Kulturbund Deutscher Juden

Organizations
Verfasst von Elisabeth Kraus

Selbsthilfeorganisation für im nationalsozialistischen Deutschland von Berufsverbot betroffenen jüdischen Künstler*innen

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurden Juden*Jüdinnen mehr und mehr aus dem Kulturleben verdrängt, viele jüdische Künstler*innen verloren ihre Engagements, und auch der Besuch von kulturellen Veranstaltungen wurde Juden*Jüdinnen verwehrt. Der Ausgrenzung begegneten einige engagierte Juden*Jüdinnen mit dem Aufbau eines unabhängigen, jüdischen Kulturbereichs. Der Regisseur Kurt Baumann und der Neurologe und Musikwissenschaftler Kurt Singer konzipierten einen Kulturverein, der künstlerische und kulturelle Bestrebungen der deutschen Juden*Jüdinnen erhalten und neue Erwerbsmöglichkeiten für jüdische Künstler*innen schaffen sollte.

Im Juni 1933 wurde der ‚Kulturbund Deutscher Juden‘ in Berlin gegründet. In der Folge bildeten sich an zahlreichen Orten regionale Kulturbünde. In den Kulturbund, der sich durch Mitgliedsbeiträge finanzierte, konnte jede*r eintreten, der*die nach den nationalsozialistischen Bestimmungen als Jude*Jüdin galt. Vor allem in Berlin wirkte der Kulturbund mit zahllosen Veranstaltungen wie etwa Theater- und Opernaufführungen, Konzerten, Ausstellungen, Vorträgen oder Filmvorführungen sehr erfolgreich und bot den Juden*Jüdinnen der Hauptstadt wenigstens vorübergehend Abwechslung und Entspannung.

Die Veranstaltungen wurden allerdings von der Gestapo überwacht, mussten genehmigt werden und unterlagen der Zensur. Die meisten Kulturbünde, die den NS-Behörden die Erfassung und Überwachung der kulturellen Bestrebungen deutscher Juden*Jüdinnen erleichterten, bestanden bis zum Novemberpogrom 1938 und wurden danach geschlossen. Lediglich der Berliner Kulturbund konnte auf Befehl von Propagandaminister Goebbels am 20.11.1938 seine Arbeit wieder aufnehmen, musste aber nach Beginn des Zweiten Weltkriegs seine Tätigkeit zunehmend einschränken und wurde schließlich am 11.9.1941 von der Gestapo aufgelöst.

In Bayern bestätigte das Kultusministerium am 9.2.1934 die Gründung des Jüdischen Kulturbundes. Neben der Ortsgruppe München, die als größte lokale Gruppe sogar über ein eigenes Orchester und eine Marionettenbühne verfügte, entstanden rasch Sektionen in anderen bayerischen Städten, beispielsweise in Augsburg, Bamberg, Fürth, Nürnberg und Würzburg. Die Veranstaltungen unterlagen rigorosen polizeilichen Auflagen, Zensur und Kontrolle und durften nur in jüdischen Zeitungen angekündigt werden. Als Vorsitzender fungierte zunächst der Rechtsanwalt Fritz Ballin, als Geschäftsführer der aus Prag stammende Kapellmeister, Organist und Dirigent Erich Eisner (1897-1956), der unter seinem Künstlernamen Erich Erck überregional bekannt war. In dessen Privatwohnung in der Adelheidstrasse 33 befand sich anfangs die Geschäftsstelle des Kulturbunds, später zog sie in die Lindwurmstrasse 125 um.

Im Unterschied zu Berlin blieben in München Theater- und Opernaufführungen mangels geeigneter Spielstätten und ausreichender Mittel für den Unterhalt eines Ensembles die Ausnahme. Musikgenuss wurde Münchner
Juden*Jüdinnen dagegen häufiger bei Oratorienabenden und Sinfoniekonzerten ermöglicht; sie fanden fast ausschließlich in der Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße statt, das letzte im Mai 1938 unter der Leitung von Erich Eisner.

Die zunehmende Verdrängung und Entrechtung der Juden*Jüdinnen führte beim Kulturbund zu verstärkter Fluktuation der Mitwirkenden: Sie emigrierten oder wechselten zu den größeren Kulturbünden in Hamburg und v.a. Berlin. Mit dem Novemberpogrom war das Ende des Jüdischen Kulturbundes in Bayern, Ortsgruppe München, besiegelt, zum 31.12.1938 wurde er aufgelöst.        

Einer seiner wichtigsten „Impulsgeber“ (Heusler, S. 173), Erich Eisner, wurde im Zuge des Novemberprogroms verhaftet und bis Ende Dezember 1938 im KZ Dachau gefangen gehalten. Im Januar 1939 gelang ihm über England die Emigration nach Bolivien, wo er bis zu seinem Tod eine herausragende Rolle im Musikleben seines Aufnahmelandes spielte. Im Januar 1956 wurde Erich Eisner in Anerkennung seines Wirkens als Dirigent und Komponist das Bundesverdienstkreuz durch den deutschen Botschafter in Bolivien überreicht.






Quellen

Bonard, Waldemar: Der Jüdische Kulturbund in Bayern. Ortsgruppe München 1934-1938, in: Die gefesselte Muse. Das Marionettentheater im Jüdischen Kulturbund 1935-1937, hg. vom Münchner Stadtmuseum, München 1994, S. 11-22.   
Fritsch-Vivié, Gabriele: Gegen alle Widerstände. Der Jüdische Kulturbund 1933-1941. Fakten, Daten, Analysen, biographische Notizen und Erinnerungen, Berlin 2013.
Heusler, Andreas: Verfolgung und Vernichtung (1933-1945), in: Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Richard Bauer und Michael Brenner, München 2006, S. 161-185, bes. S. 171-174.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Kulturbund Deutscher Juden (publiziert am 14.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/kulturbund-deutscher-juden-471