„Folman und Polonskys ‘Tagebuch der Anne Frank’ vereint in sich zentrale Aspekte der Arbeit des NS-Dokumentationszentrums München, die an der Schnittstelle von Wissen, Vermittlung und Kunst verortet ist. Die Autoren übersetzen die Geschichte des Holocaust in eine künstlerische Sprache, die das Unfassbare und Unbeschreibliche begreifbar macht. Ihre eindringlichen Bilder entfalten eine starke Wirkung. Sie erreichen auch jene Leser*innen, die über wenig historisches Vorwissen oder Lesekompetenz verfügen. Sich als Künstler*in mit diesem schweren Thema zu befassen erfordert ein hohes Maß an Mut, Sensibilität und Könnerschaft. Folman und Polonsky leisten einen wertvollen und wegweisenden Beitrag im Bemühen um eine sich stets weiterentwickelnde, lebendige Erinnerungskultur“, heißt es in der Begründung der Jury.
Die Vollversammlung des Stadtrats hatte am 23.11.2017 beschlossen, ab 2018 biennal den Preis des NS-Dokumentationszentrums in Höhe von 8.000 Euro für herausragende Publikationen und Aktivitäten zur Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit zu verleihen. Bei der Auswahl der Beiträge wird besonderes Augenmerk auf eine hohe Qualität, eine breite gesellschaftliche Wirkung und eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Ausgestaltung gelegt.
In Folman und Polonskys Erzählung und Zeichnungen wird die Geschichte des Amsterdamer Hinterhauses noch einmal lebendig: die Enge, die fehlende Privatsphäre, die stumm ausgetragenen Konflikte, die Bedrohung durch Nachrichten von draußen. Besonders beeindruckend ist die bildliche Umsetzung von Annes Innenleben, das mal ironisch, mal spöttisch und zusehends depressiv auf die Umgebung reagiert. In fast immer bunten, nur manchmal in Sepia gehaltenen Bildern, werden den Leserinnen und Lesern die Ängste, Gefühle, Wunschträume, Erinnerungen und Zukunftshoffnungen dieses klugen, jungen Mädchens nahe gebracht; und zusehends auch ihre albtraumhaften Phantasien, die den immer detaillierteren Berichten über die Lager und die drohende Vernichtung entwachsen.
Für Ari Folman war es eine „ungemein eindringliche und zugleich bezaubernde Erfahrung” das Tagebuch der Anne Frank als Erwachsener und Vater von halbwüchsigen Kindern noch einmal zu lesen. „Ich fand es unfassbar, dass eine Dreizehnjährige imstande gewesen war, einen so reifen, poetischen, lyrischen Blick auf die Welt um sie herum zu werfen und das, was sie sah, in prägnante, nachdenkliche Tagebucheinträge zu fassen, aus denen nicht nur enorm viel Mitgefühl und Humor spricht, sondern auch ein Maß an Selbstreflexion, wie ich es selten bei Erwachsenen und noch weit weniger bei Kindern angetroffen habe,” schreibt er im Nachwort der Graphic Diary. Anne Frank. The Graphic Novel ist Teil des weltweiten Projekts The Graphic Diary of Anne Frank des Anne Frank Fonds Basel.