Ausstellung

John Heartfield. Fotografie plus Dynamit

2. Dez. 2021 bis 24. April 2022

Von 2. Dezember 2021 bis 24. April 2022 zeigte das NS-Dokumentationszentrum München die Ausstellung John Heartfield. Fotografie plus Dynamit. John Heartfield (1891–1968) gehört zu den innovativsten Künstler*innen des 20. Jahrhunderts. Mit polarisierenden Fotomontagen prangert Heartfield den Krieg, soziale Ungerechtigkeit und den Nationalsozialismus an. Der Kommunist und leidenschaftliche Kriegsgegner durchschaut und bekämpft die Nationalsozialisten und Adolf Hitler bereits lange vor deren Machtantritt. Seine bissigen Motive gegen Faschismus und Krieg machen ihn zu einem der meistgehassten Gegner des NS-Regimes.

Aus der Bilderflut der Massenmedien entwickelt Heartfield zu Beginn der Weimarer Republik seine meisterhafte Bildrhetorik. Die Kunstformen Satire und Fotomontage beherrscht er wie kaum ein anderer. Er nennt sich ‚Monteur‘ statt ‚Künstler‘, seine Kunst entsteht für Zeitschriften, Bücher, Flugblätter und Plakatsäulen, nicht für ein Kunstpublikum. Sie ist politische Agitation für die Arbeiterklasse – und Provokation gegenüber den bürgerlichen Eliten.

Heartfields Montagen legen die Manipulierbarkeit des Mediums Fotografie offen und zeigen auf, wie Bilder als politische Waffe genutzt und missbraucht werden können. Gerade jetzt tritt die Aktualität seiner Montagen wieder deutlich zutage, denn der Wahrheitsgehalt von Bildern und Botschaften ist politisch schwer umkämpft und gezielte Falschmeldungen von rechts fordern zur Gegenwehr heraus.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Akademie der Künste, Berlin. Sie beherbergt den Nachlass Heartfields, hat ihn umfassend erforscht und mit Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung digitalisiert sowie online gestellt. Für die Präsentation im NS-Dokumentationszentrum München wurde ein eigenes Ausstellungskonzept entwickelt, das Schlaglichter auf die vielen Facetten von John Heartfields Schaffen wirft und seine politischen Montagen dem historischen und dem zeitgenössischen Blick aussetzt. Komplexe Bezüge zu Geschichte und Gegenwart werden sichtbar. Neben Schlüsselarbeiten sind auch weniger bekannte Werke zu entdecken. Sie zeugen von Heartfields durch die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts zerrissenen Biografie. Zu sehen ist außerdem die Videoinstallation Wer leidet, der schneidet (2019/20) von Marcel Odenbach, eine komplexe Hommage an den Künstler John Heartfield und zugleich eine Reflexion über die Montage als Kunstform der Moderne.

Die Ausstellung im ersten Obergeschoss des NS-Dokumentationszentrums gliedert sich in fünf Abschnitte:

Krieg dem Kriege

Die Warnung vor dem Grauen des Kriegs zieht sich als zentrales Motiv durch John Heartfields Schaffen. Der Erste Weltkrieg ist dabei Ausgangpunkt und Antrieb für seinen kompromisslosen Pazifismus und die Hinwendung zur Fotomontage als revolutionärer Ausdrucksform. Seine Wut richtet sich vor allem gegen die in seinen Augen todbringende Allianz aus Militarismus und Kapitalismus. Früh schon entlarvt er Adolf Hitler und die Nationalsozialisten als gefährliche Kriegstreiber. Für die sinnbildliche Darstellung des Kriegs verwendet Heartfield ein Repertoire ikonografischer Bilder und Zeichen: Dazu gehören Schlachtfelder mit Gefallenen, Bajonette, Kanonenrohre, Pickelhauben, Orden oder andere Insignien des Militarismus.

„In die Lüge eine Bresche schlagen“

John Heartfield benutzt die Fotomontage, um die nationalsozialistische Propaganda strategisch zu unterwandern. Mit raffinierter Text-Bild-Kombinatorik entlarvt er die Lügen, die von den Nationalsozialisten tagtäglich verbreitet werden und legt die verborgene Wahrheit offen. In den letzten Jahren der Weimarer Republik ist die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ), in der Heartfields Arbeiten zahlreich erscheinen, eine wichtige Waffe im kommunistischen Wahlkampf. Die Zeitung erlangt mit ihren bissigen Kommentaren zum politischen Zeitgeschehen internationale Aufmerksamkeit.

John Heartfields Montagekunst verweist indirekt immer auch auf die grundsätzliche Manipulierbarkeit von Fotografien und Fakten. Die politische Auseinandersetzung um ‚die Wahrheit‘ ist immer noch allgegenwärtig und findet heute ihr Ventil in Kampfbegriffen wie ‚Lügenpresse‘ oder ‚Fake News‘.

Im Kampf vereint

John Heartfield versteht seine Kunst als Beitrag zum politischen Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse. Aus einem tiefen Sinn für Gerechtigkeit und aus Gegnerschaft zu den herrschenden Eliten tritt er noch am Gründungstag der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. In den zwanziger Jahren entwirft Heartfield für die Agitations- und Propagandaabteilung der KPD und den Roten Frontkämpferbund Wahlplakate, Flugblätter und Embleme sowie Illustrationen und Gestaltungen für Publikationen. Doch die Ästhetik seiner prägnanten Motive trifft dort auch auf Widerstände, denn die KPD steht dem Einsatz von Bildern und Kunst in der Propaganda skeptisch gegenüber, ebenso der Avantgarde.

Aus heutiger Sicht und nach den Erfahrungen der diktatorischen Systeme des 20. Jahrhunderts erscheint Heartfields symbolisches Inventar aus muskulösen Männerarmen, Fäusten und Fahnen problematisch. Gleichzeitig ist seine Kritik an militantem Nationalismus und kapitalistischer Ausbeutung nach wie vor relevant. Die Geste der erhobenen Faust hat beispielsweise in der jüngsten Zeit durch die Black Lives Matter Bewegung wieder an Aktualität gewonnen.

Bruch- und Nahtstellen einer Biografie

Die politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts hinterlassen im Leben und Werk John Heartfields biografische und ideologische Bruchstellen. Er ist wiederholt gezwungen, sich an veränderte Arbeitsbedingungen und unterschiedliche politische Systeme anzupassen. Im Londoner Exil erlebt er eine schwierige Zeit mit vorübergehender Internierung, mehrjährigem Arbeitsverbot und permanenter Angst vor Abschiebung. Ab 1943 kann er sich dort vor allem mit Gestaltungen von Sachbüchern und Belletristik über Wasser halten. Als Heartfield 1950 in die neu gegründete DDR übersiedelt, ist er als Westemigrant zunächst verdächtig. Seine Kunst wird vom offiziellen Kulturbetrieb als ‚bürgerlicher Formalismus‘ abgelehnt. Erst durch die Veränderungen in der UdSSR nach dem Tode Josef Stalins (1953) wird er in der DDR künstlerisch und politisch rehabilitiert. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1968 erfährt Heartfield auch in Westdeutschland noch späte Anerkennung, als die Studentenbewegung den antifaschistischen Künstler für sich entdeckt.

Benütze Foto als Waffe

Als John Heartfield 1929 auf der Internationalen Werkbund-Ausstellung Film und Foto ausstellt, überschreibt er seine Werkschau mit dem Aufruf „Benütze Foto als Waffe!“. Er deklariert die Fotografie zum wichtigsten Medium im politischen Kampf und fordert dazu auf, sie als solches gezielt einzusetzen. Dieser Appell hallt bis heute nach: in der Alltagskultur, der politischen Kommunikation und der Kunst. Techniken von Schnitt und Montage sind in der zeitgenössischen Kunst seit den 1960er Jahren sehr präsent. Künstler*innen verlassen ihre traditionellen Räume und drängen mit politischen Botschaften in den öffentlichen Raum. Die kritische Auseinandersetzung mit der medialen Bilderflut, insbesondere mit Bildern der Gewalt, ist ein zentrales Thema für politisch engagierte Künstler*innen.

In den Sozialen Medien wird versucht, mit Memes und Fake News den politischen Diskurs zu beeinflussen. Komplexe Sachverhalte, Narrative und Gefühle werden zu einem einzelnen Bild oder einer Phrase komprimiert. Wie stark diese größtenteils unkontrollierbaren Formen der Kommunikation tatsächlich in politische Entscheidungsprozesse eingreifen, ist noch nicht ausreichend erforscht. Fest steht, dass manipulierte Bilder gezielt für politische Zwecke missbraucht werden können.