven verfolgten Studierenden gewährte er einen Schutzraum und nahm auch nicht regulär immatrikulierte „Mischlinge“, etwa Hildegard (Hamm-)Brücher, als seine persönlichen „Gäste“ am Institut auf. Sie wurden von ihm geprüft, und er versprach, ihre Studienleistungen nach Kriegsende zu „legalisieren“.

Unter seinen Studierenden befand sich auch Hans Leipelt, dem Wieland nach dessen Verhaftung als Entlastungszeuge vor dem Volksgerichtshof in Donauwörth beistand. Auch damit bewies Wieland, im Gegensatz zu den allermeisten Hochschullehrern, Integrität, Zivilcourage und Anstand. Mit zahlreichen hohen wissenschaftlichen und staatlichen Ehrungen ausgezeichnet, lebte er bis zu seinem Tod in Starnberg.

Quellen

Vaupel, Elisabeth: Nützliche Netzwerke und „kriegswichtige“ Forschungsprojekte: Die Handlungsspielräume des Chemie-Nobelpreisträgers Heinrich Wieland (1877-1957) im Dritten Reich, in: Kraus, Elisabeth (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil II, München 2008, S. 331-380.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Wieland, Heinrich (publiziert am 05.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/wieland-heinrich-887