56 Gebäude und deren Funktionen sind auf einem Plan farblich markiert.

Lageplan des ehemaligen Parteiviertels der NSDAP in der Münchner Maxvorstadt | © NS-Dokumentationszentrum München

Das Parteiviertel der NSDAP

Dort wo heute das Kunstareal Touristen anzieht, lag einst das braune Zentrum der Stadt. Ab 1933 entstand um den Königsplatz das Parteiviertel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Zahlreiche Dienststellen und NS-Organisationen mit fast 6000 Beschäftigten nutzten mehr als 60 Gebäude. Diese wurden angemietet, gekauft, neu erbaut oder rücksichtlos in Beschlag genommen. Von München aus steuerte die Reichsleitung der NSDAP die weit verzweigte Parteiorganisation im gesamten Reichsgebiet.

Vom Hinterzimmer ins Adelspalais

Die Ursprünge der nationalsozialistischen Partei liegen im Frühjahr 1919 in einem Hinterzimmer der Gaststätte Sterneckerbräu im Tal 54, das als erste Geschäftsstelle diente. Dort hatten sich die ersten Anhänger der Partei getroffen, die damals noch Deutschen Arbeiterpartei (DAP) hieß. Im September 1919 stieß erstmals Adolf Hitler hinzu und redete sich bald an die Spitze. Später wurde in den Räumlichkeiten ein Parteimuseum als Kultstätte eingerichtet.

Hinter Tischen und Stühlen hängt an einer Wand ein Hakenkreuz. Daneben steht ein Text zur Gründung der NSDAP.

Innenansicht des Sterneckerbräus, 1930er Jahre | © Süddeutsche Zeitung Photo

Im Februar 1920 verkündete Adolf Hitler im Hofbräuhaus die Umbenennung in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) sowie das erste Grundsatzprogramm. Als er im Juli 1921 den Parteivorsitz übernahm, legte er fest, dass der „Sitz der Bewegung München ist und immer bleibt“. Aufgrund der schnell wachsenden Mitgliederzahlen zog die Hauptgeschäftsstelle der Partei in das Gasthaus Cornelius in der Corneliusstraße 12 um. Ende 1922 unterstanden der Parteiführung in München deutschlandweit 100 Ortsgruppen, ein Großteil noch in Bayern.

Nach dem gescheiterten Putsch vom November 1923 wurde die NSDAP zunächst verboten und erst im Februar 1925 neugegründet: unter gleichem Namen, aber mit künftig angeblich legalem Kurs. Die Parteizentrale blieb in München. Sie befand sich zwischen 1925 und 1930 in einem Hinterhaus der Schellingstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Atelier von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann.

Fassade eines Eckgebäudes mit mehreren Fenstern und einem Hakenkreuz über der Einfahrt.

Innenhof der Schellingstraße 50, 1926 | © Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

An drei langen Tischen sitzen zahlreiche Männer. Vor Ihnen liegen Akten, an der Wand hängen Fahnen mit Hakenkreuzen.

Parteiversammlung in der Reichsgeschäftsstelle der NSDAP in der Schellingstraße 50, 30. Aug. bis 2. Sept. 1928 | © Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

München als ‚Hauptstadt der Bewegung‘

Zum Jahresbeginn 1931 wurde die Parteizentrale schließlich in das Palais Barlow in der Brienner Straße verlegt. Das klassizistische Anwesen war ein Jahr zuvor angekauft und vom Architekten Paul Ludwig Troost aufwendig zum ‚Braunen Haus‘ umgebaut worden. Der Umzug in den vornehmen Stadtteil symbolisierte ein neues Selbstverständnis und zugleich den ungebremsten Machtanspruch. Die NSDAP hatte inzwischen über 100.000 Mitglieder, war keine Splitterpartei mehr und verzeichnete erste Wahlerfolge. In München und im Reich konnte sie auf die Unterstützung einflussreicher, großbürgerlicher Kreise zählen.

Das ‚Braunen Haus‘ war der erste Schritt zum Aufbau des neuen Machtzentrums der Partei, das sich ab 1933 um den Königsplatz herum entwickelte. Die Parteispitze um Hitler orientierte sich seit der Machtübernahme zunehmend nach Berlin und später zum Obersalzberg,  auch Teile der Parteiorgane siedelten in die Reichshauptstadt um. Dennoch blieb München das organisatorische und bürokratische Zentrum.

Blick von der Straße auf die Fassade eines dreistöckigen Hauses mit vielen Fenstern. Am Dach hängt ein Schild mit einem Hakenkreuz.

Das ‚Braune Haus‘ in der Brienner Straße 45, 1935 | © Bundesarchiv, Bild 102-17059 / Fotograf: Georg Pahl

Zudem wurde ein Mythos um den Ort der Parteigründung geschaffen: Offiziell verlieh Adolf Hitler der Stadt 1935 den Titel ‚Hauptstadt der Bewegung‘. Die Stadtregierung um Oberbürgermeister Karl Fiehler, die die Bezeichnung vorgeschlagen hatte, versuchte den Status für ihre Zwecke zu nutzen: im Tourismus, bei Förderanträgen oder städtebaulichen Maßnahmen.

Mit der Machtübernahme hatte sich der Parteiapparat erheblich vergrößert – und damit auch der Raumbedarf. Neben der Kernpartei mit ihren Unterabteilungen und Ämtern sowie den Gauen, Orts- und Kreisgruppen, Zellen und Blöcken, gab es NS-Organisationen wie die Hitlerjugend (HJ) oder die NS-Frauenschaft und an die Partei angeschlossene Verbände wie den NS-Studentenbund oder die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Dieses engmaschige Netzwerk sollte die Gesellschaft in vielen Teilbereichen ideologisch durchdringen, kontrollieren und auf Linie bringen.

Parteibauten am Königsplatz

1933 erhielt Paul Ludwig Troost den Auftrag, in unmittelbarer Umgebung des ‚Braunen Hauses‘ zwei monumentale Neubauten, den ‚Führerbau‘ und den ‚Verwaltungsbau der NSDAP‘, sowie zwei ‚Gedächtnishallen‘ für die Toten des 9. November 1923 zu errichten. Um dafür Platz zu schaffen, wurden an der Arcisstraße mehrere Häuser enteignet und abgerissen, darunter die Villa Pringsheim.

Ein Platz mit Granitplatten und Passant*innen. Dahinter zwei Gebäude und eine Säulenhalle.

‚Führerbau‘, ‚Braunes Haus‘ und ‚Ehrentempel‘ auf dem Königsplatz, 1937 | © Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

In der Mitte ist ein Platz umgeben von mehreren Gebäuden und Straßen.

Luftaufnahme des Königsplatz und des angrenzenden Areals, um 1937 | Quelle: Karl Fiehler (Hg.), München baut auf, 1937

Troost, eigentlich ein Spezialist für Schiffseinrichtungen, verstand es, Hitlers Vorstellungen von Inszenierung und Propaganda architektonisch umzusetzen. Die aggressive Ideologie und der Machtanspruch kamen in einem grobkantigen, reduzierten Neoklassizismus zum Ausdruck. Die Bauten wurden 1937 fertiggestellt und dienten als Stil-Vorbilder für fast alle weiteren Repräsentationsbauten in der NS-Zeit.

Der ‚Führerbau‘ wurde nur zu wenigen Anlässen genutzt, wobei einer von großer weltpolitischer Tragweite war: Am 29. und 30. September 1938 unterzeichnete die Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Italien dort, in Hitlers Arbeitszimmer, das Münchner Abkommen. Damit wurde die Tschechoslowakei gezwungen, das ‚Sudetenland‘ an das Deutsche Reich abzutreten.

Mehrere Männer stehen neben- und hintereinander in einem Raum und blicken in die Kamera.

Gruppenbild von der Münchner Konferenz (1. Reihe v.l.n.r: Arth​ur Neville Chamberlain, Edouard Daladier, Adolf Hitler, Benito Mussolini und Graf Galeazzo Ciano), 1938 | © Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

Im Verwaltungsbau gegenüber befand sich unter anderem die Dienststelle des Reichsschatzmeisters Franz Xaver Schwarz. Ihm oblag die gesamte Administration und vermögensrechtliche Vertretung der Partei sowie das Amt für Mitgliedschaften. In den Räumlichkeiten befand sich auch die zentrale Mitgliedskartei der NSDAP mit Akten zu 8,5 Millionen Parteiangehörigen.

Ein langer Flur mit hintereinander aufgereihten Tischen, an denen mehrere Personen Akten sortieren. Links und rechts stehen Schränke.

Mitarbeiter*innen bei der Verwaltung der Mitgliederkartei im Verwaltungsbau der NSDAP, März 1937 | © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv

60 Gebäude – 6000 Beschäftigte

Neben dem ‚Braunen Haus‘ und den beiden Monumentalbauten wurden mehr als 60 andere, umliegenden Gebäude von Parteidienststellen oder NS-Organisationen genutzt. Im gesamten Viertel waren zeitweise 6.000 hauptberufliche Partei-Mitarbeitende tätig. Dazu zählte etwa die Oberste SA-Führung, die 1933 in die Barerstraße 7-11 einzog. Als Leiter der SA hatte Ernst Röhm sein Büro bereits seit 1931 im ‚Braunen Haus‘. Der SA kam gerade in den frühen 1930er Jahren eine zentrale Rolle bei der ‚Eroberung der Straße‘ zu. Als die SA in Folge der ‚Nacht der langen Messer‘ 1934 entmachtet wurde, zog ihr Generalstab nach Berlin.

Das Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße, etwa 200 Meter vom ‚Braunen Haus‘ entfernt, war einst die Altersresidenz von Ludwig I. Im Juli 1933 zog hier die ‚Bayerische Politische Polizei‘ unter der Leitung von Reinhard Heydrich ein, der auch den Sicherheitsdienst der SS (SD) leitete. Die Politische Abteilung war zuvor aus der Polizeidirektion München, die seit März 1933 dem Reichsführer SS Heinrich Himmler unterstand, herausgelöst worden. Innerhalb kurzer Zeit wurde die Politische Polizei reichsweit zur ‚Geheimen Staatspolizei‘ (Gestapo) ausgebaut, die außerhalb der Kontrolle von Staat und Justiz stand. Im Norden des Geländes ließ Heydrich ein Hausgefängnis erbauen, in dem tausende politische Gegner inhaftiert, misshandelt und gefoltert wurden, darunter im Februar 1943 Hans und Sophie Scholl.  

Frontfassade eines vierstöckigen Gebäudes mit spitzzulaufenden Fenstern. Vor dem Gebäude ist eine Einfahrt mit Bäumen und einem niedrigen Zaun.

Wittelsbacher Palais in der Brienner Straße, 1930er Jahre | © Süddeutsche Zeitung Photo

Am Karolinenplatz 4 befand sich damals das Oberste Parteigericht der NSDAP, dessen Aufgabe unter anderem die Prüfung der Mitgliedsanträge, die Regelung von parteiinternen Streitigkeiten oder die Sanktionierung von parteischädigendem Verhalten war. Zeitweise als Parteirichter tätig war etwa Hans Frank, Hitlers Anwalt und der spätere Generalgouverneur von Polen. Nach den gewaltsamen Pogromen vom November 1938 sorgten die Verfahren des Parteigerichtes dafür, die Verbrechen und Täter zu vertuschen. Ordentlichen Gerichte wurden nicht involviert.

Kriegsende und Nachnutzungen

Einige der Parteigebäude wurden im letzten Kriegsjahr durch Luftangriffe schwer beschädigt. Das Wittelsbacher Palais brannte 1944 aus, das ‚Braune Haus‘ wurde im Januar 1945 vollständig zerstört. Die Parteibeschäftigen in den noch intakten Gebäuden verließen ihre Dienststellen spätestens in den in den letzten Kriegstagen – aus Angst vor der Ankunft der Amerikaner. In der Nacht vor der Befreiung Münchens, am 30. April 1945, plünderten viele Münchner die unbewachten Parteibauten. In den Kellerräumen des ‚Führerbaus‘ befanden sich nicht nur Lebensmittelreserven und Weinvorräte, sondern auch ca. 1.500 wertvolle Kunstwerke, darunter Werke von Rembrandt und Rubens. Die meisten waren für ein Museum in Linz vorgesehen und in München zwischengelagert. Etliche von ihnen hatten die Nationalsozialisten zuvor von jüdischen Sammler*innen erpresst oder geraubt. Mindestens 650 Kunstwerke wurden in der Nacht zum 30. April 1945 gestohlen. Es handelt sich um den größten Kunstraub der Geschichte Münchens. 400 dieser Kunstwerke sind bis heute verschollen geblieben.

Die US-Militärregierung löste die NSDAP und ihre angegliederten Verbände auf. Die baulichen Hinterlassenschaften im ehemaligen Parteiviertel wurden jedoch schnell weitergenutzt. Deutliche Hinweise auf die NS-Ideologie wurden entfernt. Ansonsten war man angesichts der akuten Raumnot in der Nachkriegszeit pragmatisch. Im ehemaligen ‚Verwaltungsbau‘ war zunächst die Sammelstelle für geraubte Kunst untergebracht – der Central Art Collecting Point. Seit 1946 befindet sich dort das Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Im ehemaligen ‚Führerbau‘ wurde 1948 das Amerikahaus eingerichtet. 1957 zog dort die Hochschule für Musik ein – und blieb bis heute.

Blick von der Straße auf die Frontfassade eines dreistöckigen Gebäudes Über dem Säuleneingang steht „Amerika Haus München“, darüber hängt die Flagge der USA.

Das Amerikahaus im ehemaligen ‚Führerbau‘, 1948 | © Süddeutsche Zeitung Photo

Kriegsende 1945. Die letzten Tage in der ‚Hauptstadt der Bewegung‘

Video

Am 30. April 1945 marschierten die Alliierten in München ein. Für die Stadt, in der der Nationalsozialismus entstanden war, die selbst ernannte ‚Hauptstadt der Bewegung‘, war damit der Zweite Weltkrieg beendet. Was ist in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs passiert? Unsere Direktorin Mirjam Zadoff macht mit euch eine kleine Zeitreise rund um den Königsplatz.

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