Die alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte kamen nicht unvermittelt und überraschend. Vielmehr ging der europäische Luftkrieg vom NS-Regime aus, das die Kriegsführung aus der Luft gegen zivile Ziele bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte. Am 26.4.1937 legten Kampfbomber der deutschen Legion Condor die baskische Stadt Guernica/Gernika in Trümmer. Dem Angriff fielen mehrere hundert Menschen zum Opfer. Noch schlimmer ist die Bilanz deutscher Luftangriffe während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs:
Warschau, 24.-26.9.1939, etwa 20.000 Tote
London, seit August 1940 – etwa 40.000 Tote
Rotterdam, 14.5.1940 – über 900 Tote
Coventry, 14.11.1940 – 554 Tote
Belgrad, 6./7.4.1941 – etwa 2.200 Tote
Stalingrad, 23.8.1942 – etwa 40.000 Tote
(Zahlen nach: Vogel/Müller/Overersch/Saal)
Galten Bayern und München anfänglich noch als ‚Luftschutzkeller des Reiches‘, so nahmen seit 1943 die flächendeckenden und verheerenden Luftangriffe beträchtlich zu. Den Alliierten war es gelungen, die Reichweite ihrer Flieger zu verbessern, so dass diese nun auch München anfliegen konnten. Die menschlichen Opfer und materiellen Zerstörungen erreichten jetzt ein bislang nicht gekanntes Ausmaß. Nun zeigte sich aber auch, dass die seit Mitte der 1930er-Jahre eher nachlässig projektierten Luftschutzeinrichtungen keineswegs dem Bedarf entsprachen; angesichts der alliierten Luftüberlegenheit erwiesen sie sich absolut unzureichend. Große Teile der Stadtbevölkerung waren den todbringenden Angriffen aus der Luft weitgehend schutzlos ausgeliefert. 1944 legten massive Angriffe weite Teile Münchens in Schutt und Asche. Die nunmehr auch tagsüber stattfindenden Angriffe der amerikanischen und englischen Flieger machten aus dem einstigen ‚Isarathen‘ eine Trümmerwüste und versetzten die in der Stadt verbliebene Zivilbevölkerung in Angst und Verzweiflung.
Die Bergung von Toten, die Versorgung von Verwundeten, das Löschen von Bränden, die Beseitigung von Bombenschäden, die Sicherung von Ruinen und einsturzgefährdeten Häusern, schließlich die lebensgefährliche Räumung von Blindgängern mussten von Sanitätseinheiten, Feuerwehr, Polizei, Wehrmachtshilfstrupps, Soforthilfe und Häftlingskommandos aus dem KZ Dachau geleistet werden. Wegen des schwerwiegenden Personal- und Materialmangels wurden die Einsatzkräfte mit kaum zu bewältigenden körperlichen Herausforderungen konfrontiert. Die psychischen Belastungen waren enorm. Für die Bevölkerung wurde das Leben in der Stadt zunehmend beschwerlich und entbehrungsreich. Verkehrstechnische Einschränkungen behinderten die Mobilität der Menschen. Permanente und langandauernde Störungen der Strom-, Gas- und Wasserversorgung beeinträchtigten die Lebensführung. Wegen der Zerstörung von Kanalisation und Abwassersystemen drohten ernstzunehmende Gesundheitsgefahren. Eine Aufrechterhaltung der Kommunikationsinfrastruktur war unter den gegebenen Umständen kaum möglich. Als besonders belastend wurde empfunden, dass die ohnehin defizitäre Versorgung mit Lebensmitteln mehr und mehr beängstigende Formen annahm. Die Wiederingangsetzung von Versorgungseinrichtungen und die Beschaffung von Notquartieren für ausgebombte Bürger*innen erwiesen sich als nahezu unlösbare Aufgaben. Erschwerend hinzu kam in den Wintermonaten die unzureichende Versorgung mit Heizmaterial und warmer Kleidung. Auch eine medizinische Betreuung von Kranken und Verletzten konnte lediglich provisorisch sichergestellt werden.
Obwohl bis Kriegsende etwa 400.000 Münchner*innen ins oberbayerische Umland evakuiert worden waren und die Einwohner*innenzahl dadurch beträchtlich reduziert werden konnte, wirkten sich die Versorgungsengpässe dramatisch auf die Lebenssituation der Einzelnen aus. Im Juli 1944 zeichnete der Schweizer Generalkonsul ein düsteres Stimmungsbild über die Lage in der Stadt: „Auf Lastwagen, mit Vehikeln aller Art, mit Handwägelchen, bepackten Fahrrädern und zu Fuss streben die Obdachlosen den Stadtausgängen zu. Geradezu mit Bewunderung ist festzustellen, dass unter der schwergeprüften Bevölkerung keine offensichtliche Panik herrscht. Mit stummer Resignation und gleichgültig gegenüber fremdem Leid nehmen diese Menschen den Verlust von Leben und Habe hin. Schon etwas schadenfroh laufen die vielen ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen herum. Schlechthin empörend fand ich, dass Soldatenabteilungen, auf Kommando frischfröhliche Soldatenlieder singend, in diesem grauenvollen Getümmel anzutreffen waren; für meine Begriffe ist das nicht mehr Stimmungsmache, sondern Verrücktheit. Aber auch der Anblick des Ganzen, dieses apokalyptischen Münchens vom 13.7.1944, verweist den Verstand nicht mehr bloss auf Krieg hin, sondern auf törichten höllischen Wahnsinn“ (BAR, E2200.156).
Die Bilanz der 38 Luftangriffe sowie der 30 Stör- und Tieffliegerangriffe ergibt Folgendes: Zu beklagen waren 6632 Tote – darunter zahllose ausländische Zwangsarbeiter*innen – und 15.801 Verletzte. 12.507 Häuser waren total zerstört, 10.610 Häuser schwer beschädigt worden. 13.240 Häuser hatten mittelschwere Beschädigungen erlitten, 40.589 Häuser trugen einen leichten Schaden davon. Lediglich 2,5 Prozent der Häuser blieben unbeschädigt. Die Münchner Altstadt war fast völlig zerstört. Wohnraummangel und Unterbringungsprobleme gehörten zu den gravierendsten Sorgen der letzten Kriegsjahre. Behelfsheime, Notquartiere und Barackenlager boten für viele Betroffene eine einstweilige, freilich ungeliebte Bleibe. Die hygienischen und sanitären Bedingungen dort waren desolat, an private Rückzugsräume war nicht zu denken. Als am 30.4.1945 amerikanische Truppen die Stadt besetzten, hatte München infolge der Zerstörungen sein einstiges Gesicht verloren. Es sollte noch Jahre dauern, bis Schutträumung, Instandsetzungsmaßnahmen und Wiederaufbau soweit fortgeschritten waren, um in der Stadt einen einigermaßen normalen Alltag und Lebensrhythmus zu gewährleisten.