Über die Ausstellung
‚Alltagskultur“ des Hasses‘
Antisemitische und rassistische Aufkleber gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Wer sie im privaten Rahmen sammelt oder teilt, vergewissert sich seines Weltbilds und Milieus. Im öffentlichen Raum hingegen dienen die Klebezettel als Vehikel, um die rechtsextremistische Gesinnung in den Alltag und in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren.
Aufkleber wirken suggestiv, sie sind flexibel einsetzbar und haben die Aura des ‚Authentischen‘. Als analoge Kommunikationsmittel funktionieren sie ähnlich wie die heute auf Facebook geposteten oder über andere Soziale Medien verbreiteten Kommentare: Einfache Botschaften werden massenhaft verbreitet und erhalten eine hohe Alltagspräsenz. Rechtsextreme und Rechtspopulisten erzeugen mit ihren aggressiven Hassbotschaften ein Klima der Feindseligkeit und Angst. Neutrale öffentliche Orte werden so zu Angstzonen: Gegenden, in denen sich Jüdinnen*Juden, Schwarze, Fremde oder andere Minderheiten unerwünscht und bedroht fühlen sollen. Gleichgesinnte hingegen können sich als Teil einer vermeintlich starken Bewegung fühlen. Sie werden in ihrem Denken bestätigt und dazu ermutigt, ähnlich zu handeln. In dieser mobilisierenden Kraft des Mediums liegt die Gefahr: Denn die Aufkleber sind Vorboten physischer Gewalt.
Langlebige Weltbilder und tradierte Feindbilder
Welches Weltbild bergen die scheinbar harmlosen Zettel? Mit welchen Mitteln werden bedrohliche Feindbilder erzeugt? Was bedeuten die Symbole und Parolen? Aus welchem historischen Reservoir bedienen sich rechtsextreme Gruppen heute? Anhand eines breiten Überblicks über historische und aktuelle Aufkleber machte die Ausstellung deutlich, dass der ‚Krieg der Zettel‘ kein Thema der Vergangenheit ist, sondern sich auch in der Gegenwart auf beunruhigende Weise im alltäglichen, öffentlichen Leben manifestiert.
Antisemitismus und Rassismus ausstellen?
Die Ausstellung Angezettelt basierte auf den Erkenntnissen des 2014 abgeschlossenen kulturhistorischen Forschungsprojekts Sticker und Stigmata der Kuratorin Isabel Enzenbach am Zentrum für Antisemitismusforschung. In dessen Rahmen wurden Gebrauch, Bildsprache, Wirkung und Rezeption antisemitischer und rassistischer Aufkleber und ähnlicher Kleindrucksachen eingehend untersucht und analysiert. Um die wissenschaftlichen Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde daraus eine Ausstellung entwickelt.
Forschungsprojekt wie Ausstellung stützten sich auf die wohl umfassendsten Privatsammlungen zum Thema, den Berliner Kollektionen von Wolfgang Haney und Irmela Mensah-Schramm, sowie der Sammlungen im Bundesarchiv und verschiedenen Landesarchiven. Während Haney sich in seiner jahrzehntelangen Sammelleidenschaft auf historische Beispiele aus aller Welt spezialisiert hat, ist Mensah-Schramm seit über 30 Jahren auf der Jagd nach aktuellen Stickern, die sie persönlich mit dem Spachtel von Laternenpfählen, Strommasten oder Sicherungskästen entfernt und mit Datum und Fundort versehen archiviert. In der Ausstellung waren außerdem sechs Thementafeln zu sehen, für die eigens historische und aktuelle Beispiele aus München und Bayern recherchiert wurden.