Quellen
Die Biographie basiert auf einem Interview mit Angehörigen der Familie Gougerot und auf Dokumenten, die sich in Besitz der Familie befinden.
Eintritt frei
Französischer Zwangsarbeiter im Reichsbahnausbesserungswerk Neuaubing
Als jüngstes Kind einer Bauernfamilie wuchs Marcel Gougerot mit drei Brüdern in dem kleinen Dorf Breuillet südlich von Paris auf. Bis zu seinem Militärdienst arbeitete er dort als Justierer. Gegen Ende seiner Dienstzeit wurde er zur Zwangsarbeit auf einen Bauernhof in Deutschland geschickt. Seine Erinnerung daran war verhältnismäßig positiv, da er sich dort als Arbeitskraft geachtet und wertgeschätzt fühlte. Beispielsweise durfte er am Tisch der Hofbesitzer essen, was ungewöhnlich war. Die Lebenssituation von Marcel Gougerot verschlechterte sich erheblich, als er in ein Sägewerk in der Nähe des Bodensees weitergeschickt wurde. Dort litten seine Mitgefangenen und er unter Hunger und Kälte. Seiner Erinnerung zufolge verloren einige von ihnen Zehen durch Erfrierungen und aßen alles, was sie finden konnten, einmal sogar einen streunenden Hund.
Ende 1943 kam Marcel Gougerot ins Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Neuaubing, wo er als „Zivilarbeiter“ geführt wurde. Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem Wachposten, der ihn misshandelt hatte, wurde Marcel Gougerot am 13. Februar 1945 ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Er berichtete später, dass er dort mit einem SS-Wachmann aneinander geraten sei, als er Leichen seiner Mithäftlinge in eine Grube werfen sollte. Diese Arbeit habe er zu langsam und mit Pietät verrichtet. Seiner späteren Einschätzung nach entging er damals nur knapp dem Tod. Zweieinhalb Monate später, am 29. April 1945, wurde er im Konzentrationslager von amerikanischen Truppen befreit.
Bald darauf kehrte Marcel Gougerot in seine Heimat zurück. Seit seiner Gefangennahme hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt. Als er zu Hause eintraf, wog er laut Aussage seiner Familie nur noch 40 Kilogramm. Seinen Kindern erzählte er später, dass ihn das Erlebte sehr verstört und er nur schwer in den Alltag zurückgefunden habe. Mit seinen Brüdern zerstritt er sich, als sie nach dem Krieg Lebensmittel zu überteuerten Preisen an Hungerleidende verkauften, um sich so zu bereichern. Er selbst nahm nach dem Krieg seine Arbeit als Justierer wieder auf.
Mit seinen Kindern sprach er ungern über die Zeit, die er in den Lagern des NS-Regimes verbracht hatte. Seine jüngste Tochter hatte deshalb lange Zeit Vorbehalte gegenüber den Deutschen. Ihr Vater aber unterschied stets zwischen der deutschen Bevölkerung sowie den Soldaten und den Mitgliedern der SS, die er für Folterknechte hielt.
Die Biographie basiert auf einem Interview mit Angehörigen der Familie Gougerot und auf Dokumenten, die sich in Besitz der Familie befinden.