Einwohnerwehren

Organisationen
Verfasst von Brigitte Zuber

Bewaffnete Selbstschutzverbände, Vorläufer zahlreicher paramilitärischer Organisationen

Erich Ludendorff (vorne mit Schärpe) und Wilhelm Frick (1.v.l.) bei der Eröffnung des Landesschießens der Einwohnerwehren auf dem Münchner Königsplatz am 26.9.1920 | bpk/Heinrich Hoffmann, 30004028

Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg entstanden vielerorts Bürgerwehren als lokale Milizen, meist initiiert von Reichswehrangehörigen. Ihr Hauptinteresse galt dem Niederhalten sozialistischer Bestrebungen. Im März 1919 beschloss die Reichswehr, sie auf Landesebene zu Einwohnerwehren zusammenzufassen. Sie sollten, bewaffnet durch die Reichswehr, mit der Polizei zusammenarbeiten und eine militärische Heeresreserve bilden. Um die Kontrollen der Entente-Mächte zu unterlaufen, wurden die Einwohnerwehren im Juni 1919 den Innenministerien der Länder anstatt der Reichswehr unterstellt – sie sollten dadurch als zivile Verbände gelten. Doch die Alliierten verlangten zum 31.3.1920 ihre vollständige Auflösung. Nach heftigen Auseinandersetzungen und dem gescheiterten Kapp-Putsch wurde die Forderung überall erfüllt – außer in Bayern.

Hier existierte mit der Organisation Escherich (Orgesch) ein eigenes Modell der Einwohnerwehren, das für das ganze Reich beispielgebend wurde. Ein privatrechtlicher Status sollte die Entente täuschen und ein Verbot verhindern, die staatliche Finanzierung des Personals und der waffentechnischen Ausrüstung geschah im Geheimen. Polizei und Justiz deckten Fememorde und politische Verbrechen. Ein inoffizielles staatliches Geheimmandat für die „privaten“ Einwohnerwehren hatte das frühere regierungsoffizielle Bürgerkriegsmandat abgelöst. Mit diesem System ist der Begriff ‚Ordnungszelle Bayern‘ verbunden, deren wichtigste Stütze die Einwohnerwehren bildeten.

Als auch die Kahr-Regierung im Juni 1921 den Verbotsforderungen nicht mehr ausweichen konnte, lizenzierte sie in Nachfolge der bayerischen Einwohnerwehren die bewaffnete geheime ‚Organisation Pittinger‘ und wandelte sie ein Jahr später in den ‚Bund Bayern und Reich‘ um. Die Führungen dieser Nachfolgeorganisationen waren monarchistisch-föderalistisch ausgerichtet. Eine längere Kette von Neuformationen, Abspaltungen und Bündnissen mündete schließlich 1930 in der Aufnahme in den Stahlhelm und 1933 schließlich in die SA und NSDAP.

Empfohlene Zitierweise

Brigitte Zuber: Einwohnerwehren (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/einwohnerwehren-181