Philipp Auerbach (8.12.1906 Hamburg – 16.8.1952 München)

Biografien
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Bayerischer Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, Präsident des bayerischen Landesentschädigungsamts

Philipp Auerbach mit zwei Klienten in seinem Büro in der Münchner Holbeinstraße 11, 19.10.1948 | Haus der Bayerischen Geschichte, bp-2138.5.1

Philipp Auerbach, gelernter Kaufmann, Chemiker und Drogist, entstammte einer angesehenen deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie. Der überzeugte Demokrat trat in den 1920er-Jahren dem republikanischen Schutzverband „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte er 1934 nach Belgien, wo er 1940 in Internierungshaft kam. Über Frankreich wurde er 1942 zurück nach Deutschland verschleppt, Anfang 1944 nach Auschwitz und Anfang 1945 in das KZ Buchenwald deportiert.

Nach der Befreiung schloss Auerbach sich der wiedergegründeten SPD an und wurde im September 1946 bayerischer „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte“, 1949 dann Präsident des bayerischen Landesentschädigungsamts. Er war für die Versorgung, Beratung und Entschädigung der NS-Verfolgten und Zwangsverschleppten wie auch für die Rückerstattung geraubten Eigentums zuständig. Über 80.000 Überlebenden des Holocaust verhalf er zur Auswanderung. Die Entnazifizierung und Strafverfolgung von NS-Verbrechern unterstützte er durch gezielte Hinweise. Als Gründungsmitglied des „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern beeinflusste er die Debatte um die „Wiedergutmachung“ wesentlich und wandte sich gegen Rassismus und Antisemitismus. Vergeblich setzte er sich dafür ein, auch Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle und Vergewaltigungsopfer zu entschädigen.

Aufgrund seiner exponierten Position und unbürokratischen Amtsführung war er starken Anfeindungen und antisemitischen Angriffen ausgesetzt. 1951 wurde er dienstenthoben und verhaftet. Man warf ihm unter anderem Amtsunterschlagung und Untreue vor. Am 14.8.1952 verurteilte ihn ein Münchner Gericht nach einem aufsehenerregenden, antisemitisch aufgeladenen Prozess wegen Unterschlagung, Bestechung, Meineids und unbefugten Führens eines Doktortitels zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Zwei Tage später beging Auerbach, von seiner Unschuld überzeugt, Selbstmord. 1954 wurde er von einem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags rehabilitiert.

Quellen

Goschler, Constantin: Der Fall Philipp Auerbach. Wiedergutmachung in Bayern, in: Herbst, Ludolf/ Goschler, Constantin (Hg.): Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland, München 1989, S. 77-98.
Klare, Hans-Hermann: Auerbach. Eine jüdisch-deutsche Tragödie oder Wie der Antisemitismus den Krieg überlebte, Berlin 2022.
Kraushaar, Wolfgang: Die Auerbach-Affäre, in: Schoeps, Julius H. (Hg.): Leben im Land der Täter. Juden im Nachkriegsdeutschland (1945–1952), Berlin 2001, S. 208-218.
Ludyga, Hannes: Philipp Auerbach (1906–1952). „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte“, Berlin 2005.

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Auerbach, Philipp (publiziert am 06.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/auerbach-philipp-43