Gerty Spies (13.1.1897 Trier – 10.10.1997 München)

Biografien
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende

Gerty Spies (1897-1997) | Stadtarchiv München

Gerty Spies (geb. Gertrude Elisabeth Gumprich) entstammte einer alteingesessenen, angesehenen deutsch-jüdischen Familie in Trier, wo ihr Vater Sigmund Gumprich (1861-1926) ein Bekleidungsgeschäft führte und als Mundartdichter bekannt war. Sie genoss eine liberale Erziehung und legte nach dem Abschluss der höheren Schule das Staatsexamen in Hauswirtschaftslehre an der „Frauenschule“ des Auguste-Viktoria-Lyzeums in Trier ab. Anschließend erlernte sie am Fröbelseminar in Frankfurt am Main den Beruf der Erzieherin. Eine 1920 geschlossene Ehe mit dem Chemiker Alfred Spies wurde 1927 geschieden. 1929 zog Gerty Spies mit ihrer Tochter nach München, der Sohn lebte in Bethel.

Im nationalsozialistischen Deutschland galt sie wegen ihrer Ehe mit einem Nichtjuden und der gemeinsamen Kinder unter den verfolgten Juden als „privilegiert“. So entging sie zunächst der 1941 einsetzenden Ghettoisierung und Deportation der jüdischen Bevölkerung, wurde jedoch zum Arbeitseinsatz, unter anderem im Bruckmann-Verlag, zwangsverpflichtet. Im Juli 1942 folgte dann der Abtransport in das KZ Theresienstadt. Zwangsarbeit, Hunger und Kälte sowie der täglichen Konfrontation mit dem Tod setzte sie das Wort entgegen. Während der drei Jahre in Theresienstadt entstanden Gedichte und Prosaskizzen, niedergeschrieben auf entwendetem Packpapier.

Spies überlebte; sie war unter den etwa 160 Münchner Judinnen*Juden, die im Juni 1945 aus Theresienstadt nach Hause zurückkehrten. Anders als ihre Tochter, die Deutschland 1949 verließ und in die USA auswanderte, blieb Gerty Spies. Ihre in der KZ-Haft entstandenen Aufzeichnungen verarbeitete sie zu einem Gedichtband, der 1947 unter dem Titel „Theresienstadt“ im neugegründeten Freitag-Verlag in München erschien. Ihre autobiographischen Erinnerungen „Drei Jahre Theresienstadt“ und ihr Roman „Bittere Jugend“ dagegen fanden in der jungen Bundesrepublik keinen Verleger mehr. Erst in den 1980er Jahren wurde Spies' literarisches Werk wiederentdeckt, teils erstmals veröffentlicht und gewürdigt. Die stets auf Verständigung bedachte Schriftstellerin, seit 1984 Ehrenvorsitzende der Münchner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, starb 1997 hochbetagt im Jüdischen Seniorenheim in der Kaulbachstraße.

Quellen

Gauch, Sigfrid: Spies, Gerty, geborene Gumprich, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 24, Berlin 2010, S. 692f.
Salamander, Rachel: „Es hat etwas Versöhnendes“. Das Schreiben der Gerty Spies, in: Münchner Beiträge zur jüdischen Geschichte und Kultur, 1, 2008, S. 49-72.
Wall, Renate: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933-1945, Gießen 2004, S. 417ff. (Eintrag zu Spies, Gerty).

Werke von Gerty Spies:
Theresienstadt. Gedichte, München 1947.
Drei Jahre Theresienstadt, München 1984.
Im Staube gefunden. Gedichte, München 1987.
Das schwarze Kleid. Eine Erzählung, München 1992.
Bittere Jugend. Roman, Frankfurt am Main 1997.

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Spies, Gerty (publiziert am 24.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/spies-gerty-789