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Preis

Preis des nsdoku 2020

Preisträger*in: Fondation du Camp des Milles – Mémoire et Éducation

Seit 2018 vergibt das NS-Dokumentationszentrum München alle zwei Jahre einen Preis an herausragende Publikationen, Aktivitäten und Projekte, die maßgeblich zur Aufklärung über den Nationalsozialismus, die vom NS-Regime begangenen Verbrechen sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit beitragen. 2019/2020 geht der mit 8.000 Euro dotierte Preis an die Fondation du Camp des Milles – Mémoire et Éducation in Aix-en-Provence zu verleihen. Damit wird die herausragende Erinnerungsarbeit an der Gedenkstätte Site-Mémorial du Camp des Milles ausgezeichnet und ein Zeichen für die große Bedeutung der transnationalen Erinnerung in Europa in Zeiten eines zunehmenden Extremismus gesetzt.

Bei dem in der Nähe des südfranzösischen Aix-en-Provence gelegenen Camp des Milles handelt es sich um eine ehemalige Ziegelei, die von 1939 bis 1942 zuerst als Gefangenenlager und später als Deportationslager für die jüdische Bevölkerung genutzt wurde. Über 30 Jahre kämpfte eine Initiative darum, die Anlage vor der Zerstörung zu bewahren. 2012 wurde der Ort schließlich zur Gedenkstätte erklärt und ausgebaut. Das Lager „Les Milles“ steht exemplarisch für die komplexe Geschichte der Verbrechen der Deutschen im besetzten Frankreich und die Kollaboration und Mitverantwortung der Vichy-Regierung. Es handelt sich um einen Ort, an dem die spezifische Geschichte von Flucht, Migration und Deportation während des NS-Regimes besonders anschaulich erzählt wird.

Die Jury hebt in ihrer Begündung insbesondere die engagierte Bildungsarbeit der vergleichsweise jungen Einrichtung heraus. Die Site-Mémorial du Camp des Milles arbeitet aktiv mit jungen Menschen zusammen und sucht in der Auseinandersetzung mit der Geschichte immer auch die Anbindung an die Gegenwart. Wie lassen sich beispielsweise Mechanismen, die zum Hass führen, rechtzeitig erkennen und wie kann heute aktiv Widerstand gegen rechtsextreme, antisemitische und rassistische Tendenzen geleistet werden? Dabei wird großer Wert auf die Perspektiven junger Zielgruppen gelegt, etwa beim Sprechen über Antisemitismus mit muslimischen Jugendlichen. Andere Zielgruppen sind beispielsweise Polizist*innen und Richter*innen, die im Rahmen von Seminaren für Themen wie Rassismus und Antisemitismus sensibilisiert werden. Während des Corona-Lockdowns hat sich die Gedenkstätte zudem als sehr dynamisches Bildungszentrum erwiesen: Schulbesuche der ‚Les Milles‘-Teams in Klassen, die pandemiebedingt nicht mehr reisen durften, digitale Fernlehrgänge für Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen, Lehrer*innen, etc. sowie die Bereitstellung von Ressourcen online.

Die Preisvergabe ist ein Signal für einen lebendigen Diskurs über die gemeinsame Geschichte und Erinnerung und eine Aufforderung zur transnationalen Zusammenarbeit europäischer Erinnerungsorte. Die Entscheidung der Jury bestärkt das NS-Dokumentationszentrum darin, sich angesichts einer wachsenden Tendenz nationalistischer Geschichtsvergessenheit mit historischen Einrichtungen anderer Länder solidarisch zu zeigen und sie zu unterstützen.

Der Preis des NS-Dokumentationszentrums München soll Alain Chouraqui, dem gesetzlichen Vertreter der Stiftung Camp des Milles – Mémoire et Éducation, im Rahmen einer Preisverleihung am 23.11.2021 stellvertretend überreicht werden.