Preis

Preis des nsdoku 2018

Preisträger*in: Anne Frank’s Diary: The Graphic Adaptation von Ari Folman und David Polonsky

Anne Frank’s Diary. The Graphic Adaptation von Ari Folman und David Polonsky erhält am 30. April den Preis des NS-Dokumentationszentrums München, der 2018 zum ersten Mal verliehen wird. Der Kulturausschuss des Münchner Stadtrats folgte damit der Empfehlung der Jury unter Vorsitz des Kulturreferenten Hans-Georg Küppers, der den Preis persönlich überreichen wird.

Das Tagebuch der Anne Frank ist eines der wichtigsten Dokumente des Holocaust. Die Umsetzung als Graphic Novel folgt einem aktuellen Trend, schwer erzählbare Themen wie Krieg oder Verfolgung mit alternativen Methoden darzustellen. Über eine Jugendlichen vertraute Bildästhetik werden historische Ereignisse in unmittelbare Nähe herangezoomt, zugleich schafft die zeichnerische Umsetzung eine Verfremdung und einen Abstand zur Geschichte. Diese Dialektik von Nähe und Distanz öffnet einen Raum für die Darstellung und Vermittlung von Emotionen, Ängsten, Hoffnungen und Innensichten der Erfahrungs- und Gedankenwelt des jungen Mädchens im Versteck vor den Nationalsozialisten. Gleichzeitig bestand darin auch die Herausforderung für Ari Folman und David Polonsky bei der graphischen Umsetzung: Sie mussten eine Auswahl aus Anne Franks mehrere hundert Seiten umfassenden Originaltexten treffen und versuchten zugleich, ihrem Werk so treu wie möglich zu bleiben. Der Geist Anne Franks sollte in jedem einzelnen Bild zum Ausdruck kommen.

„Folman und Polonskys ‘Tagebuch der Anne Frank’ vereint in sich zentrale Aspekte der Arbeit des NS-Dokumentationszentrums München, die an der Schnittstelle von Wissen, Vermittlung und Kunst verortet ist. Die Autoren übersetzen die Geschichte des Holocaust in eine künstlerische Sprache, die das Unfassbare und Unbeschreibliche begreifbar macht. Ihre eindringlichen Bilder entfalten eine starke Wirkung. Sie erreichen auch jene Leser*innen, die über wenig historisches Vorwissen oder Lesekompetenz verfügen. Sich als Künstler*in mit diesem schweren Thema zu befassen erfordert ein hohes Maß an Mut, Sensibilität und Könnerschaft. Folman und Polonsky leisten einen wertvollen und wegweisenden Beitrag im Bemühen um eine sich stets weiterentwickelnde, lebendige Erinnerungskultur“, heißt es in der Begründung der Jury.

Die Vollversammlung des Stadtrats hatte am 23.11.2017 beschlossen, ab 2018 biennal den Preis des NS-Dokumentationszentrums in Höhe von 8.000 Euro für herausragende Publikationen und Aktivitäten zur Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit zu verleihen. Bei der Auswahl der Beiträge wird besonderes Augenmerk auf eine hohe Qualität, eine breite gesellschaftliche Wirkung und eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Ausgestaltung gelegt. 

In Folman und Polonskys Erzählung und Zeichnungen wird die Geschichte des Amsterdamer Hinterhauses noch einmal lebendig: die Enge, die fehlende Privatsphäre, die stumm ausgetragenen Konflikte, die Bedrohung durch Nachrichten von draußen. Besonders beeindruckend ist die bildliche Umsetzung von Annes Innenleben, das mal ironisch, mal spöttisch und zusehends depressiv auf die Umgebung reagiert. In fast immer bunten, nur manchmal in Sepia gehaltenen Bildern, werden den Leserinnen und Lesern die Ängste, Gefühle, Wunschträume, Erinnerungen und Zukunftshoffnungen dieses klugen, jungen Mädchens nahe gebracht; und zusehends auch ihre albtraumhaften Phantasien, die den immer detaillierteren Berichten über die Lager und die drohende Vernichtung entwachsen.

Für Ari Folman war es eine „ungemein eindringliche und zugleich bezaubernde Erfahrung” das Tagebuch der Anne Frank als Erwachsener und Vater von halbwüchsigen Kindern noch einmal zu lesen. „Ich fand es unfassbar, dass eine Dreizehnjährige imstande gewesen war, einen so reifen, poetischen, lyrischen Blick auf die Welt um sie herum zu werfen und das, was sie sah, in prägnante, nachdenkliche Tagebucheinträge zu fassen, aus denen nicht nur enorm viel Mitgefühl und Humor spricht, sondern auch ein Maß an Selbstreflexion, wie ich es selten bei Erwachsenen und noch weit weniger bei Kindern angetroffen habe,” schreibt er im Nachwort der Graphic Diary. Anne Frank. The Graphic Novel ist Teil des weltweiten Projekts The Graphic Diary of Anne Frank des Anne Frank Fonds Basel.