Stefan Heym (10.4.1913 Chemnitz – 16.12.2001 En Bokek/Israel)

Biografien
Verfasst von Elisabeth Kraus

Deutscher Schriftsteller, Redakteur der Neuen Zeitung in München, Bundestags-Abgeordneter in den 1990er-Jahren

Stefan Heym wurde am 10.4.1913 als Helmut Flieg in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Chemnitz geboren. 1931 veröffentlichte er ein antimilitaristisches Gedicht, woraufhin er vom Gymnasium seiner Heimatstadt verwiesen wurde. Er ging nach Berlin, wo er ein Jahr später das Abitur ablegte und anschließend Germanistik, Philosophie und Zeitungswissenschaften studierte. Daneben schrieb er Artikel u.a. für die von Carl von Ossietzky geleitete Weltbühne.

Nach der NS-Machtübernahme emigrierte er nach Prag. Dort publizierte er erstmals unter dem Pseudonym „Stefan Heym“ für tschechoslowakische und deutschsprachige Zeitschriften.Mit dem Stipendium einer jüdischen Studentenverbindung gelang ihm 1935, dem Jahr, in dem sein Vater Selbstmord beging, die Einreise in die USA, wo er sein Studium an der Universität von Chicago fortsetzte und 1936 mit einer Arbeit über Heinrich Heine abschloss. Von 1937 bis 1939 war er in New York Chefredakteur der deutschsprachigen antifaschistischen Wochenzeitung Deutsches Volksecho. Für die Zeitung schrieben u.a. Thomas Mann, Ludwig Renn, Ilja Ehrenburg und Albert Einstein. Nachdem das Blatt finanziell immer stärker unter Druck geraten war, wurde es im September 1939 eingestellt.

Stefan Heym arbeitete danach als Vertreter einer Druckerei und als freier Schriftsteller in englischer Sprache. Bereits sein erster Roman Hostages (dt. Der Fall Glasenapp, 1958), der 1942 veröffentlicht wurde und den tschechischen Widerstand gegen die deutsche Okkupation zum Thema hatte, war ein großer Erfolg. Er wurde 1943 in den USA verfilmt.

Nahezu zeitgleich zu seiner Einbürgerung im Januar 1943 wurde seinem Gesuch um Aufnahme in die US-Armee stattgegeben. Heym wurde im Ausbildungslager Camp Ritchie in Maryland zusammen mit anderen deutschsprachigen Emigrant*innen in psychologischer Kriegsführung geschult und auf den Einsatz in Europa vorbereitet. Er nahm 1944 an der Invasion der Alliierten in der Normandie teil. Heyms Aufgabe bestand vorwiegend im Verfassen von Texten, die in Flugblättern, Lautsprecherübertragungen und Rundfunksendungen die Soldaten der Wehrmacht zur Aufgabe der Kampfhandlungen aufforderten.

Nach Kriegsende arbeitete Heym in München unter dem als US-Offizier zurückgekehrten Emigranten Hans Habe im Auftrag der US-Armee für die Neue Zeitung, eine der wichtigsten Zeitungen der amerikanischen Besatzungsmacht. Sie erschien ab Oktober 1945 in hoher Auflage. Heym war für das Auslands-Ressort zuständig. Er verließ im November das Blatt nach einem Zerwürfnis mit Hans Habe. Heym hätte einen Leitartikel mit antisowjetischer Tendenz verfassen sollen, was dieser ablehnte. Zurückversetzt in die USA, wurde er wegen seiner ‚prokommunistischen Haltung‘ aus der Armee entlassen. In den folgenden Jahren arbeitete er wieder als freier Schriftsteller.

Nachdem er aus Protest gegen den Korea-Krieg seine militärischen Auszeichnungen zurückgegeben hatte, verließ er 1952 die USA, ging zunächst über Warschau nach Prag, von wo er 1953 mit seiner amerikanischen Frau in die DDR übersiedelte. Dort verfasste er als freier Schriftsteller gesellschaftskritische Romane und Erzählungen und publizierte für Zeitungen und Zeitschriften. 1959 wurde er mit dem Nationalpreis (2. Klasse) der DDR für Kunst und Literatur ausgezeichnet. Es hatte zwar schon zuvor Spannungen mit der DDR-Staatsführung gegeben, u.a. über die Veröffentlichung seines Romans Der Tag X (späterer Titel Fünf Tage im Juni), Heyms Buch über den Aufstand vom 17.6.1953. Sie verschärften sich jedoch ab 1965, und es erfolgte ein Publikationsverbot.

Stefan Heym, der sich als kritischer Marxist verstand, geriet immer wieder in Konflikt mit dem SED-Regime. 1976 protestierte er, wie viele seiner Kolleg*innen, gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, 1979 wurde er wegen wiederholter unerlaubter Veröffentlichung in der Bundesrepublik verurteilt und aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Stefan Heym sympathisierte in den 1980er-Jahren mit der Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Während der friedlichen Revolution im Herbst 1989 hielt er mehrere Reden, so auch bei der Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz am 4.11.1989. Er sprach sich dabei gegen eine Wiedervereinigung bzw. eine Konföderation mit der Bundesrepublik und für einen erneuerten Sozialismus in der DDR aus. Bei der Bundestagswahl 1994 kandidierte Heym als Parteiloser auf der Liste der PDS und gewann ein Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Mitte. Als Alterspräsident hielt er im November 1994 die Eröffnungsrede zum 13. Deutschen Bundestag. Im Oktober 1995 legte Heym sein Mandat aus Protest gegen eine geplante Erhöhung der Diäten für Bundestagsabgeordnete nieder.  

In den Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands engagierte sich Stefan Heym nachdrücklich und öffentlich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und wurde 1993 als erster deutscher Schriftsteller mit dem Jerusalem-Preis für Literatur ausgezeichnet.
Nach der Teilnahme an einem Symposium über Heinrich Heine in Jerusalem starb Stefan Heym am 16.12.2001 in En Bokek am Toten Meer in Israel an Herzversagen. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee begraben.

Quellen

Heym, Stefan: Im Gespräch mit Dirk Sager, Berlin 1999.
Hutchinson, Peter: Stefan Heym. Dissident auf Lebenszeit, Würzburg 1999.
Hutchinson, Peter/Zachau, Reinhard (Hg.): Stefan Heym: Socialist – Dissenter – Jew/Stefan Heym: Sozialist – Dissident – Jude, Oxford 2003.
Ich habe mich immer eingemischt. Erinnerungen an Stefan Heym, hg. v. Theres Hörnigk, Berlin 2013.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Heym, Stefan (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/heym-stefan-339