Evakuierung im Luftkrieg

Thema
Verfasst von Katja Klee

Maßnahmen zur Umsiedlung der Zivilbevölkerung

Zerstörungen in der Münchner Innenstadt nach einem Luftangriff, undatiert | SZ Photo/Betzler, 00021843

Die alliierten Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg bedrohten Millionen von deutschen Menschen, insbesondere in den Städten. Pläne für systematische Evakuierungen gab es zunächst nicht, die Reichsregierung nahm die Gefährdung der Zivilbevölkerung in Kauf. Viele Menschen brachten sich daher auf eigene Faust in Sicherheit. Aufgrund seiner geografischen Lage im Süden des Reichs und wegen seines im Vergleich zu den Rüstungszentren im Nordwesten Deutschlands niedrigen Industrialisierungsgrads blieb Bayern lange Zeit weitgehend von Luftangriffen verschont. Es galt daher zeitweise als „Luftschutzkeller des Reiches“.

Die Lage änderte sich mit der von den Alliierten auf der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 beschlossenen „combined bomber offensive“, die das gesamte Reichsgebiet zum Luftkriegsgebiet machte, das von der US-amerikanischen USAAF bei Tag und von der britischen Royal Air Force (RAF) nachts bombardiert wurde. In dieser Situation änderte auch die Reichsregierung ihre Strategie und setzte nun anstatt auf Verschleierung und Tabuisierung auf die Ausweitung der Evakuierungsmaßnahmen bis zur „größten Völkerwanderung aller Zeiten“ (Goebbels). Wer in der Stadt nicht „kriegsnotwendig“ war, sollte diese verlassen, in erster Linie also Frauen, Kinder, alte und kranke Menschen. Im Zuge der kriegsbedingten Verlegung von Patienten aus Krankenhäusern und Heil- und Pflegeanstalten kam es auch zu gezielten Tötungen („Euthanasie“).

Die zentralen Bestimmungen für die Evakuierung kamen aber oft spät und scheiterten teilweise an der Realität des fortgeschrittenen Kriegsverlaufs. Als Gauleiter Giesler im August 1943 eine Initiative zur Evakuierung der Münchner Innenstadt startete, waren die dafür vorgesehenen Quartiere größtenteils bereits belegt. Dennoch verließen in der zweiten Jahreshälfte 1943 rund 100.000 Menschen die Stadt und noch einmal so viele nach einer neuerlichen Evakuierungs-Kampagne Anfang 1944. Die Masse der Münchner kehrte der Stadt allerdings erst in der zweiten Jahreshälfte 1944 den Rücken, als auch auf die „Hauptstadt der Bewegung“ mehrmals pro Woche Bomben fielen und die Zerstörungen einen Großteil der Wohnungen unbrauchbar machten. Bis Kriegsende wuchs die Zahl der evakuierten Münchner*innen auf 400.000 Personen – annähernd die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung.

Die Rückkehr nach Kriegsende gestaltete sich oft schwierig: Es fehlte an Wohnungen und Arbeitsmöglichkeiten, die städtische Infrastruktur war stark zerstört. Die Stadt veranstaltete Evakuiertentage, um ihre Solidarität mit den Kriegsgeschädigten zu zeigen. Erst das Bundesevakuiertengesetz von 1953 begründete den gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr – die Umsetzung zog sich teilweise allerdings bis weit in die 1970er Jahre hin.

Quellen

Bauer, Richard: Fliegeralarm, München 1987.
Klee, Katja: „Im Luftschutzkeller des Reiches“. Evakuierte in Bayern 1939-1953. Politik, soziale Lage, Erfahrungen, München 1998.

Empfohlene Zitierweise

Katja Klee: Evakuierung im Luftkrieg (publiziert am 30.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/evakuierung-im-luftkrieg-200