Am 8. Mai 2025, dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa, öffnet das NS-Dokumentationszentrum München nach einer fünfmonatigen Umbauphase wieder seine Türen. Das Datum markiert auch das zehnjährige Bestehen des Hauses, das im Mai 2015 er-öffnet wurde und das mittlerweile mehr als 1 Millionen Menschen besucht haben.
In den zurückliegenden 10 Jahren ist Vieles passiert, das die Arbeit des nsdoku verändert und bereichert hat. Mit dem Jubiläum blicken wir zurück auf eine intensive Zeit, auf sich wandelnde Themen und einige, die zu ständigen Begleitern wurden. Und wir blicken nach vorn, nehmen die Herausforderungen und Möglichkeiten der Gegenwart an und möchten das nsdoku noch mehr zu einem Ort machen, an den Menschen gerne kommen, wo sie sich informieren, austauschen, nach Lösungen suchen, miteinander sprechen und lachen. Dafür haben der Umbau und die inhaltliche Arbeit der letzten fünf Monate die Voraussetzungen geschaffen.
Gemeinsam mit dem Gestaltungsbüro Studio Miessen wurde 2024 das Konzept Open Doors entwickelt, dank dessen das Haus jetzt sowohl einen belebten Vorplatz als auch neue Räume des Zusammenkommens bietet. Zugleich wurden die Barrierefreiheit und Sicherheit verbessert – insbesondere im Eingangsbereich und dem Veranstaltungssaal. Hier schaffen nun modulare Möbel mehr Flexibilität für Programm und Vermittlung. Auch im ersten Obergeschoss sind Kommunikationsräume entstanden, die flexibel genutzt werden können. Um Menschen auch unabhängig vom Besuch der Ausstellungen und Veranstaltungen einen Anlaufpunkt bieten zu können, wurde im Erdgeschoss ein Café mit Shop eingerichtet. Hier werden neben Getränken und Snacks auch Bücher und Kataloge angeboten, die nun vor Ort auch bei einer Tasse Kaffee gelesen werden können. Neben den baulichen und architektonischen Veränderungen wurden zur Wiedereröffnung auch neue Vermittlungsangebote, Veranstaltungen, Ausstellungen und Interventionen konzipiert. Außerdem hat der kostenfrei verfügbare Mediaguide ein technisches Update und Redesign erhalten – erstellt mit dem Programm fabulAPP – Baukasten für digitales Storytelling im Museum der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, gefördert von der Bayerischen Sparkassenstiftung.
Die neuen Sitzelemente werden in die Vermittlungsarbeit integriert und ermöglichen andere Formate, jenseits von Rundgängen und Seminaren. Die Möglichkeiten für Veranstaltungen im Saal sind durch die neue Bühnenkonstruktion flexibler und interaktiver geworden. Bereits mit der Wiedereröffnung am 8. Mai ab 13 Uhr und am darauffolgenden Jubiläumswochenende finden dort und im gesamten Haus Workshops, Gespräche und vieles mehr statt. Am Abend des 8. Mai laden wir außerdem gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Theater zu einer musikalischen und literarischen Performance über Demokratie, Erinnerung und Kunst in den Großen Konzertsaal der HMTM ein. An den Wochenenden werden wir einige innovative Formate im Haus anbieten, wie zum Beispiel einen Auftritt des Stegreif - The Improvising Symphony Orchestra (10. Mai, 19.00 Uhr) oder den Kinder-Workshop Deine Stimme zählt! (10. Mai, 10.00 Uhr; 11. Mai, 11.00 Uhr). Für den 17. Mai ist das Symposium Reeducation 2025 geplant, das von Lena Gorelik kuratiert wird und einen kritischen Blick auf die deutsche Erinnerungskultur wirft. In zwei Diskussionen geht es um die Frage, wie wir konkret an das erinnern können, was „Nie wieder“ geschehen soll. Parallel findet eine mehrstündige Lesung von József Debreczenis Kaltes Krematorium. Bericht aus einem Land namens Auschwitz statt, mit Lesenden wie Iris Berben, Olaf Nicolai, Ursula Münch, Udo Wachtveitl, Till Hoffmann u.a.
Auch im Ausstellungsbereich gibt es Neues zu sehen. Die Objekt-Intervention Erinnerung ist … ergänzt für ein Jahr die Dauerausstellung des nsdoku und erzählt sie durch neue Geschichten weiter. In der Videoinstallation overexposed/underexposed untersuchen die Filmemacher*innen Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko acht Orte in München, die eine Geschichte terroristischer Gewalt in sich tragen.
Erinnerung ist …
Intervention mit Objekten und ihren Geschichten
8. Mai 2025 – 10. Mai 2026
Ein Hut, eine Marionette, ein Tablettenröhrchen, ein Bierkrug. Welche Erinnerungen sind mit diesen Dingen verknüpft, welche Geschichten können sie erzählen? Was wollen wir von ihnen erfahren? 22 Objekte ergänzen für ein Jahr die Dokumentation München und der Nationalsozialismus. Große und kleine, alltägliche und ungewöhnliche Dinge erweitern die Inhalte der Dauerausstellung, sind Kommentar und Ergänzung. Sie schaffen sinnliche Zugänge und sind Ausgangs-punkte für individuelle und kollektive Erinnerungen. Jedes Objekt wird von einem Kommentar begleitet, verfasst und eingesprochen von Zeitzeug*innen und Erb*innen, Aktivist*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen. Sie nähern sich den Din-gen aus ihrer persönlichen Perspektive, ordnen sie ein und stellen sie in einen größeren Zusammenhang. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des nsdoku lädt Erinnerung ist … dazu ein, gemeinsam über unsere Beziehung zur Vergangenheit nachzudenken: Wie erinnern wir? An was erinnern wir uns? Und wie lassen sich schmerzhafte und schwierige Erfahrungen heute darstellen und vermitteln?
overexposed/underexposed
Videoinstallation von Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko
8. Mai – 19. Oktober 2025
München wurde seit den 1970er Jahren wiederholt zum Tatort rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Terroranschläge. Um Aufklärung dieser Verbrechen und um die Erinnerung an die Opfer wird bis heute gerungen. Die Taten haben bei den Betroffenen tiefe Wunden hinterlassen. Wie kann eine Stadt zu einer gemeinsamen Erinnerung und Auseinandersetzung mit dieser Gewaltgeschichte finden? Mit der Videoinstallation overexposed/underexposed schaffen Mila Zhluktenko und Daniel Asadi Faezi einen konzentrierten Raum, um darüber nach-zudenken.
Der Film, der im Mittelpunkt der Installation steht, wurde im März 2024 in München gedreht. Die Kamera fängt auf einer einzigen analogen Filmrolle acht Orte der Stadt ein, an denen Menschen zwischen 1970 und 2016 rechtsextremistischen, rassistischen oder antisemitischen Terroranschlägen zum Opfer fielen. Manche der Taten sind weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt, andere sind bis heute nicht im kollektiven Gedächtnis verankert. Jeder Terrorakt hat seine eigene Ge-schichte und doch stehen sie in Beziehung zueinander. Der Film von Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko setzt die Einzelereignisse in Beziehung zueinander und öffnet einen neuen Blick auf Orte, die alltäglich erscheinen, für die Überlebenden, Angehörigen, Freund*innen und Familien der Opfer aber mit traumatischen Erlebnissen, Schmerz, Trauer oder auch Wut verbunden sind.
Die Dreharbeiten fanden an jedem der Orte zur jeweiligen Tatzeit statt, beginnend in den frühen Morgenstunden (Anschlag auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen am 5.9.1972, 04:35 Uhr) bis kurz vor Mitternacht (Brandanschlag auf die Diskothek „Liverpool“ am 7.1.1984, 23:26 Uhr). Die analoge Filmtechnik ohne nachträglichen Schnitt führt durch das Zurückspulen zwischen den Einstellungen zu Mehrfachbelichtungen, zufälligen Überlagerungen und unerwarteten Lichteffekten. Die über den Bildern liegende Tonspur aus Aufnahmen aus dem jeweiligen Außenraum und dem Inneren der Gebäude verleiht dem Film eine zusätzliche Erzählebene. Durch die Präsentation des Films im Loop entsteht eine kontinuierliche, sich wiederholende Erzählung, die dem Verlauf eines Tages folgt und in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ebenso wie die Orte zu überlagern scheinen. Es entsteht ein konzentrierter Raum für Reflexion, Nachdenken und Erinnern.
Die Installation overexposed/underexposed schließt an die Dauerausstellung München und der Nationalsozialismus an und erweitert sie um eine neue ästhetische Erfahrung. Das Projekt ist zugleich als ein filmisches Mahnmal zu verstehen, das dem Gedenken an die Opfer der Anschläge gewidmet ist.
Vorschau Herbst 2025
…damit das Geräusch des Krieges nachlässt, sein Gedröhn
30. Oktober 2025 – 12. Juli 2026
Die Ausstellung … damit das Geräusch des Krieges nachlässt, sein Gedröhn versammelt künstlerische Werke, die sich mit dem Nachwirken von Krieg innerhalb und außerhalb Europas seit 1945 beschäftigen. Die Arbeiten thematisieren sowohl Kontinuitäten der Gewalt als auch Neu-ordnungen, die aus kriegsbedingten Zusammenbrüchen hervorgingen. Im Fokus stehen äußere und innere Landschaften, die sich eindeutigen Repräsentationen entziehen. Sie stellen sich als widerständige Zeugnisse, als Zufluchtsorte, lebendige Archive oder Vorstellungsräume für Künftiges dar. Nachkriegslandschaften tragen Spuren vergangener Konflikte, die sich Prozessen der „Normalisierung” entziehen und in sozialen wie ökologischen Lebenszusammenhängen fortwirken.
In den künstlerischen Arbeiten zeigen sich vielschichtige Beziehungen zwischen Raum, Zeit und Erinnerung jenseits politischer Normierungen. Die multiplen Krisen und Kriege der globalen Gegenwart fordern einen kritischen Blick auf die Vergangenheit und den Umgang mit den Geschichten der Gewalt ein, die Europa und die Welt seit Ende des Zweiten Weltkriegs prägen. Die Inhalte der Ausstellung fragen danach, welche Erfahrungen aus der kollektiven Erinnerung bisher ausge-schlossen, welche Aspekte unberücksichtigt geblieben sind. Sie gehen aber zugleich weiter und verstehen das Potenzial der Erinnerung als eine Orientierung für die Zukunft.
Künstler*innen: Chantal Akerman, Hiwa K, Tarik Kiswanson, Selma Selman, Sung Tieu, Miloš Trakilović, Ian Waelder, Leyla Yenirce und weitere