Thomas Rade (1921 Kärnten – 1972 München)

Biografien
Verfasst von Sarah Grandke

Als „Zigeuner“ verfolgter Münchner

Der Hotelangestellte und Händler Thomas Rade (Name auf Wunsch von Angehörigen psudonymisiert) lebte ab 1939 in München. Wie allen Sinti*zze und Rom*nja war es auch ihm verboten, die Stadt ohne Genehmigung zu verlassen. Als er 1942 gegen diese Anordnung verstieß, wurde er inhaftiert und ins KZ Dachau gebracht. Im August 1942 konnte er von dort fliehen, doch wurde er nach etwa 14 Tagen wieder aufgegriffen und ins Lager zurückgebracht.

Im Dachauer Krankenbau wurde Thoams Rade mehrere Male Opfer medizinischer Experimente, unter anderem zur Herstellung eines Impfstoffs gegen Malaria und zur Trinkbarmachung von Meerwasser. Diese hinterließen bei ihm bleibende gesundheitliche Schäden.

Im Oktober/November 1944 musste Rade im Dachauer KZ-Außenlager Weißsee unter extremen Bedingungen beim Bau eines Stausees Zwangsarbeit leisten. Das Lager befand sich inmitten der Alpen und wurde auch „Lager Großglockner“ genannt. Gegen das raue Klima waren die KZ-Häftlinge nur unzureichend ausgestattet. Es mangelte an festem Schuhwerk und warmer Kleidung. Ungefähr 450 Häftlinge arbeiteten fast ein halbes Jahr kontinuierlich in dem unzugänglichen Gelände. Viele von ihnen hatten zuvor eine Flucht unternommen. Auch Rade hatte einen „Fluchtpunkt“ an seiner Kleidung, welcher ihn für das Wachpersonal besonders kenntlich machte. Ab Ende 1944 musste Thomas Rade im KZ Buchenwald/Außenlager Langensalza für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten. Im April 1945 wurde er vermutlich wieder ins KZ Dachau zurückgeschickt und durch amerikanische Truppen befreit.

Nach dem Krieg lebte Rade in ärmlichen Verhältnissen und musste Jahre auf eine Haftentschädigung warten. In Folge eines schweren strafrechtlichen Vergehens wurde Rade 1969 zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er konnte aus der Haft entkommen, wurde aber bald wieder gefasst. Im Gefängnis München-Stadelheim, in dem er bereits 1942 einmal inhaftiert gewesen war, nahm sich Thomas Rade 1972 das Leben.


Zitat Karl Höllenreiner/Meerwasserversuche:
„Dann kamen wir in den Krankenbau, in die sogenannte chirurgische Abteilung. Dann, wir waren 40 Mann, dann kam ein Arzt von der Luftwaffe und untersuchte uns. Da mussten wir uns ausziehen und nacheinander hinstellen. Dann sagte er uns: So, ihr bekommt jetzt gutes Essen, so wie ihr es noch nie bekommen habt und dann muesst ihr Hunger leiden und Seewasser trinken. Ein gewisser [Thomas Rade] weigerte sich dagegen, weil er schon Kaltwasser-Experimente gemacht hat und er wollte keinen anderen Versuch mehr mitmachen. Der Herr Doktor von der Luftwaffe sagte: „Wenn du nicht ruhig bist und meuterst, dann werde ich dich sofort erschiessen.“ Denn der Herr Doktor von der Luftwaffe hatte immer eine Pistole und dann waren wir alle ruhig. […]“ (Dörner, Klaus (Hrsg.): Der Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47: Wortprotokolle, Anklage- und Verteidigungsmaterial, Quellen zum Umfeld [Mikrofiche-Ausg.], München 1999, 2/10680f.).

Quellen

Bundesarchiv Berlin, Bestand R165/169.
KZ-Gedenkstätte Dachau, Anfrage vom 12.3.2014.
Gedenkstätte Buchenwald Weimar, Anfrage vom 25.3.2014 und 2.4.2014.
Archiv des Internationalen Suchdienstes/ITS Bad Arolsen
Schmolling, Rolf: Bad Langensalza, in: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 3, München 2009, S. 484-486.
Knoll, Albert: Weißsee, in: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, München 2009, S. 527-529.

Empfohlene Zitierweise

Sarah Grandke: Rade, Thomas (publiziert am 21.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/rade-thomas-666