Hermann Schülein (21.1.1884 München – 15.12.1970 New York City)

Biografien
Verfasst von Ilse Macek

Jüdischer Unternehmer und Bierbrauer, heimatverbundener und sozial engagierter Emigrant

Hermann Schülein kam als zweites der sechs Kinder des aus der kleinen Gemeinde Thalmässing in Franken stammenden Joseph Schülein und seiner Frau Ida, geborene Baer, auf die Welt. Er studierte neben Philosophie und Recht das Fach politische Ökonomie, das er mit der Promotion abschloss. 1913 heiratete er Luise Fanny (Lisl) Levy. Sie hatten eine Tochter Annemarie. Seinem Vater war in München ein rasanter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aufstieg gelungen, zunächst als Miteigentümer der Bank, die den neuen Schlachthof mitfinanziert hatte, dann als Eigentümer der Unionsbrauerei, hinzu kamen die Kindlbrauerei, 1919 die Fusion mit der legendären Löwenbräu und 1921 die mit der Bürgerbräu AG.

Hermann Schülein wurde 1924 Generaldirektor des Unternehmens Löwenbräu, das mit über 600 Beschäftigten und seiner Exportorientierung zu den größten Brauereien des Landes gehörte. Die Familie Schülein war beliebt bei den Arbeiter*innen, da das soziale Klima in der Firma sehr gut war. Der Firmenchef hatte einen hervorragenden Ruf in der Münchner Gesellschaft und in Wirtschaftskreisen, was zunächst auch die Nationalsozialist*innen bei ihren Angriffen auf die Familie Schülein zögern ließ.

1936 jedoch wurde die Lage bedrohlicher und Hermann Schülein konnte mit der Bürgschaft eines der größten Hopfenhändler der Welt, „Sam“ Steiner, über die Schweiz nach New York emigrieren. Sein Bruder Fritz Schülein – Vater Joseph war im September 1938 auf seinem Schlossgut Kaltenberg eines natürlichen Todes gestorben – floh als letztes der sechs Geschwister 1938 nach KZ-Haft in Dachau zu ihm nach New York. Hermann Schülein war aufgrund seiner guten Verbindungen und erstklassiger Referenzen ins Direktorium der Liebmann Brauerei in Brooklyn aufgestiegen und leitete das Unternehmen zusammen mit Philip Liebmann, dem Urenkel des Firmengründers Samuel. Die Firma erlebte unter seiner und Liebmanns Leitung einen großen Aufschwung. In den 1950er und 1960er Jahren sollte die Liebmann Brauerei mit ihrer Biermarke „Rheingold“ das Zehnfache des Ausstoßes der ehemaligen Löwenbrauerei erreichen, wohl auch aufgrund der „Marketingstrategie“ mit der jährlichen „Miss Rheingold“-Wahl, an der sich bis zu 25 Millionen Menschen beteiligten. 1976, sechs Jahre nach Hermann Schüleins Tod, endete die Existenz der Rheingold Breweries.

Lisl Schülein war 1950 mit nur 56 Jahren verstorben. Hermann Schülein blieb auch als New Yorker seiner Heimatstadt München immer verbunden. Er hatte während des Kriegs aus dem nationalsozialistischen Deutschland Geflüchtete mit Affidavits (Bürgschaftserklärungen) und Jobs versorgt. Nach dem Krieg gehörte er deutsch- bzw. bayerisch-amerikanischen Gesellschaften aller Art an, sandte großzügig Care-Pakete nach Deutschland und unterstützte den Wiederaufbau Münchens mit großen Spenden. Er verzichtete sogar auf die Rückerstattung einiger enteigneter Grundstücke in Berg am Laim zugunsten des Baus einer Siedlung mit Sozialwohnungen am heutigen Schüleinplatz.

Quellen

Münzel, Martin/Schreiber, Beate: Hermann Schülein (1884-1970), in: Immigrant Entrepreneurship. German-American Business Biographies. 1720 to the Present. URL: http://www.immigrantentrepreneurship.org/entry.php?rec=200 (zuletzt aufgerufen am 28.11.2023)
Hofmann, Rolf: Die Liebmann Brauerei in New York – und ihre Beziehungen zu den Familien Schülein und Steiner. Vortrag in der ehemaligen Synagoge Bopfingen-Oberndorf am 10.05.2000, Stuttgart 2000. URL: http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20Bayern/LIEBMANN%20BRAUEREI.pdf (zuletzt aufgerufen am 28.11.2023)
Wilhelm, Hermann: Die Schüleins. Aufstieg, Enteignung und Flucht. Zur Geschichte einer jüdischen Brauerei-Familie in München, München 2000.

Empfohlene Zitierweise

Ilse Macek: Schülein, Hermann (publiziert am 28.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/schuelein-hermann-760