Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste von Arnold Dreyblatt am Königsplatz | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber

Meldung

The Blacklist / Die Schwarze Liste

Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen von 1933

Der Stadtrat der Landeshauptstadt München beschloss 2016, im öffentlichen Raum an die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen von 1933 zu erinnern. Aus dem international ausgelobten Wettbewerb ging der Entwurf des Berliner Künstlers Arnold Dreyblatts als Gewinner hervor. Der Titel des 2021 realisierten Kunstwerks The Blacklist / Die Schwarze Liste bezieht sich auf die ‚schwarzen Listen‘ mit unerwünschter Literatur, die im Frühjahr 1933 von dem nationalsozialistischen Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann erstellt wurden. An ihnen orientierten sich die Organisatoren der Bücherverbrennungen. Die Buchtitel auf der Mahnmal-Spirale umfassen die Publikationen von 310 Autor*innen, die vom NS-Regime und seinen Anhängern geächtet und verfemt wurden.

Die Jury lobte an Dreyblatts Entwurf, dass er die  geistige und kulturelle Leistung der Autor*innen in den Mittelpunkt stellt und nicht den Akt des Verbrennens und Vernichtens. Die Aussage des Kunstwerks sei mehrdimensional und wirke in die Gegenwart und Zukunft: Auf der einen Seite wird zu einer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie angeregt, auf der anderen Seite zur Beschäftigung mit dem verfemten Kulturgut selbst.

Von jedem der 310 Autoren hat Arnold Dreyblatt die letzte Veröffentlichung bis einschließlich 1933 ausgewählt. Dieser Text soll ein „poetisches Fenster“ in eine verschwundene Welt öffnen und gleichzeitig auf deren aktive Zerstörung hinweisen. Ohne Interpunktion durchlaufend, enthüllen die Titel die politischen, wissenschaftlichen und literarischen Themen der Zeit – wobei die Wörter und Textfragmente aufeinanderprallen und neue assoziative Bedeutungen für unsere Gegenwart offenbaren. Die Spiralform verweist auf den Akt der Verbrennung, auf die Spirale aus Rauch und brennenden Papierseiten, die man auf den historischen Fotografien der Bücherverbrennungen sieht.

The Blacklist / Die Schwarze Liste befindet sich zentral in der halbrunden Fläche vor der Treppe der Staatlichen Antikensammlungen am historischen Ort der Bücherverbrennung. Sie fügt sich in die architektonische Symmetrie des historischen Königsplatzes und der umgebenden Topographie ein. Eine Gedenktafel verweist auf die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen und das Kunstwerk sowie auf die Website des NS-Dokumentationszentrums, auf der ergänzende Informationen – unter anderem auch die vollständige Liste der verwendeten Buchtitel und Autor*innen – zu finden sind (www.buecherverbrennung-muenchen.de). Das begehbare Kunstwerk besteht aus zwei eingefärbten, 20 cm dicken Stahlbetonplatten, die ebenerdig auf einem Fundament befestigt sind. Das kreisrunde Kunstwerk hat einen Durchmesser von 8 m und enthält eine Textspirale aus ca. 9.600 Buchstaben, die 5 cm hoch, jeweils 3 mm tief in diese Bodenplatte eingelassen sind. Das Kunstwerk wurde von der Firma Hemmerlein Ingenieurbau GmbH angefertigt und aufgestellt.

Die Bücherverbrennungen

In der Nacht des 10. Mai 1933 marschierten in 22 deutschen Städten Zehntausende Menschen skandierend durch die Straßen, versammelten sich an zentralen öffentlichen Plätzen und verbrannten flankiert von Schaulustigen zu Scheiterhaufen aufgehäufte Bücher und Schriften. Es waren Werke von pazifistischen, jüdischen oder marxistischen Autor*innen, darunter berühmte Geistesgrößen wie Lion Feuchtwanger, Rosa Luxemburg oder Erich Maria Remarque. Die Aktionen gingen von der antisemitischen Deutschen Studentenschaft aus. Sie fanden im Rahmen der Aktion wider den undeutschen Geist statt und bildeten den Auftakt zur systematischen Entfernung aller den Nationalsozialisten nicht genehmer Literatur aus Bibliotheken, Buchhandlungen und dem Literaturbetrieb. Bis in den Oktober 1933 hinein folgten weitere Aktionen; nachgewiesen sind insgesamt ca. 100 Bücherverbrennungen in 70 Städten. Neben den Studierenden als Hauptorganisatoren beteiligten sich auch andere Akteure, wie die Hitler-Jugend, SA- und SS-Gruppen oder der Kampfbund für deutsche Kultur. Die Verbrennungsexzesse wurden von Plünderungen, Razzien oder Zerstörungen von Privatwohnungen begleitet.

In München kam es zu zwei Bücherverbrennungen am 6. und am 10. Mai auf dem Königsplatz. Am 6. Mai 1933 veranstaltete die Hitler-Jugend dort eine erste Bücherverbrennung. Emil Klein, der HJ-Geschäftsführer für München, und der damaligen Stadtschulrat Josef Bauer hielten auf den Stufen der staatlichen Gemäldesammlung  hetzerische Ansprachen. Am 10. Mai zogen, nach einer Kundgebung im Lichthof der LMU, Studierende der beiden großen Hochschulen sowie mit ihnen mehrere tausende Schaulustige in einem Fackelzug durch die Straßen zum Königsplatz. Hier sollen sich bis zu 70.000 Menschen versammelt haben. Neben dem Hauptorganisator, dem Studenten Karl Gegenbach, hielt auch der ‚Älteste der Deutschen Studenten‘ und spätere SS-Oberführer Kurt Ellersiek eine Ansprache.

Die Bücherverbrennungen bildeten einen zentralen und symbolträchtigen Teil der NSDAP-Machtdurchsetzung auf lokaler Ebene. Für die Schriftsteller*innen folgten Berufsverbote, sie gaben das Schreiben auf, gingen in den Untergrund oder mussten ins Ausland emigrieren; nicht wenige von ihnen wurden später ermordet. Viele ihrer Werke wurden nach und nach vergessen – manche blieben bis heute unbekannt. Das NS-Dokumentationszentrum München beherbergt als Dauerleihgabe der Universitätsbibliothek Augsburg einen Teil der Bibliothek der verbrannten Bücher, der Sammlung Georg P. Salzmanns, mit einer Auswahl von Ausgaben der im Mai 1933 verbrannten Bücher.