Als Jugendlicher verließ Friedrich Löh in den Inflationsjahren nach dem Ersten Weltkrieg sein Elternhaus. Seine Eltern – der Vater war Bauarbeiter in Wassertrüdingen – konnten ihm keine höhere Ausbildung gewährleisten. Seine Wanderschaft durch Bayern bis nach Mannheim lässt sich anhand seiner Vorstrafen, u.a. wegen Bettelns und Landstreicherei, nachverfolgen. Ende der 1920er-Jahre trat er der französischen Fremdenlegion bei. Spätestens im Herbst 1933 kam er als Gelegenheitsarbeiter nach München und ließ sich dort nieder. Ein Jahr später, 1934, wurde seine uneheliche Tochter geboren. Jeglicher Kontakt zu ihr blieb ihm aber verwehrt.
Nach der Behandlung eines Nervenleidens in der Psychiatrischen Nervenklinik wies ihn das Wohlfahrtsamt München am 4.8.1937 gegen seinen Willen in die Fürsorgeeinrichtung Herzogsägmühle bei Peiting ein. Ohne Arbeit und aufgrund seiner Krankheit galt er als fürsorgebedürftig. Doch mit der Begründung, Friedrich Löh sei wegen seiner Vorstrafen und seiner psychischen Auffälligkeit ‚asozial‘, verwehrte ihm das Wohlfahrtsamt Hilfen zur Linderung seiner Notlage. Friedrich Löh sei ein „arbeitsscheuer Drückeberger“, der „um jeder Art Arbeit aus dem Wege zu gehen, Krankheiten vorschützt.“ Der Amtsarzt von Schongau, Dr. Weiß, stellte zwar eine „Arbeitsbeschränktheit“ über 30 % auf Grund eines Nervenleidens fest, bestätigte jedoch die Diagnose: „[…] schwerer Simulant und Psychopath Arbeitsscheu! […] Wenn auch eine Nervenerkrankung geringen Grades vorhanden ist, so handelt es sich bei Löh doch um einen schweren Psychopathen der, durch Übertreibung Arbeitsunfähigkeit vortäuschen will“ (LAELKB, Insassenakte Friedrich Löh). Handschriftlich wurde „nicht vermittelbar“ hinzugefügt, was bedeutete, Löh solle nicht in ein freies Arbeitsverhältnis vermittelt werden.
Im ‚Zentralwanderhof Herzogsägmühle‘ erfuhr er ebenfalls keine Unterstützung. Stattdessen erfolgte nach wenigen Tagen bereits durch deren Leiter Alarich Seidler die Anzeige zur Überstellung in das Konzentrationslager Dachau. Vorausgegangen war ein Streit zwischen Friedrich Löh und dem SS-Mann Vinzenz Schöttl: „Der Wanderhof-Insasse Friedrich Löh, der ständig durch sein freches und aufdringliches Wesen auffällt, propagandiert dauernd mit seiner alten gewesenen Mitgliedschaft im Wanderhof umher. Als ich heute L. in meinem Dienstzimmer zurechtwies, antwortete er: Wenn alle alten Parteigenossen so wären als Sie, so wäre es um uns alte schlecht gestellt. Löh hat immer Sonderwünsche, wie Geld pumpen um Zigaretten zu kaufen. Bitte die Akte des Löh prüfen zu wollen, ob seine Angabe betreffs Parteizugehörigkeit stimmt. L. will sich bei Standartenführer Seidler über mich beschweren“ (LAELKB, Insassenakte Friedrich Löh).
Der ‚Fürsorger‘ Vinzenz Schöttl wurde zum Zeitpunkt der KZ-Einweisung von Friedrich Löh noch vom KZ-Dachau bezahlt. Er war einer von drei SS-Mitgliedern, die auf Bitten von Direktor Alarich Seidler im Juli 1937 vom Konzentrationslager Dachau nach Herzogsägmühle gekommen waren, um dort ‚auszuhelfen‘. 1946 wurde Schöttl aufgrund seiner Verbrechen als Mitglied des SS-Totenkopf-Verbandes in den Konzentrationslagern Dachau, Neuengamme, Majdanek und Auschwitz-Monowitz nach dem ersten amerikanischen Dachauer NS-Verbrecherprozess hingerichtet.
Nach einer Odyssee durch die Lager Mauthausen und Sachsenhausen wurde Friedrich Löh vom KZ Dachau im Februar 1942 auf ‚Invalidentransport‘ geschickt. Am 24.4.1942 tötete man ihn in der „Euthanasie“-Mordanstalt Hartheim durch Gas.
Im Jahr 2007 meldete sich seine Enkelin auf der Suche nach ihrem Großvater. Sie war die erste in der Familie, die das Schweigen über ihren Großvater brechen wollte. In der Familie ist nichts von Friedrich Löh überliefert, kein Brief, kein Foto, keinerlei Erinnerung. Der einzige Anhaltspunkt für die Enkelin war das Tabu der KZ-Haft.