Quellen
Heusler,
Andreas: Lion Feuchtwanger. Münchner – Emigrant – Weltbürger,
Salzburg 2014.
Sternburg, Wilhelm von: Lion Feuchtwanger. Die Biographie, Berlin 2014.
Eintritt frei
Jüdischer Schriftsteller und Autor des Schlüsselromans „Erfolg“, NS-Verfolgter, Exilant
Lion Feuchtwanger stammte aus einer seit Jahrhunderten in Bayern, zunächst in Fürth und seit Mitte der 1840er-Jahre auch in München, ansässigen Unternehmerfamilie. Er war das erste von neun Kindern des „Kunstbutter“-Fabrikanten Sigmund Aaron Meir Feuchtwanger und der aus Darmstadt stammenden Ida (genannt Johanna) Bodenheimer. Seine Kindheit in einem orthodox-jüdischen Elternhaus in der Thierschstraße im Lehel prägten die Strenge der Mutter und die altjüdische Gelehrsamkeit und Liebe zur deutschen Literatur des Vaters. Er besuchte das renommierte Wilhelmsgymnasium, fiel früh durch seine Belesenheit und schriftliche Ausdrucksfähigkeit auf und studierte nach dem Abitur Deutsche Philologie, Philosophie und Anthropologie in München und Berlin. 1907 wurde er mit einer Doktorarbeit über Heinrich Heines „Rabbi von Bacherach“ promoviert.
1912 heiratete Lion Feuchtwanger die 21-jährige Kaufmannstochter Marta Löffler; das einzige Kind des Paares, eine Tochter, starb im Alter von zwei Monaten. Nach kurzem Militärdienst in München, aus dem Lion Feuchtwanger krankheitshalber entlassen wurde, wurde er in seiner aufklärerischen und mit politischem Impetus agierenden Haltung zum Kriegsgegner. Nach dem Ersten Weltkrieg begann seine lebenslange Freundschaft mit Bertolt Brecht, und gemeinsame Projekte entstanden. Das Haus des Ehepaars Feuchtwanger in der Schwabinger Georgenstraße wurde zum Literatentreffpunkt. Nach fast 40 Münchner Jahren, die ihn persönlich und literarisch in ganz besonderem Maße geprägt hatten, übersiedelte er 1925 nach Berlin, dem damaligen Zentrum der kulturellen Moderne in Deutschland.
Lion Feuchtwangers schriftstellerische Karriere hatte in München ihren Ausgang mit Dramen, Erzählungen und Theaterkritiken sowie Theaterstücken - auch in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht - genommen und sich dann auf historische, zugleich zeitkritische Romane verlagert. Sein größter Erfolg vor 1933 mit einer Millionen-Leserschaft war der in 24 Sprachen übersetzte, aus einem Theaterstück hervorgegangene historische Roman „Jud Süß“. Darin werden die Abhängigkeit von den Mächtigen und die Assimilation, als Grundkonflikte des deutschen Judentums, thematisiert. Auf Feuchtwangers Reputation als Theaterautor - er war unter anderem Verfasser von „Kalkutta, 4. Mai. Drei Akte Kolonialgeschichte“ - folgte diejenige eines international bekannten und angesehenen Romanciers. 1930 erschien in Berlin sein zeitgeschichtlicher Roman „Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz“, welcher die heraufziehende Gefahr der Diktatur nahezu hellseherisch beschreibt und das Milieu sowie Figuren der Entwicklung zum nationalsozialistischen München und Bayern schonungslos darstellt. Vor allem durch dieses Werk wurde er zu einer von den Nationalsozialisten meistgehassten Persönlichkeiten.
1933 bedeutete für ihn wie nahezu für jede jüdische Familie eine tiefgreifende Zäsur mit Entrechtung, Verfolgung, Emigration. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme kehrte der inzwischen zum Bestsellerautor avancierte Lion Feuchtwanger von einer Vortragsreise durch die USA nicht mehr nach Berlin zurück. Nach Aufenthalten in Österreich und in der Schweiz ließ er sich in Sanary-sur-Mer in Südfrankreich nieder; sein Vermögen und seine Villa im Grunewald wurden vom NS-Staat eingezogen. Nach der Besetzung Frankreichs wurde er 1939 vorübergehend und 1940 vier Monate lang im Camp Les Milles bei Aix-en-Provence und im Lager San Nicola bei Nîmes interniert. Marta Feuchtwanger, selbst aus dem Camp de Gurs entflohen, gelang es, seine Flucht zu organisieren; er entkam, als Frau verkleidet, aus dem Lager und gelangte schließlich über die Pyrenäen nach Spanien und Portugal und von dort weiter nach Los Angeles, USA. 1943 bezog das Ehepaar eine Villa in Pacific Palisades; sein Haus wurde zum Mittelpunkt der emigrierten deutschsprachigen Künstler*innen und Intellektuellen in Los Angeles.
Lion Feuchtwanger wurde als Linksintellektueller in der McCarthy-Ära des Kommunismus verdächtigt; die amerikanische Staatsbürgerschaft wurde ihm bis an sein Lebensende verweigert. Seine Heimatstadt München verlieh ihm 1957 den Münchner Literaturpreis, nicht ohne kontroverse Diskussionen und konservative Gegenstimmen. Er wäre gerne zur Entgegennahme nach München gekommen, wagte es aber nicht aus Furcht, nicht mehr in die USA zurückkehren zu dürfen. Er starb 1958 im Alter von 74 Jahren. Seine Frau Marta überlebte ihn um fast 29 Jahre.
Heusler,
Andreas: Lion Feuchtwanger. Münchner – Emigrant – Weltbürger,
Salzburg 2014.
Sternburg, Wilhelm von: Lion Feuchtwanger. Die Biographie, Berlin 2014.