Blick in die Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft? im NS-Dokumentationszentrum München | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

Ulla-Britta Vollhardt

Die Zukunft der Zeitzeugenschaft? Das NS-Dokumentationszentrum München als diskursiver Ort

Essay aus dem Band Ende der Zeitzeugenschaft? (Wallstein Verlag, 2024)

Die Geschichte der Zeitzeugenschaft war und ist immer auch eine Geschichte ihrer medialen Vermittlung und ein Spiegel der Mediengeschichte allgemein – das führt die Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft? plastisch vor Augen. Vom Drahttongerät, mit dem der US-amerikanische Psychologe David Boder bereits 1946 Holocaust-Überlebende aufnahm, über die Videokassette des Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies an der Yale Universität um 1980, über Film und Fernsehen bis hin zu den digitalen Formaten von heute – ohne Aufzeichnungsgeräte und Aufnahmetechnik ist die Zeitzeugenschaft über den Holocaust nicht denkbar. Natürlich war und ist die persönliche Begegnung mit einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin ein einzigartiges, durch nichts zu ersetzendes Erlebnis. Aber nur wenige hatten und haben die Gelegenheit zu einem solchen persönlichen Kontakt. Erst durch die modernen Aufzeichnungsmedien, Fernsehen und Hörfunk erlangten die Berichte der Überlebenden eine Reichweite und Präsenz, die sie zu einem gesellschaftlich relevanten Faktor machten.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Figur des ‚Zeitzeugen‘ ohne ihre mediale Übersetzung nie zu dem geworden wäre, was sie heute ist: eine weit über die Weitergabe persönlicher Erfahrung hinausgehende moralische Instanz. Diese Entwicklung jedoch ist endlich – mit dem Abtreten der Erfahrungsgeneration stellen sich neue Fragen der Übersetzung: Wer tritt ihr Erbe an und wie wird es weitergegeben? Der technische Fortschritt der jüngsten Zeit, die rasante Entwicklung neuer digitaler und interaktiver Formate und ihr Einsatz in mittlerweile nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen scheinen neue Wege zu eröffnen, hin zu einer gewissermaßen lebendigen Verstetigung von Zeitzeugenschaft. Zugleich stellt sie Zeitzeug*innen wie Vermittler*innen vor neue und bislang ungeahnte Herausforderungen.

Viel ist zum derzeitigen Digital Turn oder auch Virtual Turn gesagt und geschrieben worden. Dabei überwiegen nicht selten die vorsichtig-kritischen Stimmen gegenüber Neuerungen, bezüglich derer sich erst erweisen muss, ob es sich um bloße ‚Moden‘ handelt, von der Geschichte flugs überholte Eintagsfliegen, oder ob die neuen Ideen und Ansätze standhalten werden. Für diese Zurückhaltung im Falle digitaler und virtueller Anwendungen rund um das Thema Zeitzeugenschaft bestehen in der Tat gute Gründe: die Sorge um den Verlust der Authentizität, die Gefahr der Manipulierbarkeit, das Verschwimmen der Grenzen zwischen Realität und Fiktion – dies sind nur einige wenige Schlagwörter, die meines Erachtens zu Recht ins Feld geführt werden, wenn es um die neue Digitalität oder Virtualität geht. Diese Bedenken sind vor allem unter deutschen Historiker*innen und Geschichtsvermittler*innen und in deutschen Museen und Gedenkstätten virulent, gilt der Umgang mit Zeitzeugenschaft über den Holocaust hier schließlich als immerwährende Herausforderung und verlangt besondere Sensibilität.

Doch es gibt sie nun einmal, diese neuen Ansätze und technischen Möglichkeiten. In den von jeher experimentierfreudigeren Vereinigten Staaten haben digitale Zeitzeugnisse in 3D oder in der virtuellen Realität bereits vor Jahren Einzug in die Museen gehalten und werden für die Vermittlungsarbeit in Schulen und Bildungsstätten genutzt. Aber auch in Deutschland entstehen seit einiger Zeit Formate, die auf den neuen technischen Errungenschaften aufbauen und diese fortentwickeln.

Um dem Stand der aktuellen Entwicklung Rechnung zu tragen und die in Fachkreisen geführte Diskussion einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war es naheliegend, in der Münchner Version der Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft? die Frage nach möglichen zukünftigen Formaten der Vermittlung von Zeitzeugnissen zu vertiefen. Dies umso mehr, als zwei damals gerade im Entstehen begriffene Projekte eine enge Beziehung zu München und somit auch zum NS-Dokumentationszentrum aufwiesen und sich daher für die Präsentation anboten. Wir wollten unserem Publikum ganz bewusst die Gelegenheit bieten, sich vor Ort selbst mit den Möglichkeiten und gegebenenfalls auch Grenzen digitaler und virtueller Zeitzeugenformate auseinanderzusetzen – an ganz konkreten Beispielen. Wir wollten nicht über etwas reden, womöglich eine Antwort vorgeben, sondern zum Ausprobieren einladen, zur eigenen Meinungsbildung und zum Mitdiskutieren. Darüber hinaus konnten wir durch die Integration der beiden Projekte in unsere Ausstellung auch einen Beitrag zu deren Evaluation und Weiterentwicklung leisten.

Blick in die Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft? im NS-Dokumentationszentrum München | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

Bei den Anwendungen, die wir unter der Fragestellung „Zukunft der Zeitzeugenschaft“ am Ende der Ausstellung vorstellten, handelte es sich zum einen um das interaktive digitale Zeitzeugnis des Überlebenden Abba Naor, das im Projekt LediZ – Lernen mit digitalen Zeugnissen an der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt wurde, zum anderen um die Virtual Reality-Erfahrung Ernst Grube – Das Vermächtnis, eine Koproduktion der UFA mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut in Berlin.

Das LediZ-Projekt der LMU München

Das Projekt Lernen mit digitalen Zeugnissen ist 2018 an der LMU München ins Leben gerufen worden. In interdisziplinärer Zusammenarbeit von Fachdidaktiker*innen, Pädagog*innen, Sprach- und Politikwissenschaftler*innen sowie Informatiker*innen entstehen dort – nach dem US-amerikanischen Vorbild Dimensions in Testimony der USC Shoah Foundation1 – deutschsprachige interaktive digitale Zeugnisse, die in zwei- und dreidimensionaler Form rezipiert werden können.2 Zum Zeitpunkt seiner Präsentation im NS-Dokumentationszentrum München war das erste dieser Zeugnisse noch in der Entwicklungsphase. Es handelte sich um das digitale Abbild des 1928 in Litauen geborenen Holocaust-Überlebenden Abba Naor, der unter anderem im Konzentrationslager Dachau und im KZ-Außenkommando Kaufering Zwangsarbeit hatte leisten müssen. Abba Naor, der heute in Israel und Deutschland lebt, berichtet seit den 1990er Jahren in bayerischen Schulen und Gedenkstätten von seinen Erfahrungen. Er ist im Internationalen Dachau-Komitee aktiv, seit 2017 ist er dessen Vizepräsident. Mit ihm konnte ein erfahrener Zeitzeuge für das Projekt gewonnen werden, um Möglichkeiten und Grenzen dieses neuartigen Vermittlungsformats auszuloten.

Präsentation des Projekts Lernen mit digitalen Zeugnissen – LediZ (im Bild links die Zeitzeugin Eva Umlauf) mit dem interaktiven digitalen Zeugnis von Abba Naor am Ende der Ausstellung | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

Ende 2018 wurde Abba Naor in Kooperation mit dem britischen Designbüro Bright White in Nordengland mit zwei speziellen hochauflösenden Kameras dabei gefilmt, wie er rund tausend zuvor sorgfältig ausgewählte Fragen zu verschiedenen Aspekten seiner Biografie und seinen Erfahrungen beantwortete. Durch die spezielle Aufnahmetechnik entstand ein stereoskopischer, dreidimensionaler Film, dessen Rohdaten im Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hinterlegt wurden. In einem zweiten Schritt wurde das digitale Abbild von Abba Naor mithilfe einer Spracherkennungssoftware dafür ‚trainiert‘, Fragen, die an es gestellt werden, zu erkennen und mit der jeweils passenden Antwort zu versehen – das heißt, mit dem oder der Fragenden zu interagieren. Auf diese Weise soll eine Gesprächssituation simuliert und gewissermaßen auch konserviert werden, die über den Tod des Zeitzeugen hinaus wirksam bleibt.

Im Rahmen der Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft? im NS-Dokumentationszentrum wurde das digitale Zeugnis Abba Naors erstmals frei zugänglich und ohne Betreuung präsentiert – ein Experiment sowohl für die Entwickler*innen als auch für uns. Mittels eines Mikrophons oder alternativ einer Tastatur konnten Besucher*innen den virtuellen Abba Naor, der auf einem Großbildschirm zu sehen war, selbständig befragen. Dabei wurden die gestellten Fragen ihrerseits dazu genutzt, die Anwendung weiter zu verbessern, das heißt die Sprachsoftware mit neuen Informationen zu füttern, um die Trefferquote bei den Antworten zu erhöhen. Denn nicht selten reagierte der virtuelle Abba Naor auf ihm gestellte Fragen mit dem Satz: „Könnten Sie das bitte wiederholen?“ oder „Dazu haben wir leider keine Antwort aufgezeichnet.“ Vor allem komplexere oder nicht ganz eindeutig formulierte Fragen bekamen derlei Antworten und zeigten die Grenzen der Technik auf.

Zusätzlich zur Bildschirmpräsentation des zweidimensionalen digitalen Zeugnisses in der Ausstellung selbst veranstalteten unsere universitären Kooperationspartner*innen eine Reihe von begleiteten Vorführungen des ‚virtuellen Zeitzeugen‘ – mit Hilfe von entsprechenden Brillen – in 3D auf der großen Leinwand in unserem Auditorium. Vor allem Schulklassen und Uniseminare nahmen die Gelegenheit wahr, sich näher mit der neuen Technologie und deren Wirkungsweise zu beschäftigen. Auch diese Vorführungen sowie weitere während der Ausstellungslaufzeit durchgeführte Befragungen wurden für die Weiterentwicklung der Anwendung und die Evaluation genutzt.

Heute existieren neben dem virtuellen Abba Naor auch digitale Zeugnisse der Münchner Psychotherapeutin Eva Umlauf, die 1942 im Arbeitslager Nováky geboren und 1945 in Auschwitz befreit wurde, der Mannheimer Sintezza und Porajmos-Überlebenden Zilli Schmidt und einer Gruppe von zehn Sinti und Roma der zweiten Generation. Das Projekt Lernen mit digitalen Zeugnissen bietet die Anwendungen mittlerweile auch online an, begleitet von einer pädagogischen Handreichung, und zielt auf die selbstständige Nutzung des Formats durch qualifizierte Lehrer*innen und Multiplikator*innen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ab.

Das Virtual Reality-Erlebnis Ernst Grube – Das Vermächtnis

Das zweite Projekt, das wir in unsere Ausstellung integrierten, war die VR-Anwendung Ernst Grube – Das Vermächtnis. Dabei handelte es sich um einen sogenannten Proof-of-Concept, eine erste, dreieinhalbminütige Umsetzung eines geplanten (und mittlerweile fertiggestellten3) längeren Virtual Reality-Erlebnisses mit dem Holocaust-Überlebenden Ernst Grube, die im Rahmen der Ausstellung erstmals in einer öffentlichen Institution präsentiert wurde. Die Entscheidung für die Aufnahme dieses Pilotprojekts, das das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut zusammen mit der UFA GmbH ab 2019 realisierte, lag aus zweierlei Gründen nahe: Zum einen ist es der erste tatsächlich dreidimensional produzierte und rezipierbare Zeitzeugenbericht gewesen, der da entstand. Der zweite, gewichtigere Grund aber war ein inhaltlicher, der sich aus der Tatsache ergab, dass das NS-Dokumentationszentrum seit seiner Gründung im Jahr 2015 eng und intensiv mit Grube zusammenarbeitet, auf dessen Erinnerungen die Anwendung basiert.

Ernst Grube mit VR-Brille beim Ausprobieren des Virtual Reality-Erlebnisses Ernst Grube – Das Vermächtnis im Rahmen der Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft?, 2021. Im Hintergrund auf dem Bildschirm die Projektion des virtuellen Gesprächs | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

1932 in München als Sohn einer in der NS-Zeit als jüdisch verfolgten Mutter und eines kommunistischen Vaters geboren, wurde Ernst Grube Anfang 1945 im Alter von zwölf Jahren in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Er überlebte, musste jedoch nach 1945 als überzeugter Kommunist ein zweites Mal Ausgrenzung und strafrechtliche Verfolgung erleiden. Der Friedensaktivist und engagierte Antifaschist setzte sich bereits seit der Jahrtausendwende für ein NS-Dokumentationszentrum in München ein, dessen Beirat er bis heute angehört. Seit vielen Jahren bereichert er mit seiner Lebensgeschichte unser Vermittlungsangebot und beteiligt sich an verschiedensten Formaten, vom Zeitzeugengespräch über Performanceprojekte mit Jugendlichen bis hin zu einer Ernst Grube-Graphic Novel, die aktuell entwickelt wird. So war es nur folgerichtig, dem damals im Entstehen begriffenen begehbaren Film eine Plattform zu bieten.

Die Basis der Anwendung ist ein Gespräch zwischen Ernst Grube und einem sechzehnjährigen Schüler, das 2019 im volumetrischen Volucap-Studio in Babelsberg von 32 Kameras gefilmt wurde. Grube berichtet darin über seine Kindheit und die Verfolgungserfahrung in der NS-Zeit. Das Datenmaterial wurde daraufhin in einem komplexen Verfahren verarbeitet, grafisch und audiovisuell – unter Hinzuziehung historischer Fotos und Filmausschnitte – aufbereitet und schließlich zu einem begehbaren Film zusammengefügt. Es entstand der Eindruck eines dreidimensionalen Raums, der von den Besucher*innen via VR-Brille betreten werden kann, um dem Gespräch der beiden auf Augenhöhe zu lauschen und dieses durch die beigegebenen Illustrationen visuell zu vertiefen. Die VR-Anwendung zielt dabei auf ein sinnliches Erlebnis ab, das eine emotionale Begegnung mit der Geschichte des Zeitzeugen erlauben soll.4

Um dieses Video zu sehen, muss dem Dienst „YouTube" zugestimmt werden.

Auch diese Installation wurde zur Weiterentwicklung und Evaluation des Projekts genutzt. Interessierte Besucher*innen konnten einen Fragebogen ausfüllen oder an einer Befragung teilnehmen.5 Ziel der Projektverantwortlichen war und ist es, das VR-Erlebnis langfristig für die Vermittlungsarbeit an Schulen, Gedenkstätten und anderen Bildungseinrichtungen verfügbar zu machen. Eine solche längerfristige Präsentation – sieht man von pädagogisch-didaktischen und inhaltlich-kuratorischen Aspekten einmal ab – erfordert allerdings die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen, denn der Betreuungsaufwand ist relativ hoch und die Technik wartungsintensiv.

Der Praxistest

Die Erfahrungen aus unserem Kontext zeigten, dass es lohnenswert ist, sich offensiv mit neuen Formaten in der Vermittlungsarbeit auseinanderzusetzen. Mögen diese auch zum Teil kritisch bewertet worden sein, so sinnvoll und wichtig ist es, sich diesen neuen Entwicklungen zu stellen und auch unserem Publikum die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Bild von dem zu machen, was derzeit diskutiert wird.

Auffällig und zur Selbstreflektion einladend war in diesem Zusammenhang die – bereits andernorts festgestellte – Beobachtung, dass die vorgestellten Formate je nach Alter und Medienaffinität unterschiedlich beurteilt wurden. Die Digital Natives der Millennials und der Generation Z näherten sich den virtuellen Zeitzeugnissen, auch wenn die meisten noch keine Erfahrungen damit bzw. mit der verwendeten Technologie gemacht hatten, mit weit weniger Berührungsängsten als Ältere und ließen sich auch emotional auf die Begegnungen ein. Bei Angehörigen älterer Generationen oder nicht medienaffinen Menschen hingegen überwog eher die Skepsis gegenüber derartigen ‚technischen Spielereien‘. Vor allem die Tendenz zur Fiktionalisierung von Geschichte und die Gefahr der Manipulation im virtuellen Raum wurden hier angeführt – Punkte, die auch unter Historiker*innen und Geschichtsvermittler*innen kritisch gesehen werden. Und auch die Überlebenden selbst scheinen hin- und hergerissen zu sein: Auf der einen Seite steht der Wunsch, auch in Zukunft gehört zu werden, der dazu führt, sich den neuen technischen Formaten gegenüber zu öffnen, auf der anderen die Besorgnis, dadurch zur „Konserve“ zu werden6 oder die Hoheit über die eigene Biografie aus der Hand zu geben, nicht zu wissen, was dereinst einmal mit den konservierten Daten geschehen könnte.

Letztlich, und das ist auch ein Fazit der Ausstellung Ende der Zeitzeugenschaft?, muss jede Zeit ihren eigenen, den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen entsprechenden Umgang mit Zeitzeugenschaft finden – wie in der Vergangenheit auch. Ob die in der Münchner Station der Ausstellung vorgestellten Formate sich durchsetzen werden oder ob sie schon bald von wieder anderen Neuerungen überholt sein werden – wir wissen es nicht. Eines jedenfalls hat uns die Arbeit an der Ausstellung auch gezeigt: Jenseits neuer, virtueller Formate bleiben uns die in die Zehntausende gehenden ‚klassischen‘ videografierten und mittlerweile vielfach digital zugänglichen Zeitzeugeninterviews erhalten und rufen uns zur Beschäftigung mit ihnen auf. Hier neue Wege zu gehen und innovative Zugänge zu finden, um den vorhandenen Schatz zu heben und zeit- und zielgruppengemäß zu aktivieren, ist ein sicherlich lohnenswertes Unternehmen. Das ergaben auch die Rückmeldungen der Besucher*innen auf die eingangs der Ausstellung gezeigten Ausschnitte aus ‚klassischen‘ Interviews mit Münchner Zeitzeug*innen. Die zum Teil bis in die späten 1980er Jahre zurückgehenden Aufnahmen zogen die Betrachter*innen durch ihre unmittelbare und nachhaltige Präsenz in ihren Bann, schufen Verständnis für die sensible Rolle von Zeitzeug*innen und berührten emotional. So ergab sich eine überaus produktive Spannung zwischen Anfang und Ende der Ausstellung, zwischen den ‚klassischen‘ und den neuartigen Vermittlungsformaten, die zu lebendigen Diskussionen führte und zur vertieften Reflexion anregte.

Quellen

1 https://sfi.usc.edu/dit
2 https://www.lediz.uni-muenchen.de/projekt-lediz/index.html
3 Das fertige VR-Erlebnis hat eine Dauer von 50 Minuten und wurde erstmals in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen der Öffentlichkeit präsentiert. Vgl. https://www.hhi.fraunhofer.de/virtual-reality-experience-ernst-grube-das-vermaechtnis.html
5 Zur Auswertung in der Ausstellung geführter qualitativer Interviews mit Studierenden vgl. Anja Ballis/Markus Gloe, „Ich möchte keine Konserve werden, die auf alles eine Antwort hat“ – Digitale Medienformate in der Bildungsarbeit, in: ebd., S. 143-155.
6 „Ich möchte nicht eine Konserve werden, die auf alles eine Antwort hat.“ Interview mit Ernst Grube und Helga Hanusa, NS-Dokumentationszentrum München, 19.10.2021, Z. 285, hier zitiert nach: Ballis/Gloe, S. 145.

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Publikation

Ende der Zeitzeugenschaft?

Der Band gibt Einblicke in den Stand der Debatten über das Erbe der Zeitzeugenschaft sowie in die gleichnamige Wanderausstellung.

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Buchvorstellung

Ende der Zeitzeugenschaft?

7. Mai 2024, 19.00 Uhr
Mit Hanno Loewy, Jörg Skriebeleit und Anika Reichwald

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